Mythos Mehrheit

Anmerkungen im Superwahljahr nach Kommunal- und EU-Wahl

Enttäuschung, Erstaunen, Freude oder Schulterzucken folgten auf die Bekanntgabe des Ergebnisses der Korbacher Bürgermeisterwahl. Mit dem Spruch „Mehrheit ist Mehrheit“ endete meist der Kommentar. Anders hingegen waren die Reaktionen auf die Ergebnisse der Wahl zum EU-Parlament. Sofort begannen die öffentlichen Überlegungen, wie aus den vielerlei unterschiedlich verorteten Abgeordneten eine Mehrheit zustande zu bringen sei, beispielsweise für die derzeitige Kommissionspräsidentin oder eine Mehrheit ohne „rechtsextreme“ Parteienvertreter.

Jedenfalls geht es für das jeweilige Wahlvolk stets um die Akzeptanz der aus der Wahlhandlung sich entwickelnden Ergebnisse.

In dem fast noch druckfrischen Buch „Demokratie in die Köpfe – Warum sich unsere Zukunft in den Schulen entscheidet“ (Hirzel Verlag 2023) gibt es hierzu auf Seite 53 einen bemerkenswerten Diskussionsbeitrag, auch für alle weiteren Wahlen:

Das Problem mit Mehrheiten.

Nur Waldecker Himmel?

Was können wir da machen?

Wer hat in letzter Zeit bei schönem Wetter schon mal zum wolkenlosen Himmel geblickt? Zum Himmel unseres „christlich geprägten“ Abendlandes? Vielleicht kennen einige von Ihnen, auch wenn Sie höchst selten in die Kirche gehen, noch das Lied „Geh‘ aus mein Herz und suche Freud in dieser schönen Sommerzeit“ von Paul Gerhard? Darin kommt die Zeile „die Lerche schwingt sich in die Luft“ vor. Von Düsenjets konnte er ja noch nichts ahnen, die ihre heißen Abgase global (demokratisch?) verteilen dürfen. Und wenn die in die Regenwolken geraten, was kommt dann alles zu Boden?

Na gut, der Sommer fängt in dieser Woche erst an. Aber wir hatten ja alle in den letzten Monaten schon ein paar mal sommerliche Temperaturen. Vor 20 Jahren konnte man über den Feldern des Edertals noch die Lerche tirilieren hören und sehen. Vorbei! Der Bodenbrüter findet in den gespritzten Mais-, Raps- und Rübenfeldern weder Schutz noch Nahrung, genauso wie Rebhuhn, Wachtelkönig oder Braunkehlchen.

Schwärme von Schwalben fingen mal im Fluge die vielen Fliegen und andere Insekten. Auch vorbei – man sieht sie nur noch vereinzelt, mal zwei oder drei. Da helfen auch keine vom NABU aufgehängten Schwalbenhotels, wenn auf den Feldern statt Pferden Traktoren die Pflüge ziehen.

Und wo kann man denn noch Schmetterlinge von Blüte zu Blüte flattern sehen? Wiesen wurden zu effektiven Grasflächen. Irgendwo muss ja die Gülle hin. Das merkten auch die Bienen und Schmetterlinge.

Mit unerbittlicher Konsequenz befolgen wir abendländischen Menschen weltweit die Forderungen der Märkte: Angebot und Nachfrage regeln den Preis – und mithin den Gewinn. Wer keinen Gewinn macht geht unter. Drum bitte möglichst wenig Kosten, damit beim Verkauf noch Gewinn übrig bleibt! Ökonomen scheuen das Wort Profit – Profiteur klingt einfach hässlich.

Es soll ja alles auch für uns nützlich sein, etwas Gutes haben: Wir brauchen weniger Fliegenfänger und sind froh, dass auf der Windschutzscheibe kaum noch Insektenleichen kleben. Dann begnügen wir uns eben damit, wenn statt der Lerche nur noch Spatzen zu hören sind. Manchmal ist es aber doch unheimlich, wenn eine Ankündigung schon fast Wirklichkeit ist – wie Rachel Carson 1962 in ihrem Buch „Der stumme Frühling“ gewarnt hat.

Bitte nicht staunen! Wie Stimmungsmache zum Verbraucher kommt.

Kriegsertüchtigung aktuell im Supermarkt unter Kultur, Hobby, Reisen

Hat der oder die kaufmännische Angestellte beim Einräumen des Zeitschriftenregals etwa seinen bzw. ihren Sinn für Ironie bewiesen? Beim eiligen Gang in Richtung Putzmittel fällt der zufällige Blick links in Augenhöhe auf wirklich unerwartete Bilder: Panzer, historische Infanteristen im Schützengraben, Ortsangaben mit Jahreszahlen. Die früheste: Friedland 1807, Napoleons fatalster Sieg (ganz unten!). Die späteste: Riesenposter D-Day (das war 1944 die Landung der Amerikaner in der Normandie, ganz oben, wie versteckt). Dazwischen posaunt CLAUSEWITZ, „Das Magazin für Militärgeschichte“: „Ostpreußen 1914, Wie das Ostheer die Niederlagen in einen Sieg verwandelte“. Etwa eine bislang unbekannte Heldengeschichte?

Es gibt auch Aktuelles: UKRAINEKRIEG Ursachen und Verlauf kompakt erklärt (links). Das hört sich ja richtig neutral an. Im „Erlebnisberichte – Großband“ (rechts) der pompöse Titel „Jagdkommando Reimers“. Auch „Panzergrenadiere – Technik und Einsatz“ oder „Der Gepard – Der beste Flak-Panzer der Welt?“ unterbrechen das offenbar langweilige Friedensgesülze und haben einen abenteuerlichen Akzent.

Zum besseren Orientierung sandte heute das Kasseler Friedensforum diesen Aufruf:

Massive Aufrüstung, Großmacht- und Führungsansprüche und die mentale Militarisierung der deutschen Politik haben atemberaubende Züge angenommen. So soll nicht nur die Bundeswehr kriegstüchtig gemacht werden, Wirtschaft und Gesellschaft sollen auf „Vaterlandsverteidigung“ getrimmt werden. Der EU-Wirtschaftskommissar erklärt: „Wir müssen in den Modus der Kriegswirtschaft wechseln“.

Profiteure der Militarisierung der Wirtschaft sind die Rüstungskonzerne und ihre Zulieferer, während die große Mehrheit der Lohnabhängigen und sozial Benachteiligten die ökonomischen und sozialen Lasten tragen müssen. Priorität für Aufrüstung und Militär heißt Sozialabbau und Kürzungen bei Gesundheit, Bildung, Umwelt und Infrastruktur. Der 100-Milliarden-Euro-Schuldenfond für die Bundeswehr, 32 Milliarden an die Ukraine, und weitere Ausgabensteigerungen, um das 2%-Ziel der NATO zu erfüllen und zu übertreffen, zeigen, wohin die Reise geht. Die Schuldenbremse soll für alle gelten – außer für die Bundeswehr – und wird so zum Sturmgeschütz gegen die Interessen der Lohnabhängigen und Gewerkschaften.

Dagegen setzen wir: Friedenspolitik und Sozialpolitik gehören zusammen. Wer den Sozialstaat will, muss gegen Aufrüstung und Kriegsbeteiligung kämpfen.

Dazu bietet das Kasseler Friedensforum ein Webinar an: Dienstag, 18.06.2024, 18.00 h, Wir bitten um Anmeldung unter folgendem Link:

https://us02web.zoom.us/meeting/register/tZ0vduyqrzoqGt0cuL7sq6C9jGmUIB-ErxZ_Wir schicken dann die Einwahldaten zur Teilnahme am Webinar.

Die Wahlbeteiligung liegt bei: 62,16 %

Im Prinzip müssten doch die Bürger und Bürgerinnen der Hansestadt Korbach mit dem Ergebnis der Bürgermeisterwahl zufrieden sein. Natürlich ohne die eine Mitbewerberin und die drei Mitbewerber, die ebenfalls angetreten waren sowie deren Wähler. Jedenfalls müssen diese nicht noch einmal zu einer Stichwahl an die Wahlurnen. Kandidat Stefan Kieweg erreichte auf Anhieb 58,79 Prozent. Da könnte man ja guten Gewissens gratulieren. Ist nun alles in Butter?

„Ja sicher“ wird der Gewinner ebenso wie seine Wähler auf diese Frage antworten. Denn die Frage nach der Mehrheit scheint ja jetzt keine mehr zu sein. Mehrheit ist Mehrheit pflegen die Formalisten zu argumentieren.

Alle schwärmen heutzutage von Demokratie, allerdings zu oft ohne konkretes Wissen über ihr Wesen, das sich nicht nur in Zahlen ausdrücken lässt. Wenn es um die zukünftige Gestaltung des eigenen Lebensraumes geht, dann schlägt die Stunde der Kommunalwahl.

Doch haben die angebotenen Bewerber anscheinend 37,84 Prozent der Wahlberechtigten nicht davon überzeugt, sich mit ihrer Stimmabgabe darum zu kümmern. Oder aber sie sind mit den bestehenden Zuständen schon zufrieden. Jedenfalls dürfte wirklich mehr Wahlbeteiligung nicht schaden.

Leider liegen vorerst noch keine Angaben über das Wahlverhalten der Erst- und Jungwähler vor. Ob die mit dem Wahlslogan Herrn Kiewegs „Klarer Kurs für Korbach“ in Bezug auf Lebensraumgestaltung (kaum Radwege) oder Freizeitangebote (abends) zufrieden sind, steht in den Sternen. Dazu könnte der städtische Streetworker bestimmt einiges erzählen.

Es folgt das Programm des Wahlgewinners.