„Wir brauchen diese öffentliche Debatte, um den Ernst der Lage klarzumachen: Einerseits erleben wir durch das aggressive Auftreten Russlands eine neue Bedrohungslage in Europa, andererseits haben wir eine Fähigkeitslücke, die wir kurzfristig nur mithilfe der USA-Verbündeten schließen können, bis wir diese Waffen selbst entwickelt haben.“
Verteidigungsminister Boris Pistorius zur Debatte über die geplante Stationierung von weitreichenden US-Waffen in Deutschland. (HNA/WLZ 17.08.2024, Beilage Sonntagszeit, S. 2)
Zur Klarstellung:
1. Was bedeutet Debatte?
„Eine Debatte (von französisch débattre „diskutieren, erörtern“) ist ein Streitgespräch, das im Unterschied zur Diskussion formalen Regeln folgt und in der Regel zur inhaltlichen Vorbereitung einer Abstimmung dient.“ (Wikipedia)
Minister Pistorius meint offenbar kein klärendes Streitgespräch, sondern betreibt Propaganda für die Stationierung todbringender und weitreichender Waffen in Deutschland. Denn eine Abstimmung ist laut Besatzungsstatut („Nato-Vertrag“) nicht vorgesehen, weil dabei eine Ablehnung riskiert würde.
2. Der Ernst der Lage besteht nicht erst seit Februar 2022, als die russische Armee mit ihrer „Spezialoperation“ gegen die Ukraine begann, sondern schon seit 10 Jahren, als 2014 auf dem Kiewer Maidan der von den USA unterstützte Putsch gegen die demokratisch gewählte Regierung erfolgte und die ukrainische Armee 8 Jahre lang die russisch sprechende Bevölkerung der Regionen Donbass und Luhansk bombardierte – unter den Augen der „westlichen Wertegemeinschaft“.
3. Die neue Bedrohungslage in Europa ist seitdem das Ergebnis erfolgreicher Autosuggestion willfähriger Politiker, die – statt die Lebensinteressen ihres Wahlvolkes und ihrer Wirtschaft – die Profitinteressen von weltweiten Rüstungskonzernen sowie den weltweiten Dominanz-Anspruch der USA bedienen.
4. Die orwellsche WortschöpfungFähigkeitslückeist pure Propaganda und zielt auf das positiv besetzte „zu etwas fähig sein“ und somit positive Möglichkeiten zu haben, die negativ besetzte „Lücke“ zu schließen. Diese soll mit der anstehenden Stationierung nur provisorisch und kurzfristig geschlossen werden, „bis wir diese Waffen selbst entwickelt haben.“
5. Mit dem propagandistischenwir des Ministers soll offensichtlich eine emotionale Verbundenheit von Herrschern und Beherrschten und ein Ansporn für die tüchtige Waffenindustrie ausgedrückt werden.
Fazit
Leider sind wir in Wirklichkeit offenbar schon weiter als es uns in den „Leitmedien“ weis gemacht wird. Folgendes probieren Sie bitte in Ihrem Browser zu finden, es ist eine notwendige, sehr nützliche Lektüre:
Diese verheißungsvolle Ankündigung stand gestern in Betreff der bei mir eingetroffenen Mails und kam um 20:17 Uhr von der Süddeutschen Zeitung. Seit ich denken kann stehen Geschenke, besonders zum Geburtstag oder zu Weihnachten, bei mir hoch im Kurs. Damals zum Beispiel das Päckchen aus Dresden öffnen, dabei die Kordel nicht durchschneiden, weil sie ja nochmal verwendet werden kann, sodann die Öffnung des oben liegenden Briefumschlags, die Entzifferung des in Sütterlin geschriebenen herzlichen Briefes der Oma, nun endlich ran an die Überraschung: das Auspacken des Christstollens! Inzwischen schenke ich mir natürlich den Dresdener Christstollen selber. Damals war er für mich kostenlos. Geschenk eben!
Klopfen wir doch mal die Bedeutung des Wortes ab! Bei Wikipedia heißt es kurz und knapp: Ein Geschenk ist die freiwillige Eigentumsübertragung einer Sache oder eines Rechts an den Beschenkten ohne Gegenleistung – also unmittelbar zunächst kostenlos für den Empfänger. Im übertragenen Sinne kann man auch jemandem seine Aufmerksamkeit, sein Vertrauen oder seine Liebe schenken. Aha – also ohne Gegenleistung!
Und welches Geschenk der SZ für den Urlaub wartet angeblich auf mich? Weil ich ja weiß, dass es sich um ein kränkelndes, um Leser kämpfendes bildungsbürgerliches Blatt handelt, bin ich ziemlich skeptisch, zumal ich vor vier Tagen schon von meiner Urlaubsreise zurück gekommen bin. Also mache ich die Mail auf und lese da:
„Lieber Herr Zimmermann, egal, ob Sie in den Süden reisen oder es sich auf Balkonien gemütlich machen – SZ Plus begleitet Sie in den nächsten 6 Monaten überallhin.“
Da haben sich die Werbetexter und -psychologen aber richtig vergaloppiert. Wie viel tausend Empfänger sollen sich von diesem Satz angesprochen fühlen? Einerseits bin ich wirklich nicht lieb. Denn hinter SZ Plus verbergen sich stets ausführlichere Beiträge und Kommentare, auf die ich bislang wegen der Bezahlschranke verzichtete. Andererseits bin ich im Urlaub nicht in den Süden sondern in den Norden, nämlich an die Ostseeküste gereist. Das ist doch nicht „Balkonien“ und schon lange nicht „egal“!
Dass dieses „Sommer-Spezial“ genannte Lockvogel-Angebot (für „nur 49 €“) auch noch für 6 Monate gelten soll, zeugt von einer geradezu bizarren Ignoranz. Denn welcher Sommer dauert ein halbes Jahr?
Ach ja: Was soll nun das Urlaubsgeschenk sein? Erst wenn man dieses 6 Monate dauernde „Sommer-Spezial“ bestellt und sich damit seine „SZ – Plus-Lektüre“ bestellt hat, bekommt zum Abo ein Geschenk:
Die gedruckte SZ Langstrecke bündelt die besten Lesestücke aus drei Monaten SZ
Sorgfältig von der Redaktion kuratiert
Im Wert von 9,50 € inkl. gratis Versand zu Ihnen nach Hause
Dann muss der Urlaub alles in allem total verregnet und jedes Museum verschlossen sein. Wer wünscht sich so einen Urlaub mit einem solchen Geschenk, für das ja erst das Halbjahres-Abo für „nur 49“ € nötig ist.
Um die Abonnentenzahl zu steigern wird mit dem Wort „Geschenk“ gelockt, das braucht es aber zuvor eine Gegenleistung. Die bildungsbürgerlichen Werber – am besten auch die verantwortlichen Redakteure – sollten sich nicht wundern, wenn an dieser Stelle an Bauernfängerei erinnert wird:
Bauernfängerei bezeichnet einen plumpen Betrug. Das Wort ist eine Ableitung von Bauernfänger und stammt aus der Berliner Gaunersprache. Bauern waren ursprünglich Leute, die aus dem Umland nach Berlin reisten und dort Opfer von Betrügern wurden; mit fangen war „überlisten“ gemeint. Wikipedia (DE)
Ein Gespenst geht um in Deutschland – das Gespenst der Delegitimierung. Wer wissen möchte, was denn das sperrige Fremdwort bedeutet, das in letzter Zeit so gerne sowohl von Angehörigen der „Ampel-Koalition“ als auch mit ihr sympathisierenden Journalisten in Talkshows zur Rechtfertigung allerlei fragwürdiger behördlicher Maßnahmen gebraucht wird, könnte sich zum Beispiel im Netz schlau machen und googeln.
An oberster Stelle bringt die Suchmaschine bereits die Position des Verfassungsschutzes:
Hier wird die Legitimierung und deren Negierung zunächst allgemein, sodann in Bezug auf Staatshandeln juristisch und die historische Verwendung betrachtet.
Wikipedia priorisiert dagegen sogleich die Definition des Verfassungsschutzes:
Dabei werden die politischen Maßstäbe Links- und Rechtsextremismus entlang der – seit den „Berufsverboten“ in den 1970er Jahren – offiziellen Definitionen erläutert und gegen das Recht auf private Meinungsäußerung abgegrenzt.
Es ist sicher nützlich zu wissen, dass legitim im Gegensatz zu legal (sowie deren Negationen) nichts mit staatlichen Gesetzen zu tun hat. Bei bedeutungonline.de ist als Beispiel-Erläuterung für „allgemein anerkannt, unbestritten, berechtigt“ das folgende, leider nicht nachgewiesene Zitat zu finden:
„Formell war er [Claus Schenk Graf von Stauffenberg] ein Hochverräter, aber ich halte das, was er getan hat [das Attentat auf A. Hitler am 20. Juli 1944], für legitim.“
Hierher gehört nun ein nachdenklicher Essay der aktuellen Berliner Morgenpost, in dem nicht nur auf die zahlreichen höchst unterschiedlichen Widerständler verwiesen wird, sondern auch deren Legitimität durch die moralische Motivation für den Mord des Diktators begründet wird.
Formell also waren die Attentäter nach der Gesetzeslage Hochverräter. Denn im NS-Staat galt das (von den Nazis) geschriebene Gesetz. Für ihre Motivation gibt es den kategorischen Imperativ Immanuel Kants (1724 bis 1804). Dieser größte deutsche Philosoph und Aufklärer geriet allerdings durch diese Erkenntnis in Konflikt mit den damals Mächtigen in Kirchen und Staat.
„Der Begriff „kategorisch“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass der Imperativ bedingungslos und allgemeingültig ist. Kant behauptet, dass moralische Handlungen auf einer universalen moralischen Gesetzgebung basieren sollten, die für alle rationalen Wesen gleichermaßen gilt. Der kategorische Imperativ fordert die Menschen auf, nach moralischen Prinzipien zu handeln, die universell anwendbar sind, unabhängig von den individuellen Umständen.
Kants kategorischer Imperativ basiert auf dem Prinzip des Autonomie. Kant argumentiert, dass die Menschen rationale Wesen sind, die die Fähigkeit haben, unabhängig von ihren individuellen Wünschen und Neigungen moralische Entscheidungen zu treffen. Der kategorische Imperativ soll Menschen dazu anleiten, moralisch zu handeln, indem sie vernünftige, allgemeingültige Prinzipien anwenden.“ (Quelle: das-wissen.de)
Somit haben wir auch einen Maßstab für legitimes staatliches Verhalten und Handeln, wenn Menschen – und nicht nur die Staatsbürger – entsprechend Kants Aufforderung nun, in der sich demokratisch nennenden Staatsform, den „Mut haben, sich des eigenen Verstandes zu bedienen“ und gegen die Obrigkeit Widerstand signalisieren. Allein in der Frage, ob ein gewisses Regierungshandeln – etwa mittels Gesetzen oder Verordnungen – legitim ist, steckt noch keine „Delegitimiereung“.
Sie sind unübersehbar und können einen schon einfach nerven. Im Land des Automobil-Erfinders Carl Benz, für dessen Nachfolgemodelle inzwischen – nach 139 Jahren – das gesamte Leben, insbesondere in ländlich geprägten Gegenden wie Korbach mit seinen 14 umliegenden Dörfern, eingestellt ist. Vier Männer und eine Frau „blicken“ von Laternenmasten und Plakatwänden mindestens bis zum Wahltag 8. Juni erwartungsvoll Autofahrer, aber natürlich auch Fußgänger an. Sie wollen als Bürgermeister ins Rathaus.
Ob nun Wahlplakate überhaupt überzeugend sind und aus Wahlberechtigten auch Wähler machen, ist ja schon seit Langem zweifelhaft. Trotzdem wird immer wieder mitgemacht. Und die Optik wird schon mal mit riesigen Transparenten locker verzehnfacht. Besonders an so manchem Straßenkreisel, wenn man langsam fahren muss, sind sie unübersehbar.
Außer den mehr oder weniger trefflich lächelnden Gesichtern sollten ja eigentlich Argumente die Wahlberechtigten überzeugen. Aber sie sind beinahe fast versteckt und nicht immer leicht zu erkennen. Hier sind sie in gleichberechtigter Schriftgröße beieinander:
14 Orte 1 Stadt, Bürgernah mit politischer Erfahrung (Thomas Kuhnhenn)
Die ganze Stadt im Blick (Henrik Ludwig)
Klarer Kurs für Korbach, Ihr Bürgermeisterkandidat (Stefan Kieweg)
Eine von Euch, für Euch (parteilose Bürgermeisterkandidatin [Jutta (Jule) Hense])
Wir Bürger meistern das, unabhängiger & parteiloser Bürgermeisterkandidat für Korbach (Gregor Mainusch)
Wer von diesen wenig inhaltlichen Hinweisen an sprachliche Leerformeln oder Worthülsen erinnert wird, befindet sich in einer 2.500-jährigen Tradition. Schon Konfuzius sagte:
„Wenn die Begriffe nicht richtig sind, so stimmen die Worte nicht; stimmen die Worte nicht, so kommen die Werke nicht zustande; kommen die Werke nicht zustande, so gedeihen Moral und Kunst nicht; gedeihen Moral und Kunst nicht, so trifft die Justiz nicht; trifft die Justiz nicht, so weiß die Nation nicht, wohin Hand und Fuß zu setzen. Also dulde man nicht, dass in den Worten etwas in Unordnung sei. Das ist es, worauf alles ankommt.“
… und kann helfen, mit Hilfe eines guten Buches diese ziemlich verrückt gewordene Welt besser zu verstehen, wenn man will. Der zunächst skeptische Rezensent ließ sich von dem im THK Verlag 2023 erschienenen Buch (bei dem es auch bestellt werden kann) überzeugen.
„Propaganda heute“ – ein überzeugendes Tutorial
Wer heutzutage sich wie Philip Preysing hinsetzt und ein Buch über Propaganda schreiben will, muss schon über eine gehörige Portion Mut verfügen. Denn im Internet sind aktuell locker hunderte, um nicht zu sagen tausende Bücher und Erklär-Videos zu finden, einschließlich der Zentralen für Politische Bildung auf Landes- und Bundesebene. Außerdem hat der Begriff spätestens seit Beginn des Ukrainekrieges und nun in den Diskussionen über Israel und seinen Kampf gegen die Palästinenser nur noch eine negative, abwertende Bedeutung.
Diese großenteils entweder akademisch strukturierten oder auch aufklärerisch-missionarisch motivierten Publikationen ergänzt der Autor mit seinem privaten, praktischen Erkenntnisweg. Dieser beginnt mit der Fragestellung, wie es kommen konnte, dass „wir“ Russlands Einmarsch in die Ukraine verurteilen und uns selbst mit den Auswirkungen von 10.000 Sanktionen belasten, aber die Aggressoren anderer verbrecherischer Kriege dagegen nicht. An welche Leser hat wohl Preysing gedacht, als er in seiner Einleitung – im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg und den durch die Sanktionen bedingten erheblichen Belastungen für die Bevölkerung – die rhetorische Frage stellte: „Wieso haben wir trotzdem den Eindruck, wir würden auf der Seite ,der Guten‘ stehen?“ (S. 10)
Das Heute im Titel provoziert, als ob das schon einmal anders gewesen wäre! Als ob es derzeit anders wäre als früher. Und dazu im Untertitel die gewagte These „Wie sich Journalisten für Propaganda missbrauchen lassen“. Damit wird er sich wohl mächtige Medienmacher zu Gegnern machen.
Erneut wird nach den wenigen Zeilen, in denen er unter anderem an vorherige völkerrechtswidrige Kriege erinnerte, der Leser somit vom Stil eines vortragenden Redners durch das „wir“ eingebunden in die Gemeinschaft von Betroffenen und Mitleidenden. Und wie ein gewandter Redner lässt Preysing uns Leserinnen und Leser an seinem sinnvoll aufgebauten Erkenntnisprozess teilhaben. Denn schon der Vorspann beginnt mit dem Benennen eines verstörenden Gefühls über den Zustand der Welt, um mit einem Appell an die kritische Vernunft des/der Lesenden zu enden.
Da der Autor sogleich zwei deutliche Akzente setzt, indem er nach dem Zitat aus einer NATO-Einladung zu einer Konferenz über Beeinflussung der öffentlichen Meinung zitiert und sodann Hermann Göring, der (wahrscheinlich beim Nürnberger Kriegsverbrecherprozess) 1946 die leichte Manipulierbarkeit des Volkes beschreibt, ist es folgerichtig, dass er Propaganda als Mittel zur Beeinflussung großer Menschenmengen definiert.
Wie das nicht nur im politischen Geschäft sondern genauso im täglichen Leben mit der Werbung für Waren oder Verhaltensweisen funktioniert, ja wie wir rundherum permanent Propaganda mit viel zu oft falschen Angaben ausgesetzt sind, zeigt Preysing mit markanten Beispielen wie etwa der Muttermilch-Kampagne von Nestlé. Verfälschungen sind somit entweder an Gefühle appellierende Behauptungen oder unvollständige Informationen durch Weglassen. Damit kommt er natürlich nicht an Edward Bernays vorbei, dem amerikanischen Erfinder der „Publik Relation“ genanten Massenbeeinflussung. Dieser habe einerseits mit seinen Methoden erreicht, dass die USA in den Ersten Weltkrieg eintraten und andererseits danach ein Buch geschrieben, das noch heute Werbetreibenden als Anleitung diene.
Nach dieser Klärung des geschichtlichen Hintergrundes gelingt Preysing im Abschnitt „Mustererkennung“ ein faszinierender Ausflug in die kulturell geprägte Lernpsychologie und er zeigt, wie nach dem Prinzip steter Tropfen höhlt den Stein Menschen dazu gebracht werden können, andere Ethnien und Kulturen als minderwertig zu kategorisieren. Als Konsequenz analysiert er nun im folgenden Kapitel Das Dritte Reich dessen bis heute nachwirkende Propagandaerfolge. Hier hätte der Hinweis gut gepasst, dass diese auch heute noch gängige Titulierung der NS-Zeit selbst ein Propagandaerfolg ist. Jedenfalls zeigt Philip Preysing im Abschnitt Antisemitismus, wie heute noch historisch und aktuell entsprechender Rassismus sowie Vorurteile bis hin zu einer Weltverschwörung wirksam sind.
Wer sich über die zwölfjährige NS-Herrschaft gründlich informieren möchte, sollte sich Preysings Buch allein schon wegen dieses detaillierten und fundierten Kapitels kaufen. In den weiteren Abschnitten Die Rolle der Kirche, Kulturkontrolle, Kriegsgründe, Lebensraum im Osten, Gewalt gegen die Zivilbevölkerung, Konzentrationslager, Gefangene als Wirtschaftsfaktor und Denazifizierung (statt Entnazifizierung) hat der Autor enorme Fakten und Nachweise darüber zusammengetragen, wie unser Schulwissen über diese Zeit hauptsächlich ein Propaganda-Ergebnis der (westlichen) Siegermächte ist. Sorgfältig demontiert Preysing, beispielsweise im Vergleich mit damaligen Kolonialmächten, die weit verbreitete Behauptung, die Konzentrationslager seien ein Alleinstellungsmerkmal des NS-Regimes gewesen.
Allerdings vergleicht Preysing akribisch die Unterschiede der Entnazifizierungin den westlichen Besatzungszonen mit dem Vorgehen in der sowjetischen Besatzungszone beziehungsweise DDR. Während dort unter der Leitung der Sowjetunion der Aufbau einer sozialistischen Gesellschaftsordnung zunächst mittels Entfernung hochrangiger Beamter, Enteignungen von Unternehmen sowie Säuberungen der Verwaltungs- und Justizbehörden vorbereitet wurde, sei aus Sicht der Propaganda der Nationalsozialismus „vor allem unter dem Aspekt des Kapitalismus und Antikommunismus“ erklärt worden.
Natürlich seien im Westen Deutschlands nicht nur die Propaganda, die neu erlaubten Zeitungen und der Nürnberger Prozess für die Besatzungsmächte hilfreich gewesen. Mit zahlreichen Nachweisen belegt Preysing, wie der zunächst nur latente Antikommunismus in den Westzonen aufgrund des Koreakrieges, in dem die UdSSR durch das Eingreifen der USA daran gehindert wurde, die zuvor japanische Kolonie komplett zu erobern, schon ende der 1940-er Jahre wieder aktiviert wurde und alsbald dazu führte, dass mithilfe der belasteten aber bewährten hochrangigen Fachkräfte Wiederaufbau und wirtschaftlicher Wohlstand vorrangig wurde. Dadurch sollte „die BRD im kalten Krieg zu einem ,Bollwerk‘ gegen den Sozialismus“ aufgebaut und einer kommunistischen Revolution vorgebeugt werden.
Ein bemerkenswertes Propagandastück nennt Philip Preysing die ab 1947 von den Westmächten USA, Großbritannien und Frankreich in ihren Besatzungszonen organisierte Umerziehung des indoktrinierten deutschen Volkes. Über sorgfältig ausgewählte Journalisten, neu gegründete lizenzierte Zeitungen, Verlage und Funkhäuser sei vor allem das kapitalistische, bürgerlich-konservative Weltbild verbreitet worden. Auch mit Einladungen im Rahmen von Besuchsprogrammen für jüngere Funktionseliten seien die USA im Rahmen ihrer Propagandakampagne bei der Vermittlung ihrer Werte in den Medien sehr wirksam gewesen. Dieser Kulturtransfer habe sich auch in den Künsten sowie bei der Umdeutung von Gebräuchen an Feiertagen wie etwa Weihnachten bis heute ausgewirkt.
Nach diesem besonders für deutsche Geschichte gravierenden Exempel über die vielschichtige Verzahnung propagandistischer Methoden referiert Preysing grundsätzlich im Kapitel Wege der Propaganda über die notwendige Massenkontrolle in demokratischen Staatsformen und die Aufgaben der Werbung in industriell geprägten Gesellschaften. Das reicht von einem probaten Rezept zum permanenten Einfluss auf die öffentliche Meinung mittels Gründung eines Forschungsinstituts bis hin zu noch aktuellen Beispielen einseitiger Berichterstattung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen in Bezug auf den Islam oder auch die Ostukraine.
So kommt der Autor auf die Beteiligung der Journalisten an bewusst oder unbewusst einseitiger Berichterstattung, bedingt durch die zunehmende Konkurrenz der Medienhäuser untereinander, dem gleichzeitigen Schrumpfen der Redaktionen und dem Druck zu schlagzeilenträchtigen Meldungen zwecks Steigerung der Auflagen beziehungsweise Zuschauerzahlen. In der zweiten Hälfte des Buches belegt Preysing seine Feststellungen mit z. T. drastischen Beispielen aus noch bestehenden Konflikten (z. B. Ukrainekrieg/Russland, Uiguren/China, dokumenta/Antisemitismus) oder gerade überstandenen Krisen (Corona) dafür, wie durch die Presse die öffentliche Meinung beeinflusst wird. Nach dem ergiebigen Parcours über die zahllosen einfallsreichen Desinformationspraktiken ist der Leser dankbar für die Ratschläge, wie er sich schützen könne.
Wissen Sie denn, was gestern für ein Tag war? Der 21. Februar. Wer auch immer diese merkwürdigen Tagesnamen erdacht hat, könnte sich ja etwas Sinnvolles dabei gedacht haben. Im Mai gibt es bekanntlich den Muttertag, der sich irgendwie sogar international durchgesetzt hat. Nun soll gestern angeblich der „Tag der Muttersprache“ gewesen sein. Im Radio konnte man es hören.
Vielleicht ist es ja ganz gut, sich mal darüber Gedanken zu machen, was wir so reden und unsere Muttersprache nennen. „Sprich Deutsch“ sagte meine Mutter, wenn ich als Kind irgendwelche interessanten Wörter aufgeschnappt und nachgeplappert hatte. „Der (oder die) ist ja blöd – auf Deutsch gesagt“, bedeutet: deutlich oder direkt und unverblümt, also schnörkellos zu reden. Diese Redensart stammt, wie die Sprachwissenschaftler sagen, aus jener Zeit, als im Hochmittelalter bei Hofe (Königs- und Fürstenhof) Latein die Umgangssprache war. Das einfache Volk sprach diutisk oder tiutsch, wie die Hochwohlgeborenen es verächtlich nannten.
Hochwohlgeborene wie der „Alte Fritz“, also auch Friedrich der Große, sprachen quasi von klein auf Französisch, was ja auch damit zu tun hatte, dass damals im 18. Jahrhundert Französisch – übrigens als Diplomatensprache bis Anfang des 20. Jahrhunderts – DIE Weltsprache war, wie heutzutage Englisch. Der Preußenkönig soll sogar bekannt haben: „Seit meiner Jugend habe ich kein deutsches Buch gelesen, und ich spreche die deutsche Sprache schlecht.“ Er behalte die deutsche Sprache seinen Pferden und Stallknechten vor, wie die WDR-Sendung „Stichtag“ vom 06.03.2009 berichtete.
In gewisser Weise hat sich also unsere Muttersprache demokratisiert, wozu übrigens nicht nur Martin Luther mit seiner Bibelübersetzung sondern auch Jacob Grimm mit seiner Deutschen Grammatik (1822) erheblich beigetragen hat. Dass die Brüder Grimm mit ihrem Deutschen Wörterbuch zu Lebzeiten nicht fertig werden konnten, das kann man schon allein daran merken, wenn man in Bayern Brötchen als „Semmeln“ und in Berlin als „Schrippen“ kaufen muss.
Und mancher ausländische Gast, der daheim in der Schule oder am Goethe-Institut Hochdeutsch lernte, verzweifelt in Oberbayern oder im Hunsrück, in Dresden oder Stuttgart zunächst an den Mundarten. Oder weiß der/die geneigte Leser/in vielleicht, was „Grumbiere“ sind? In der Pfalz sind das Kartoffeln. Und den lieben Verwandten in München muss der Nordhesse eine „Ahle Worscht“ mitbringen, damit sie lernen, was das ist.
„Die Zunge ist zwar kein Bein, doch schlägt sie Manchem den Rücken ein.“ Schon im zweiten Schuljahr lernten ich dies Sprichwort kennen und hörte dazu von unserem Lehrer, dass hier mit Bein der menschliche Oberschenkelknochen in der Funktion einer Keule gemeint ist, damit der Spruch sich auch reimt. Nun also wurde „Remigration“ zum Unwort des Jahres gekürt.
Als rechter Kampfbegriff werde Remigration als „beschönigende Tarnvokabel“ benutzt, teilte die Jury mit. Diese Erklärung kann man sicher sofort unterschreiben. Denn die größtenteils unter Todesgefahr geflüchteten, oft schon jahrelang hier lebenden Menschen sind ja keine Besucher, die unter Missachtung ihrer verbrieften Grundrechte in ihr Herkunftsland abgeschoben werden dürfen.
Ob sich allerdings die Jury-Mitglieder der „sprachkritischen Aktion“ am Montag (15. Januar) im hessischen Marburg bei der Bekanntgabe darüber im Klaren waren, dass die Verneinung eines Begriffes mit dem Präfix „un-“ an sich ein Unding ist? Man denke doch nur an Beispiele wie Unglück, Unheil, ungeschickt oder unteilbar. Analog wäre Unwort an sich ein sich selbst negierendes Wort, das es eigentlich nicht gibt.
Das „Unwort des Jahres“ gilt als eine zivilgesellschaftliche, vielbeachtete sprachkritische Aktion, die in Deutschland 1991 von dem Frankfurter Sprachwissenschaftler Horst Dieter Schlosser ins Leben gerufen wurde. So wirkt die jährliche Publikation immerhin wie ein Anstoß, mal wieder über den öffentlichen Sprachgebrauch nachzudenken, etwa wie bei Klimahysterie (2019), Gutmensch (2015) oder Klimaterroristen (2022).