Folge der Narrenfreiheit

Es gibt verschiedene Bezeichnungen für ein offensichtlich wieder sehr aktuelles mentales Phänomen, über das schon im 19. Jahrhundert, als vor allem Erzeugnisse der Druckerpresse auf Papier quasi Massenmedien waren, ein bedeutender Schriftsteller eine Parabel schrieb. Zwar heißt es „Namen sind Schall und Rauch“, aber ebenso: „Nomen est Omen“. Je nachdem, wie man das Phänomen betrachtet, heißt es Meinungsbeeinflussung oder -änderung, -manipulation oder sogar Gehirnwäsche.

Letzterer Terminus wurde in den 1960-er und 1970-er Jahren in den westlichen Medien dafür gebräuchlich, wie die Revolutionsregierung der Volksrepublik China unter Mao Zedong Nichtkommunisten, insbesondere den letzten Nachkommen des letzten Kaisers, in besonderen Lagern umerziehen wollte. Etwas netter wird dasselbe Verfahren im „Westen“ – etwa seit dem Jahr 1900 – Propaganda oder Publik Relations genannt. (Hierzu ist der Beitrag „Lesen bildet“ zu empfehlen!)

Scharfsinnig hat schon Iwan S. Turgenjew das entsprechende Prinzip geschildert, wie es auch heutzutage praktiziert wird. Er hatte sogar in Deutschland studiert, wie aus Wikipedia ersichtlich ist:

https://de.wikipedia.org/wiki/Iwan_Sergejewitsch_Turgenew#Leben

Und hier ist seine hellsichtige Beobachtung:

Der Narr

Einst lebte ein Narr. Er lebte lange herrlich und in Freuden. Allmählich gelangte jedoch das Gerücht zu ihm, er gelte überall als fader Narr.

Verwirrt und traurig überlegte er nun, was dagegen zu tun sei. Plötzlich erhellte ein Gedanke seinen dunklen Verstand…

Er verwirklichte sein Vorhaben sofort.

Als er auf der Straße einem Bekannte begegnete und dieser einen berühmten Maler zu preisen begann, rief er aus: „Was reden Sie da?… Dieser Maler ist längst abgetan! …Wissen Sie es nicht? Das hätte ich nicht von Ihnen erwartet! Was sind sie für ein rückständiger Mensch!“ Der erschrockene Bekannte stimmte sofort dem Narren zu.

„Was habe ich heute für ein herrliches Buch gelesen!“ sagte ein anderer Bekannter dem Narren. „Aber ich bitte Sie!“ schrie der Narr. „Schämen Sie sich nicht? Dieses Buch ist gar nichts wert! Niemand schätzt es mehr! Wissen Sie das nicht? Was sind Sie für ein rückständiger Mensch!“ Auch dieser Mensch erschrak und war sofort derselben Ansicht.

„Mein Freund N.N. ist ein wunderbarer Mann!“ versicherte dem Narren der dritte Bekannte. „Ein wahrhaft edler Charakter!“ „Himmel!“ rief der Narr aus. Wie jeder weiß, ist N.N. ein gemeiner Kerl! Er hat doch seine ganze Verwandtschaft bestohlen. Wie kommt es, dass Sie es nicht erfahren haben? Was sind Sie für ein rückständiger Mensch!“ Der dritte Bekannte erschrak ebenfalls, stimmte ihm zu und sagte sich von seinem Freunde los. …

Und so kam es, dass der Narr immer wieder dasselbe antwortete, sobald etwas gelobt wurde. Manchmal fügte er auch vorwurfsvoll hinzu: „Und Sie glauben auch noch an Autoritäten?“

„Ein böser, ein gehässiger Mensch!“ hieß es nun über den Narren. „Aber welch ein Kopf!“ „Und was für eine scharfe Zunge!“ fügten andere Bekannte hinzu. „O ja, er ist begabt.“ Schließlich bot ihm der Herausgeber einer Zeitung eine leitende Stelle als Kritiker an.

Und nun unterzog der Narr alle und alles einer bissigen Kritik, ohne seine Ausdrucksweise oder seine entrüsteten Ausrufe zu ändern.

Jetzt war er – der einst jede Autorität schmähte – selbst eine Autorität, und die Jugend verging vor Ehrfurcht vor ihm – und fürchtete ihn auch.

Ja, wie sollten diese unglückseligen Jünglinge sich auch verhalten? Obwohl ja – unter uns gesagt – eine derartige Verehrung nie angebracht ist, blieb ihnen nichts anderes übrig. Wie sollten sie ihm nicht Ehrfurcht bezeugen? Liefen Sie doch Gefahr, als rückständig zu gelten.

Ja wie gut geht es Narren, wenn sie unter Feigen leben!

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Seien Sie bitte ehrlich! Ist es heute anders?

Narrenfreiheit nur zur Narrenzeit?

Das gibt es ja bekanntlich im Karneval: Man genießt beziehungsweise hat Narrenfreiheit, was bedeutet, er oder sie darf sich aufgrund der Tatsache, dass er/sie in bestimmter Hinsicht nicht ganz ernst genommen wird, Dinge und Verhaltensweisen erlauben, die anderen verwehrt sind. Fürsten und höhere Herrscherhäuser hielten sich einst dafür gerne Hofnarren.

http://www.hofnarr.org/geschichte-des-hofnarren/weiterlesen-geschichte.php

Also am besten „ja!“ Denn dann wäre nämlich am Aschermittwoch alles wieder vorbei. Dann würden all die bunt und fantasievoll verkleideten Narren in den festlichen, bunt geschmückten kleinen und großen Sälen – nicht zu vergessen die zahllosen beim Straßenkarneval in und neben den Festzügen – im Alltag wieder in Zivil auftreten.

Was wäre aber, wenn nach der offiziell zelebrierten Narrenzeit zahllose Narren gerne närrisch bleiben wollen? Hatten sich doch nach den – gegen Regierungspolitik gerichteten – Bauern-Demonstrationen bis zur Karnevals-Woche Hunderttausende an Samstagen und Sonntagen zu öffentlichkeitswirksamen Protest-Demos gegen eine, wenn auch bislang konservative Oppositionspartei getroffen. Zur Rechtfertigung wurde ein passenderweise gerade bekannt gewordenes Rechercheergebnis der Redaktion CORRECTIV genutzt. Demnach wollten Teilnehmer einer obskuren Runde angeblich im Grunde dasselbe wie die Bundesregierung, nämlich in größerem Maßstab Ausländer abschieben. Dabei ist in dieser Recherche-Redaktion sogar die Bundesregierung beteiligt.

Zur fragwürdigen Finanzierung von CORRECTIV:

Im Sinne von „bist du närrisch?“, so viel bedeutend wie „nicht recht bei Verstand?“, müssten sich die journalistischen Jubelchöre der ansonsten renommierten Redaktionen die Frage stellen lassen, was sie davon haben, sich vor diesen Karren spannen zu lassen.

Als Fortbildung in dem auch aktuell als Taschenbuch erhältlichen Buch „Der Fürst“ von Niccolò Machiavelli könnten sie erfahren, wie ein Feindbild zum Nutzen der Regierenden aufgebaut und genutzt wird.

Der Reclam-Verlag schreibt dazu: „Machiavellis 1513 erstmals erschienene Schrift widmet sich der Frage, wie man in einer feindlichen politischen Umwelt erfolgreich sein, Macht erwerben, diese Macht festigen und sogar noch ausweiten kann. Er beschreibt dabei die bis heute geltenden Mechanismen der Macht ohne jede Illusion und untersucht in schneidender Klarheit jene Notwendigkeiten, die mit dem hirnlosen Wüten eines an der Macht berauschten Tyrannen nichts zu tun haben.