Was heißt denn hier „Ernstfall“?

Über Leserbriefschreiben in Zeiten der schweigsamen Mehrheit

Überraschenderweise hat die – sich als Heimatzeitung verstehende – Waldeckische Landeszeitung (WLZ) meinen nachstehenden Leserbrief auch mit der von mir gewählten Überschrift abgedruckt. Warum war ich überrascht?

Zum einen hatte ich mit kritischen Beiträgen insofern schon einige Misserfolge erlebt. Zum anderen war der Anlass diesmal ein lokalpolitisches Ereignis wegen einer bundes- und EU-politischen Entwicklung, die bis dahin allgemein beschwiegen worden war: Die Bundeswehr rekrutiert nach einem bundesweiten Operationsplan ungediente, sprich soldatisch unausgebildete Freiwillige für Heimatschutztruppen, und die noch frische Frankenberger Bürgermeisterin mitsamt Magistrat will als Arbeitgeber dafür Interessenten unter ihren Beschäftigten vom Dienst freistellen. Zwei dazugehörende Artikel auf der ersten und zweiten Seite vom 21. 11. 24 waren in nahezu unterkühlten Formulierungen gehalten.

Es galt also, sowohl Kritik am bundespolitischen Projekt als auch an der jounalistischen Darstellung des aktuellen Ereignisses in möglichst knapper Form unterzubringen, um formal begründbare Kürzungen zu vermeiden. Darum zu Beginn ein Lob für den Zeitungsmenschen:

Die sicherheitspolitische Lage in Europa hat sich spätestens seit dem russischen Angriff auf die Ukraine erheblich geändert.“ Welch geniale journalistische Formulierung auf der Titelseite für die Einleitung eines Berichts von einer in die Öffentlichkeit geratenen neuartigen Partnerschaft zwischen einer Stadtverwaltung und der Bundeswehr. Nichts falsch gemacht – das Adverb spätestens schließt sogar eine relevante Vorgeschichte ein. Konkret wird das Aufgabenfeld der Heimatschutztruppe der Ungedienten sogar im Info-Kasten darunter aufgezählt.

Details zum bislang verheimlichten Operationsplan Deutschland sind jüngst durchgesickert. Laut FAZ „schult die Bundeswehr seit Kurzem Unternehmen für den Verteidigungsfall“. Wie erwartet geht es um den Fall eines Angriffs durch Russland. Hinter den Kulissen stehen die Zeichen offensichtlich auf die bereits beschworene „Kriegstüchtigkeit“.

Nun kann also auch die Heimatzeitung mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung mithalten. Auf der zweiten Seite wird in nüchternen Formulierungen der Zweck und die Bedeutung des Heimatschutzregiments im Ernstfall – offenbar Krieg mit Russland. Das alles wurde schon 1968 durch die Notstandsgesetze vorgesehen.

Über das schier Ungeheuerliche berichten Journalisten nüchtern, emotionslos, als ginge es um eine trockene Verwaltungsentscheidung, die keinen Bürger wirklich tangiert. Wo dringend kommentierend Kritik ertönen sollte, wird durch die Zurückhaltung die Komplizenschaft mit der Grundrichtung der Kriegspolitik sichtbar.

Wenn Politik die Parole ausgibt: „Wir müssen kriegstüchtig werden!“, ist es Aufgabe von Journalisten, die den Friedensauftrag des Grundgesetzes verstanden haben, laut zu widersprechen. Politik für den Frieden will das Volk. Das wäre der dem Volk dienende Ernstfall.

Trotz alledem

Während mittels auch deutscher Waffenlieferungen gerade Kriege geführt und somit täglich zahllose Menschen getötet werden, finden sich hierzulande junge Menschen für eine wichtige Hilfe zur Rettung vor einem qualvollen Tod:

https://wildungen-digital.de/2024/10/30/dkms-gsg-dein-typ-ist-gefragt/

Ob den Schülerinnen und Schülern Zweifel am gut gemeinten Tun gekommen sind?

Bombardierungen: „Drei weitere Luftangriffe“

Diese nüchterne Formulierung kam heute in ARD-Radionachrichten über den Krieg Israels gegen die Hisbolla im Süd-Libanon vor.

Was wird denn dabei mittels Sprache transportiert? Was sich anhört wie eine tägliche Banalität der Kriegsberichterstattung handelt von Tötungen, Morden an viel zu oft unschuldigen Zivilisten, mithin nach der Haager Kriegsrechts-Ordnung und der Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes von 1948 und ist deswegen ein Straftatbestand im Völkerstrafrecht.

Die Verschleierung dieser Tatsache durch Formulierungstricks der Nachrichtenredakteure dient allein der Sedierung, also der Beruhigung der Zuhörer sowie Zuschauer. Weil dergleichen ja von dpa praktischerweise oft genug vorformuliert wird, findet sie natürlich auch in weiteren Nachrichtensendungen der öffentlich-Rechtlichen statt. Sind die Nachrichtenredakteure nicht für ihre Wortwahl verantwortlich? Haben sie kein Geschichtsbewusstsein?

Als einer, der nicht nur in München 1944, sondern auch 1945 in Dresden unglücklicherweise solche Luftangriffe nicht nur erlebt sondern auch überlebt hat, werfe ich den für die Nachrichten-Texte verantwortlichen Redakteuren absichtliche Verharmlosung, ja offenbar auch Verdummung der Hörer und Zuschauer vor. Denn das Grauen der Sterbenden und der schrecklichen Todesängste, auch die darauffolgende Heimatlosigkeit wäre eben sonst in der BRD-Komfortzone unerträglich. Und könnte zu Widerstandshandlungen gegen die Unterstützung Israels führen.

Anmerkung: Im Blick des historischen Fotos vom Dresdener Rathaus auf die zerstörte Altstadt etwa vier Wochen nach der Bombardierung liegt auch eine Ruine, aus der ich als knapp Vierjähriger gerettet werden konnte.

Mal Glück, mal Pech – auch Heimat, „daheim“!

„Sieh das doch nicht so idealistisch!“ sagte mein Freund Heinz, als er meinen Beitrag Migration und – ja, Heimat – lauter Versuche gelesen hatte, zu mir. „Ist doch nur Eiapopeia. Auch wenn es mit Migration zu tun hat. Das ist ein tiefer liegendes Problem. Was meinst du, warum es Dafür sogar Ministerien in den USA oder Deutschland gibt?“

Na ja. Gerade, kurz nachdem ich begann darüber zu nachzudenken, entdeckte ich einen eher ironisch gemeinten, ganz anderen Aspekt zum Thema, einen zunächst sogar nur lokalpolitischen Artikel über Geschäftemacherei, Kapitalismus eben, mit den Begriffen Heimat und daheim:

https://www.jungewelt.de/artikel/485880.der-mensch-muss-trinken-wo-man-sich-aufh%C3%A4ngt.html

Ob Bundespräsident oder Kneipier: Werbung, Propaganda, Wörter-Missbrauch, wohin man schaut! Die Begriffe Heimat und daheim können eben immer auch falsche Versprechungen enthalten.

Wie aus einer Nussschale: alternative Posts im digitalen Zeitalter

Analoge Mails an Altglas-Container-Wänden

Diesmal nahm ich mir die Zeit und zum Fotografieren mein Smartphone. Denn schon kurz nach unserem Umzug in die nordhessische Kleinstadtstadt im zweiten Jahr der COVID-19-Pandemie waren mir die Beschriftungen auf den Altglas-Containern am Rande des kleinen Parks, aufgefallen. Bisher aber hatte ich es meist eilig, oder es war kalt, regnete oder ich war mit einem Hund an der Leine unterwegs.

Nun aber nahm ich die sorgfältig, quasi in der Art Schulschrift der 70-er und 80-er Jahre des vorigen Jahrhunderts mit der Hand und weißem Deko-Stift geschriebenen, immer noch gut sichtbaren, etwa in Hüfthöhe akkurat wie auf Linie angefertigten Beschriftungen bewusst wahr.

Sie entzündeten in mir die Frage, wer sich denn und warum wohl diese Mühe machte, vermutlich am helllichten Tag auf einem Hocker sitzend, wenn Jogger oder andere, Spaziergänger oder Familien mit Kindern oder Hunden vorbeikämen, gerade hier die – zuvor daheim ausgesuchten – Zitate zu veröffentlichen.

Da wird Alexander von Humboldt, der Forschungsreisende, Humanist und Begründer der Schulpflicht in Preußen, als Pionier des Tourismus gedeutet.

An auffälligster Stelle des „Weißglas“-Containers fällt jedoch das Zitat der mexikanischen Malerin Frida Kahlo auf, in dem ebenfalls unser natürliches Sehen mit seinen oberflächlichen Schlussfolgerungen in einem Satz thematisiert wird.

Außer dem Entdecker und der Malerin kommt sogar noch der englische Schriftsteller Oscar Wilde als Gesellschaftskritiker mit einer immer noch richtigen Erkenntnis zu Wort:

Es gibt bestimmt Graphologen, die feststellen könnten, ob die Beschriftungen mit ihren rundlichen Formen tatsächlich von einer Frau stammen. Und ob die eigentümliche Verkürzung der Umlaut-Punkte zu einem Querstrich vielleicht sogar auf ihren ungefähren Jahrgang schließen ließe.

Jedenfalls lässt die Auswahl der Themen und deren Autoren auf eine Person mit einer tieferen kulturellen Bildung schließen – aber was erhoffte sie bei den zufälligen Lesern ihrer Posts zu erreichen?

Vielleicht ging und geht es manchen wie mir: Wer sind denn die zitierten Autoren? Von der mexikanischen Malerin und vom deutschen Begründer der humanistischen Bildung hatte ich ja schon eine Vorstellung. Zum ersten Mal habe ich mich aber nun näher mit Walt Whitman beschäftigt, dem viel gelobten und von berühmten Komponisten oder Songwritern vertonten amerikanischen Poeten.

Die amerikanische LGBTQ-Bewegung reklamiert ihn heute als einen ihrer Vorläufer. Die Brücke, die den Delaware River zwischen Philadelphia und Gloucester City, New Jersey, in der Nähe von Whitmans Wohnhaus in Camden, überspannt, trägt seinen Namen ebenso wie ein Krater auf dem Merkur.

Textbaustein: Der Gender-Ratschlag des Monats

Mit einem sachkundigen Hinweis am Schluss

Seitdem die Grüne Partei hierzulande den Status des politischen Schmuddelkindes der 1980-er Jahre unter anderem durch die allererste Regierungsbeteiligung, nämlich in Hessen unter Holger Börner (SPD) mit Joschka Fischer als Staatsminister für Umwelt und Energie überwunden und das Label „demokratische Partei“ erhalten hatte, gewannen auch neumodische Sprachkritiker nach und nach die Oberhand.

Denn die gesellschaftliche Benachteiligung des weiblichen Geschlechts sollte nun auch mit einer feministischen Stoßrichtung gegen das generische Maskulinum überwunden werden. Alsbald wurden z. B. in Stellenanzeigen „Mechaniker m/w/d“ gesucht. Auch alle möglichen menschlichen Gruppierungen wie etwa Abonnenten sollten zugleich auch eine weibliche Benennung bekommen. Weil das nun aber ziemlich umständlich ist und Texte infolge dessen aufgebläht und schwerer zu lesen bzw. auch zu sprechen sind, gab es Versuche mit Sternchen (Bürgerin*nen) oder auch Unterstrich (Lehrerin_nen). „Gendern“ wurde auf einmal zum neuen Volkssport von Gutmenschen.

Selbstverständlich erschwert dergleichen oft behördliche Kommunikationsversuche. Wenn aber nun diese Erschwernis dazu führt, dass der Magistrat der Stadt Korbach in der Einladung zum städtischen Seniorennachmittag – wie in meinem Fall – nur den Senior, nicht aber die mit diesem verheiratete Seniorin einlädt, dann ist durch das Weglassen des entsprechenden Textbausteins die Seniorin benachteiligt!

Es darf doch angenommen werden, dass sich meine 71-jährige Ehefrau, die ja mit mir auch vor drei Jahren im Rathaus angemeldet wurde, ebenfalls im Senioren-Stand befindet. Sie wurde aber bis dato weder mit mir zusammen noch mit einem extra Schreiben eingeladen.

Der nötige Textbaustein könnte also „Dazu möchte ich Sie und Ihre Ehefrau […] einladen.“ sein.

Abgesehen davon sind doch bestimmt auch alleinstehende Seniorinnen eingeladen worden – oder?

Nachtrag: Einem sachkundigen Korbacher Bürger verdanke ich inzwischen den Hinweis, dass für die besagte Einladung das Mindestalter 75 Jahre beträgt. Nichtsdestoweniger sind nur „Senioren“ eingeladen…

Wie ein Kriegsminister spricht

„Wir brauchen diese öffentliche Debatte, um den Ernst der Lage klarzumachen: Einerseits erleben wir durch das aggressive Auftreten Russlands eine neue Bedrohungslage in Europa, andererseits haben wir eine Fähigkeitslücke, die wir kurzfristig nur mithilfe der USA-Verbündeten schließen können, bis wir diese Waffen selbst entwickelt haben.“

Verteidigungsminister Boris Pistorius zur Debatte über die geplante Stationierung von weitreichenden US-Waffen in Deutschland. (HNA/WLZ 17.08.2024, Beilage Sonntagszeit, S. 2)

Zur Klarstellung:

1. Was bedeutet Debatte?

„Eine Debatte (von französisch débattre „diskutieren, erörtern“) ist ein Streitgespräch, das im Unterschied zur Diskussion formalen Regeln folgt und in der Regel zur inhaltlichen Vorbereitung einer Abstimmung dient.“ (Wikipedia)

Minister Pistorius meint offenbar kein klärendes Streitgespräch, sondern betreibt Propaganda für die Stationierung todbringender und weitreichender Waffen in Deutschland. Denn eine Abstimmung ist laut Besatzungsstatut („Nato-Vertrag“) nicht vorgesehen, weil dabei eine Ablehnung riskiert würde.

2. Der Ernst der Lage besteht nicht erst seit Februar 2022, als die russische Armee mit ihrer „Spezialoperation“ gegen die Ukraine begann, sondern schon seit 10 Jahren, als 2014 auf dem Kiewer Maidan der von den USA unterstützte Putsch gegen die demokratisch gewählte Regierung erfolgte und die ukrainische Armee 8 Jahre lang die russisch sprechende Bevölkerung der Regionen Donbass und Luhansk bombardierte – unter den Augen der „westlichen Wertegemeinschaft“.

3. Die neue Bedrohungslage in Europa ist seitdem das Ergebnis erfolgreicher Autosuggestion willfähriger Politiker, die – statt die Lebensinteressen ihres Wahlvolkes und ihrer Wirtschaft – die Profitinteressen von weltweiten Rüstungskonzernen sowie den weltweiten Dominanz-Anspruch der USA bedienen.

4. Die orwellsche Wortschöpfung Fähigkeitslücke ist pure Propaganda und zielt auf das positiv besetzte „zu etwas fähig sein“ und somit positive Möglichkeiten zu haben, die negativ besetzte „Lücke“ zu schließen. Diese soll mit der anstehenden Stationierung nur provisorisch und kurzfristig geschlossen werden, „bis wir diese Waffen selbst entwickelt haben.“

5. Mit dem propagandistischen wir des Ministers soll offensichtlich eine emotionale Verbundenheit von Herrschern und Beherrschten und ein Ansporn für die tüchtige Waffenindustrie ausgedrückt werden.

Fazit

Leider sind wir in Wirklichkeit offenbar schon weiter als es uns in den „Leitmedien“ weis gemacht wird. Folgendes probieren Sie bitte in Ihrem Browser zu finden, es ist eine notwendige, sehr nützliche Lektüre:

Pressenza Der 3. Weltkrieg hat bereits begonnen

Ihr Urlaubsgeschenk wartet auf Sie!

Diese verheißungsvolle Ankündigung stand gestern in Betreff der bei mir eingetroffenen Mails und kam um 20:17 Uhr von der Süddeutschen Zeitung. Seit ich denken kann stehen Geschenke, besonders zum Geburtstag oder zu Weihnachten, bei mir hoch im Kurs. Damals zum Beispiel das Päckchen aus Dresden öffnen, dabei die Kordel nicht durchschneiden, weil sie ja nochmal verwendet werden kann, sodann die Öffnung des oben liegenden Briefumschlags, die Entzifferung des in Sütterlin geschriebenen herzlichen Briefes der Oma, nun endlich ran an die Überraschung: das Auspacken des Christstollens! Inzwischen schenke ich mir natürlich den Dresdener Christstollen selber. Damals war er für mich kostenlos. Geschenk eben!

Klopfen wir doch mal die Bedeutung des Wortes ab! Bei Wikipedia heißt es kurz und knapp: Ein Geschenk ist die freiwillige Eigentumsübertragung einer Sache oder eines Rechts an den Beschenkten ohne Gegenleistung – also unmittelbar zunächst kostenlos für den Empfänger. Im übertragenen Sinne kann man auch jemandem seine Aufmerksamkeit, sein Vertrauen oder seine Liebe schenken. Aha – also ohne Gegenleistung!

Und welches Geschenk der SZ für den Urlaub wartet angeblich auf mich? Weil ich ja weiß, dass es sich um ein kränkelndes, um Leser kämpfendes bildungsbürgerliches Blatt handelt, bin ich ziemlich skeptisch, zumal ich vor vier Tagen schon von meiner Urlaubsreise zurück gekommen bin. Also mache ich die Mail auf und lese da:

„Lieber Herr Zimmermann, egal, ob Sie in den Süden reisen oder es sich auf Balkonien gemütlich machen – SZ Plus begleitet Sie in den nächsten 6 Monaten überallhin.“

Da haben sich die Werbetexter und -psychologen aber richtig vergaloppiert. Wie viel tausend Empfänger sollen sich von diesem Satz angesprochen fühlen? Einerseits bin ich wirklich nicht lieb. Denn hinter SZ Plus verbergen sich stets ausführlichere Beiträge und Kommentare, auf die ich bislang wegen der Bezahlschranke verzichtete. Andererseits bin ich im Urlaub nicht in den Süden sondern in den Norden, nämlich an die Ostseeküste gereist. Das ist doch nicht „Balkonien“ und schon lange nicht „egal“!

Dass dieses „Sommer-Spezial“ genannte Lockvogel-Angebot (für „nur 49 €“) auch noch für 6 Monate gelten soll, zeugt von einer geradezu bizarren Ignoranz. Denn welcher Sommer dauert ein halbes Jahr?

Ach ja: Was soll nun das Urlaubsgeschenk sein? Erst wenn man dieses 6 Monate dauernde „Sommer-Spezial“ bestellt und sich damit seine „SZ – Plus-Lektüre“ bestellt hat, bekommt zum Abo ein Geschenk:

Die gedruckte SZ Langstrecke bündelt die besten Lesestücke aus drei Monaten SZ

Sorgfältig von der Redaktion kuratiert

Im Wert von 9,50 € inkl. gratis Versand zu Ihnen nach Hause

Dann muss der Urlaub alles in allem total verregnet und jedes Museum verschlossen sein. Wer wünscht sich so einen Urlaub mit einem solchen Geschenk, für das ja erst das Halbjahres-Abo für „nur 49“ € nötig ist.

Um die Abonnentenzahl zu steigern wird mit dem Wort „Geschenk“ gelockt, das braucht es aber zuvor eine Gegenleistung. Die bildungsbürgerlichen Werber – am besten auch die verantwortlichen Redakteure – sollten sich nicht wundern, wenn an dieser Stelle an Bauernfängerei erinnert wird:

Bauernfängerei bezeichnet einen plumpen Betrug. Das Wort ist eine Ableitung von Bauernfänger und stammt aus der Berliner Gaunersprache. Bauern waren ursprünglich Leute, die aus dem Umland nach Berlin reisten und dort Opfer von Betrügern wurden; mit fangen war „überlisten“ gemeint. Wikipedia (DE)

Bitte nicht staunen! Wie Stimmungsmache zum Verbraucher kommt.

Kriegsertüchtigung aktuell im Supermarkt unter Kultur, Hobby, Reisen

Hat der oder die kaufmännische Angestellte beim Einräumen des Zeitschriftenregals etwa seinen bzw. ihren Sinn für Ironie bewiesen? Beim eiligen Gang in Richtung Putzmittel fällt der zufällige Blick links in Augenhöhe auf wirklich unerwartete Bilder: Panzer, historische Infanteristen im Schützengraben, Ortsangaben mit Jahreszahlen. Die früheste: Friedland 1807, Napoleons fatalster Sieg (ganz unten!). Die späteste: Riesenposter D-Day (das war 1944 die Landung der Amerikaner in der Normandie, ganz oben, wie versteckt). Dazwischen posaunt CLAUSEWITZ, „Das Magazin für Militärgeschichte“: „Ostpreußen 1914, Wie das Ostheer die Niederlagen in einen Sieg verwandelte“. Etwa eine bislang unbekannte Heldengeschichte?

Es gibt auch Aktuelles: UKRAINEKRIEG Ursachen und Verlauf kompakt erklärt (links). Das hört sich ja richtig neutral an. Im „Erlebnisberichte – Großband“ (rechts) der pompöse Titel „Jagdkommando Reimers“. Auch „Panzergrenadiere – Technik und Einsatz“ oder „Der Gepard – Der beste Flak-Panzer der Welt?“ unterbrechen das offenbar langweilige Friedensgesülze und haben einen abenteuerlichen Akzent.

Zum besseren Orientierung sandte heute das Kasseler Friedensforum diesen Aufruf:

Massive Aufrüstung, Großmacht- und Führungsansprüche und die mentale Militarisierung der deutschen Politik haben atemberaubende Züge angenommen. So soll nicht nur die Bundeswehr kriegstüchtig gemacht werden, Wirtschaft und Gesellschaft sollen auf „Vaterlandsverteidigung“ getrimmt werden. Der EU-Wirtschaftskommissar erklärt: „Wir müssen in den Modus der Kriegswirtschaft wechseln“.

Profiteure der Militarisierung der Wirtschaft sind die Rüstungskonzerne und ihre Zulieferer, während die große Mehrheit der Lohnabhängigen und sozial Benachteiligten die ökonomischen und sozialen Lasten tragen müssen. Priorität für Aufrüstung und Militär heißt Sozialabbau und Kürzungen bei Gesundheit, Bildung, Umwelt und Infrastruktur. Der 100-Milliarden-Euro-Schuldenfond für die Bundeswehr, 32 Milliarden an die Ukraine, und weitere Ausgabensteigerungen, um das 2%-Ziel der NATO zu erfüllen und zu übertreffen, zeigen, wohin die Reise geht. Die Schuldenbremse soll für alle gelten – außer für die Bundeswehr – und wird so zum Sturmgeschütz gegen die Interessen der Lohnabhängigen und Gewerkschaften.

Dagegen setzen wir: Friedenspolitik und Sozialpolitik gehören zusammen. Wer den Sozialstaat will, muss gegen Aufrüstung und Kriegsbeteiligung kämpfen.

Dazu bietet das Kasseler Friedensforum ein Webinar an: Dienstag, 18.06.2024, 18.00 h, Wir bitten um Anmeldung unter folgendem Link:

https://us02web.zoom.us/meeting/register/tZ0vduyqrzoqGt0cuL7sq6C9jGmUIB-ErxZ_Wir schicken dann die Einwahldaten zur Teilnahme am Webinar.

Wahlplakate: ein witzig-demokratisches Exempel?

Sie sind unübersehbar und können einen schon einfach nerven. Im Land des Automobil-Erfinders Carl Benz, für dessen Nachfolgemodelle inzwischen – nach 139 Jahren – das gesamte Leben, insbesondere in ländlich geprägten Gegenden wie Korbach mit seinen 14 umliegenden Dörfern, eingestellt ist. Vier Männer und eine Frau „blicken“ von Laternenmasten und Plakatwänden mindestens bis zum Wahltag 8. Juni erwartungsvoll Autofahrer, aber natürlich auch Fußgänger an. Sie wollen als Bürgermeister ins Rathaus.

Ob nun Wahlplakate überhaupt überzeugend sind und aus Wahlberechtigten auch Wähler machen, ist ja schon seit Langem zweifelhaft. Trotzdem wird immer wieder mitgemacht. Und die Optik wird schon mal mit riesigen Transparenten locker verzehnfacht. Besonders an so manchem Straßenkreisel, wenn man langsam fahren muss, sind sie unübersehbar.

Außer den mehr oder weniger trefflich lächelnden Gesichtern sollten ja eigentlich Argumente die Wahlberechtigten überzeugen. Aber sie sind beinahe fast versteckt und nicht immer leicht zu erkennen. Hier sind sie in gleichberechtigter Schriftgröße beieinander:

14 Orte 1 Stadt, Bürgernah mit politischer Erfahrung (Thomas Kuhnhenn)

Die ganze Stadt im Blick (Henrik Ludwig)

Klarer Kurs für Korbach, Ihr Bürgermeisterkandidat (Stefan Kieweg)

Eine von Euch, für Euch (parteilose Bürgermeisterkandidatin [Jutta (Jule) Hense])

Wir Bürger meistern das, unabhängiger & parteiloser Bürgermeisterkandidat für Korbach (Gregor Mainusch)

Wer von diesen wenig inhaltlichen Hinweisen an sprachliche Leerformeln oder Worthülsen erinnert wird, befindet sich in einer 2.500-jährigen Tradition. Schon Konfuzius sagte:

Wenn die Begriffe nicht richtig sind, so stimmen die Worte nicht; stimmen die Worte nicht, so kommen die Werke nicht zustande; kommen die Werke nicht zustande, so gedeihen Moral und Kunst nicht; gedeihen Moral und Kunst nicht, so trifft die Justiz nicht; trifft die Justiz nicht, so weiß die Nation nicht, wohin Hand und Fuß zu setzen. Also dulde man nicht, dass in den Worten etwas in Unordnung sei. Das ist es, worauf alles ankommt.“