Mehr als ein Nachruf

„Unermüdlich kämpfte sie gegen Rassismus, Ausgrenzung, Hass. Und je älter Margot Friedländer wurde, desto wichtiger wurde sie für dieses Land.“ So hat Christoph Amend seinen Nachruf auf Zeit Online für jene Überlebende des KZ Theresienstadt eingeleitet, die nach ihrer Befreiung zwar zunächst nach Amerika emigrierte, aber wieder nach Deutschland kam, um mit Ausdauer und Menschlichkeit nicht nur in Schulen als Zeitzeugin zu wirken. Bewunderung und Dankbarkeit finden sich in allen erreichbaren Nachrufen.

Auf Zeit Online gefunden und mit Dank weitergereicht:

Tod von Margot Friedländer: Sie war so sehr Mensch

In ihren letzten Lebensjahren gewann Margot Friedländer als Botschafterin für die Menschlichkeit überlebensgroße Bedeutung. Eine Erinnerung

Von Götz Hamann

10. Mai 2025, 16:13 Uhr 96 Kommentare

Die fünfstöckige Torte, vor der Margot Friedländer an ihrem 102. Geburtstag stand, war fast halb so groß wie die zierliche Frau. Wie immer hatte sie in eine repräsentative Privatvilla geladen, die nicht ihre eigene war, die Gäste waren in der großzügigen Küche zusammengekommen. Die Torte, ein erbackenes Kunstwerk von Martin Werthmann, stand auf der Kochinsel, und als alle Kerzen angezündet waren, begannen die Gäste Viel Glück und viel Segen zu singen. Friedländer, in der Mitte stehend, das Gesicht auf Höhe der Kerzen, war hell erleuchtet. Sie lächelte. Neben ihr stand der Bundespräsident, Frank-Walter Steinmeier, und nachdem das Lied zu Ende war, alle applaudiert und gejubelt hatten, bliesen die beiden gemeinsam die Kerzen aus. Also sie versuchten es. Denn es waren 102 Kerzen, die auf dem Tortenplateau wie ein dichter Wald zusammenstanden. Schließlich schafften sie es doch.

Dieser Moment ist wie eine Metapher für das, was Margot Friedländer für viele Menschen in Deutschland war. Ein Mittelpunkt. Ein Licht. Wie viele Leben in Berlin und in ganz Deutschland hat sie in den vergangenen zwei Jahrzehnten wohl bereichert? Seitdem sie, nach mehr als sechs Jahrzehnten in New York, 88-jährig in ihre Heimat Berlin zurückgekehrt war. Als ich sie vor zwei Jahren besuchte, holte Margot Friedländer irgendwann einen großen Stapel Kalender aus einer Schublade, sie legte sich die Bücher auf den Schoß, begann zu blättern. Auf den Seiten war notiert, wo sie überall schon gesprochen hatte und aufgetreten war, in wie vielen Schulen Margot Friedländer ihre Geschichte erzählt hatte. Ihre Geschichte, wie sie sich als deutsche Jüdin vor den Nationalsozialisten verstecken musste, wie sie später im Konzentrationslager Theresienstadt überlebte – und wie sie gerettet wurde. Als einzige ihrer direkten Familie überlebte Friedländer die Schoah.

Tod von Margot Friedländer: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gratuliert Friedländer im November 2023 nachträglich zu ihrem 102. Geburtstag.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gratuliert Friedländer im November 2023 nachträglich zu ihrem 102. Geburtstag. © Bernd von Jutrczenka/​dpa

Botschafterin der Herzensbildung

Ihr Überleben sollte einen Sinn haben, entschied Friedländer. Sie wollte Kinder und Jugendliche für ihre Botschaft gewinnen, menschlich zu handeln, damit so etwas wie während der Gewaltherrschaft der Nazis nie wieder geschehen kann: der Mord an sechs Millionen Juden und vielen anderen mehr, die Friedländer nie zu erwähnen vergaß. Sie war eine Botschafterin der Herzensbildung. Der Historiker Michael Wolffsohn hat kürzlich gesagt, für Herzensbildung brauche es kein Wissen, brauche es keinen Universitätsabschluss. Herzensbildung setze früher ein. Margot Friedländer hat genau das getan: Sie hat zur Herzensbildung von vielen Hunderttausend Deutschen beigetragen.

Nicht ganz leichter, aber nötiger Rat

… mehrerer Krankenkassen: „Legen Sie ihre Smartphones weit weg, wenn Sie mit Kindern zusammen sind.“ Zunächst aber ein Blick auf einen natürlich gesunden Zustand:

„Warum ist die Banane krumm?“ Mamas Antwort kennen manche vielleicht noch aus der Sesamstraße: „Ja, wenn die Banane grade wär‘, dann wär‘ sie keine Banane mehr!“ Eine einfache Kinderfrage und eine einfache Antwort, mit einem Argument, vielleicht.

Mit der Parole „Wer, wie, was, warum? Wer nicht fragt bleibt dumm!“ wurden Kinder ermutigt, den Erwachsenen alle möglichen Fragen zu stellen. Die stoppten dann nicht selten die drohende Frage-Lawine mit der Bemerkung, das Kind würde ja einem mit den Fragen Löcher in den Bauch bohren. Doch so wuchsen ungezählte Generationen heran, nahmen zu an Alter, Weisheit und Verstand.

Bis Google und die Smartphones über die Menschheit hereinbrachen, Mamas und Papas die nervige Fragerei mit dem Hinweis beenden konnten „Kannste doch googeln!“, und schon kriegte das Kind das Wunderwerk in die Finger, googelte nicht nur sondern konnte sich die Zeit statt mit der Mama oder dem Papa auch mit immer interessanteren Spielen alleine vertreiben, und die schon von der täglichen Tretmühle genervten Elternteile hatten Ruhe.

Nun haben wir den Salat!

Zwar ist die Meldung nicht mehr ganz neu, aber die Folgen werden uns noch lange beschäftigen:

Schulischer Alltag: „meldepflichtige Hinweise“?

Als Lehrer oder Lehrerin hat man es heutzutage offensichtlich erheblich schwerer als zu meiner Zeit. Änderte sich in Hessen vor etwa 40 Jahren die Unterrichtsrichtlinie von der „Pädagogischen Freiheit“ zur „Pädagogischen Verantwortung“, so scheinen die aktuellen, bundesweiten Schlagzeilen einen Trend zur „politischen Verantwortung“ des Lehrpersonals zu signalisieren.

Da bekommen scheinbar witzig gemeinte Posts auf einem social Media-Kanal eine konflikthaltige, allerdings politische Bedeutung, weil sich ein Schulleiter verpflichtet fühlte, der Polizei „meldepflichtige Hinweise“ weitergeben zu müssen, wie ntv am 19.03.24 meldete. Spektakulär wurde das ganze, weil die Polizeibeamten die 16-jährige Schülerin aus dem Unterricht holten und befragten, weswegen sich ihre Eltern sodann an die örtliche Presse wandten.

https://www.n-tv.de/regionales/mecklenburg-vorpommern/Polizei-nennt-Details-ueber-Internet-Posts-einer-Schuelerin-article24814353.html

Drauf wurde auch die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) aufmerksam und brachte heute einen detaillierteren Bericht online, auch über diese Befragung: Die Beamten hielten der Schülerin, der sie kein strafbares Verhalten vorwarfen, dennoch eine «Gefährderansprache» vor. Laut Innenministerium ist das ein «normenverdeutlichendes Gespräch», welches aufzeigen soll, dass es «durchaus Straftatbestände gibt».

Die NZZ stellt auch Fragen nach den möglichen pädagogischen Alternativen sowie psychologischen Wirkungen und politischen Folgen des Falles, mit dem sich übermorgen sogar eine Sondersitzung des Bildungsausschusses im Schweriner Landtag befassen soll.

https://www.nzz.ch/international/polizei-im-klassenzimmer-ging-es-wirklich-nur-um-ein-schlumpf-video-ld.1822886