Während mittels auch deutscher Waffenlieferungen gerade Kriege geführt und somit täglich zahllose Menschen getötet werden, finden sich hierzulande junge Menschen für eine wichtige Hilfe zur Rettung vor einem qualvollen Tod:
Kennen Sie den? Treffen sich am Persischen Golf zwei befreundete Scheichs. Sagt der eine: „Mensch, ich hab dich aber lange nicht gesehen!“ Antwortet der andere: „Ich war ja auch im Urlaub.“ Erstaunt reagiert der Frager: „Wo bist Du denn gewesen?“ – „In den Niederlanden“ antwortet der andere. – „Und wie war’s?“ – „Einfach fantastisch!“ – „Was kann denn in den Niederlanden fantastisch sein?!“ – „Stell dir vor: vierzehn Tage Regen!“
Zugegeben – der Witz ist schon etwas angestaubt, zeigt aber doch, wie unterschiedlich Urlaubserfahrungen sein können. Damals war Klimawandel überhaupt noch kein öffentliches Thema, und arabische Scheichs waren in Europa vor allem als Lieferanten möglichst billigen Erdöls oder als spendable Investoren willkommen.
Und kennen Sie das? Kollegen oder auch Kolleginnen, Zufallsbekanntschaften oder Nachbarn begrüßen Sie mit der Frage „Na, wie war der Urlaub?“ Da stellt sich erst mal sofort die Frage, warum die das fragen. Wollen die das wirklich wissen? Den großen Stress, etwa mit den Kindern oder am Airport-Check-in, die kleinen Freuden, die Überraschungen, die Enttäuschungen? Unter Familien-Anwälten ist bekannt, dass sich Scheidungsanträge ausgerechnet nach Sommerurlauben (und Weihnachtsferien) besonders häufen!
Was also soll oder kann man antworten? Vielleicht bleibt noch das neutrale Thema Wetter. Das aber ist in diesem Sommer in fast ganz Europa eigentlich insgesamt zu schön. Oder: „In Irland schien immer die Sonne zwischen zwei Regenschauern.“ Das wäre mal was anderes. Nun, da man die Fotos sortiert und archiviert hat, geht auch: „Inzwischen habe ich mich vom Urlaub erholt.“ Damit kann man mit einem kurzen, gemeinsamen Lachen den Alltag ganz passabel finden.
Anmerkung zum Foto: Von Heinrich Böll soll der Satz stammen „Der Tourist zerstört das, was er sucht, indem er es findet“.
Diese verheißungsvolle Ankündigung stand gestern in Betreff der bei mir eingetroffenen Mails und kam um 20:17 Uhr von der Süddeutschen Zeitung. Seit ich denken kann stehen Geschenke, besonders zum Geburtstag oder zu Weihnachten, bei mir hoch im Kurs. Damals zum Beispiel das Päckchen aus Dresden öffnen, dabei die Kordel nicht durchschneiden, weil sie ja nochmal verwendet werden kann, sodann die Öffnung des oben liegenden Briefumschlags, die Entzifferung des in Sütterlin geschriebenen herzlichen Briefes der Oma, nun endlich ran an die Überraschung: das Auspacken des Christstollens! Inzwischen schenke ich mir natürlich den Dresdener Christstollen selber. Damals war er für mich kostenlos. Geschenk eben!
Klopfen wir doch mal die Bedeutung des Wortes ab! Bei Wikipedia heißt es kurz und knapp: Ein Geschenk ist die freiwillige Eigentumsübertragung einer Sache oder eines Rechts an den Beschenkten ohne Gegenleistung – also unmittelbar zunächst kostenlos für den Empfänger. Im übertragenen Sinne kann man auch jemandem seine Aufmerksamkeit, sein Vertrauen oder seine Liebe schenken. Aha – also ohne Gegenleistung!
Und welches Geschenk der SZ für den Urlaub wartet angeblich auf mich? Weil ich ja weiß, dass es sich um ein kränkelndes, um Leser kämpfendes bildungsbürgerliches Blatt handelt, bin ich ziemlich skeptisch, zumal ich vor vier Tagen schon von meiner Urlaubsreise zurück gekommen bin. Also mache ich die Mail auf und lese da:
„Lieber Herr Zimmermann, egal, ob Sie in den Süden reisen oder es sich auf Balkonien gemütlich machen – SZ Plus begleitet Sie in den nächsten 6 Monaten überallhin.“
Da haben sich die Werbetexter und -psychologen aber richtig vergaloppiert. Wie viel tausend Empfänger sollen sich von diesem Satz angesprochen fühlen? Einerseits bin ich wirklich nicht lieb. Denn hinter SZ Plus verbergen sich stets ausführlichere Beiträge und Kommentare, auf die ich bislang wegen der Bezahlschranke verzichtete. Andererseits bin ich im Urlaub nicht in den Süden sondern in den Norden, nämlich an die Ostseeküste gereist. Das ist doch nicht „Balkonien“ und schon lange nicht „egal“!
Dass dieses „Sommer-Spezial“ genannte Lockvogel-Angebot (für „nur 49 €“) auch noch für 6 Monate gelten soll, zeugt von einer geradezu bizarren Ignoranz. Denn welcher Sommer dauert ein halbes Jahr?
Ach ja: Was soll nun das Urlaubsgeschenk sein? Erst wenn man dieses 6 Monate dauernde „Sommer-Spezial“ bestellt und sich damit seine „SZ – Plus-Lektüre“ bestellt hat, bekommt zum Abo ein Geschenk:
Die gedruckte SZ Langstrecke bündelt die besten Lesestücke aus drei Monaten SZ
Sorgfältig von der Redaktion kuratiert
Im Wert von 9,50 € inkl. gratis Versand zu Ihnen nach Hause
Dann muss der Urlaub alles in allem total verregnet und jedes Museum verschlossen sein. Wer wünscht sich so einen Urlaub mit einem solchen Geschenk, für das ja erst das Halbjahres-Abo für „nur 49“ € nötig ist.
Um die Abonnentenzahl zu steigern wird mit dem Wort „Geschenk“ gelockt, das braucht es aber zuvor eine Gegenleistung. Die bildungsbürgerlichen Werber – am besten auch die verantwortlichen Redakteure – sollten sich nicht wundern, wenn an dieser Stelle an Bauernfängerei erinnert wird:
Bauernfängerei bezeichnet einen plumpen Betrug. Das Wort ist eine Ableitung von Bauernfänger und stammt aus der Berliner Gaunersprache. Bauern waren ursprünglich Leute, die aus dem Umland nach Berlin reisten und dort Opfer von Betrügern wurden; mit fangen war „überlisten“ gemeint. Wikipedia (DE)
Auf manche frühen Fragen gibt es ein ganzes Leben lang keine richtige Antwort. So wie diese: „Was hast Du denn für eine Beziehung zu Deiner Mutter?“
Mein Gott! Da war ich nun in meinem jugendlichen Leichtsinn endlich mit Dagmar allein. Was sollte ich ihr antworten?
Ende Januar wehte ein milder Wind, so dass wir keine Handschuhe mitgenommen hatten. Unsere Jacken konnten wir offen lassen, ihr langes blondes Haar wurde leicht um das rundliche Gesicht gezaust. Mein Puls war sofort wieder normal.
Verlegen wanderte mein Blick über die sanften Rundungen der Hügel und Berge, die noch grauen Waldränder und bräunlichen Wiesen, die verstreuten Schneereste in den kleinen Mulden und an den lang gezogenen Feldrainen, hinunter ins Tal mit dem Dorf Imshausen, dann wieder zurück zu ihr.
Ich war echt stolz, dieses im vorigen Sommer angekommene Mädchen mit der aufregenden Figur an jenem Sonntagnachmittag für den Spaziergang zu zweit überredet zu haben. Richtig verwegen kam ich mir vor, denn die anderen saßen alle im Haus und probten oder betrieben sonst irgendwelche Vorbereitungen für das Faschingstreiben in der nächsten Woche. Meine ganze Leichtigkeit und Überschwänglichkeit war plötzlich weg. So eine schwere Frage. Ich hatte mir doch noch nie darüber Gedanken gemacht!
Klar, die Frage war jetzt eigentlich dran. Hatte Dagmar mir doch eben erzählt, dass sie deswegen in das Kinderhaus gekommen war, weil ihre Mutter sie allein versorgen musste und sie selbst ihre freie Zeit zu hemmungslosen Herumtreibereien genutzt hatte. Mit ihren fünfzehn Jahren konnte sie schon von einem abenteuerlichen Leben in einer großen Stadt berichten. Aber sie sehnte sich wieder zu ihrer Mutter. Und ich? Was sollte ich antworten?
Ein-, zweimal besuchte mich Mutti im Jahr, seit ich mit zehn hier war. Ab und zu ein Brief, ein Päckchen, wofür ich mich mit einem Brief bedanken musste. Und nun war ich schon sechzehn. Mein zweites Lehrjahr als Schreiner hatte ich bald geschafft, ich arbeitete schon wie ein Mann und fühlte mich genauso. Was ging mich meine Mutter an? Was hatte ich mit ihr zu tun?
Vielleicht waren seit der Frage drei oder vier Herzschläge vergangen. Sie blieb stehen und sah mir in die Augen. Eher grün als blau waren sie, unausweichlich prüfend. Ihre Lippen, von denen ich heute sagen kann, dass sie „sinnlich“, aber nicht unbedingt „voll“ waren, verzogen sich zu einem Lächeln aus Ermutigung und Nachsicht. Als sie schließlich ihre rechte Augenbraue etwas hob und leicht spöttisch die Mundwinkel verzog, entschloss ich mich endlich zu einer Antwort, der ich selbst mit einiger Verwunderung zuhörte: „Deutschland ist groß und meine Mutter ist weit.“
Das muss ziemlich pathetisch geklungen haben, und bestimmt habe ich den Satz mit einer recht großspurigen Armbewegung unterstrichen. Woher kam mir diese Antwort? Einige Wochen zuvor hatte Tante Vera, wie wir die Hausherrin des Kinderhauses Imshausen nannten, beim Mittagessen nach und nach eine Erzählung aus dem Russland des Ersten Weltkrieges vorgelesen, in dem jemand die Meinung der einfachen Leute über ihr Verhältnis zum Zaren mit den Worten gekennzeichnet hatte: „Russland ist groß und Väterchen Zar ist weit.“ Das schien mir eine treffende Beschreibung für meine Beziehung zur Mutter zu sein.
„Das hört sich aber sehr unfreundlich an. Sie ist doch immerhin Deine Mutter. Wer so über seine Mutter redet, zeigt einen schlechten Charakter. Ich möchte keinen Freund, der einen schlechten Charakter hat.“
Sie muss eine ziemlich genaue Vorstellung davon gehabt haben, was ein guter oder ein schlechter Charakter ist und wie ein Sohn zu seiner Mutter zu stehen hat. Offensichtlich passte das, was ich gerade über meine Beziehung zu meiner Mutter gesagt hatte, nicht zu ihrer Vorstellung von einem netten Menschen. Jedenfalls haben wir an jenem Nachmittag eine Wette abgeschlossen, ob es mir gelingen würde, im Laufe der nächsten fünf Jahre meinen Charakter zu bessern.
Bestimmt habe ich diese Wette vor allem deswegen angeboten, um einen vertretbaren Grund zu haben, sie dann wieder zu sehen. Damit wir dann auch beide frei hätten, haben wir uns für den 1. Mai 1962 verabredet, der ja bestimmt ein Feiertag ist. Wir wussten ja beide, dass sich unsere Wege ziemlich bald wieder trennen würden. Wo sollten wir uns also in fünf Jahren treffen, um die Wette zu überprüfen?
Nun, Dagmar war aus Mühlheim am Main, in der Nähe Frankfurts, wo sie sich auskannte, und schlug deswegen vor, wir sollten uns dann nachmittags um drei in Frankfurt am Café Kranzler treffen.
Es wurde doch rasch ziemlich kalt. Ich jedenfalls hatte noch keine großartigen Kenntnisse im Schmusen, obwohl Dagmar eine rücksichtsvolle Lehrerin war. Küssen war für mich damals noch das Größte. Aber dabei habe ich mich bestimmt noch sehr ungeschickt angestellt. Irgendwie war mir diese feuchte Schmatzerei unangenehm und aufregend zugleich.
Als wir zum Haus zurückgekehrt waren und ich auf meinem Zimmer die Wette mit Rotstift in meinem Taschenkalender „heijo“ eingetragen hatte, schrieb sie mit Füller hinter „Café Kranzler“: „falls es nicht mehr besteht, Café Rumpelmayer.“ Ihre Handschrift war viel schöner als meine. Dies ist mein Kalendereintrag drei Wochen danach:
Natürlich nutzten wir stets jede Gelegenheit uns zu treffen. Täglich. Wir wurden immer verwegener, aber auch leichtsinniger. Wie kann man so viel junge Vertrautheit noch steigern? Es wurde ja noch ziemlich früh dunkel und nach dem Abendessen gab es immer einen zeitlichen Spielraum. Um halb sieben in der Halle mit allen Kindern, die älter als zehn Jahre waren, und den dazugehörenden Betreuern, vielleicht fünfundzwanzig Personen. Wir beide saßen natürlich nicht nebeneinander, aber wir hatten uns so gesetzt, dass sich unsere Blicke immer wieder trafen. Von einigen Anwesenden wurden wir wieder mal auch in dem allgemeinen Palaver fortwährend kritisch beobachtet. Jeder schien zu wissen, dass wir ineinander verknallt waren.
Eigentlich passten wir ja in keine der Kindergruppen mehr hinein. Wegen meiner Lehre im sieben Kilometer entfernten Bebra war ich noch nicht zu meiner Mutter gekommen, die zusammen mit meinem Stiefvater bei einer Handpuppenbühne gespielt hatte und darum bis vor ein paar Monaten dauernd in ganz Westdeutschland unterwegs war.
Peter, der etwa zehn Jahre älter war als ich und immer viel organisierte, verkündete nach dem Essen, dass alle schulpflichtigen Kinder um halb acht auf ihre Zimmer und um acht ins Bett zu gehen hätten. „Ältere können länger aufbleiben, wenn sie an der Messe teilnehmen wollen.“ Die einzigen, die dafür in Frage kamen, waren Dagmar und ich. Wir hatten ja noch so viel miteinander zu reden. Die lutherische Messe, die hier donnerstags und sonntags gehalten wurde, begann um acht, heutzutage: um 20 Uhr. Also hätten wir noch eine Stunde für uns. Wir halfen alle beim Abräumen und trugen Geschirr oder Besteck in die Küche. Auf dem Flur begegneten wir uns wie unabsichtlich. Dagmar sah mir fragend in die Augen und ich raunte im Vorbeigehen nur: „Beeil‘ Dich! In zehn Minuten.“
Natürlich hatten wir im nahen Park einen festen Treffpunkt, der auch heute noch zu dem Haus gehört, das im Frühklassizismus als adliger Landsitz mit Gutshof und mehreren Wirtschaftsgebäuden gebaut worden war.
Ich ging schnell zu Peter und sagte ihm, dass ich an der Messe teilnehmen wolle. Er hob die buschigen Augenbrauen und erwiderte: „Sei aber ja pünktlich, sonst hat das Konsequenzen!“
Was können das schon für Konsequenzen sein, dachte ich, stürmte auf mein Zimmer im Thinghaus, wie das eineinhalbgeschossige Wohnhaus der zehn- bis 14-jährigen Jungen genannt wurde, zog mir schnell warme Sachen über. Da es damals kaum noch Thing-Jungen gab, schlief ich hier alleine, wo sonst acht untergebracht waren. Damit mich keiner beobachten konnte, rannte ich hinter dem Thing-Häuschen den Weg zur Straße und von dort in den Park, unter den uralten Nussbäumen durch, sprang mit einem Satz über den Bach, lief an den Büschen entlang zur Rotbuche. Wer sie heute in dem Park suchen will, findet sie nicht, weil sie inzwischen altersschwach abgehauen wurde.
Dagmar war noch nicht da. Völlig außer Atem war ich und deswegen ganz froh, etwas verschnaufen zu können. Der riesige Baum streckte mir seine jetzt blattlosen Äste wie immer in Reichweite herunter. Wie oft hatte ich mit den anderen Thing-Jungen, von denen jetzt keiner mehr da war, auf diesen unendlich vielen Ästen Kriegen gespielt, hatte dabei meine Ängste überwinden und die Schwindelfreiheit gelernt! Die Mutigsten unter uns trauten sich bis in die oberste Spitze. Waren das zwanzig oder fünfundzwanzig Meter? Abgestürzt ist nie einer. Wenn ich mal abrutschte, fing mich der nächste Ast darunter auf. Er federte etwas, einige Rippen spürte ich auf dann sehr schmerzhaft, aber ich hatte noch Zeit genug, mich an ihm festzuhalten. Oder hielt er mich fest? Mein Vertrauen in den Baum war fast grenzenlos, und auch jetzt fühlte ich mich wieder einmal unter ihm geborgen, obwohl der kalte Sternenhimmel und einige blasse, vom Mond beschienene Wolken durch die kahlen Äste zu sehen waren. Ein paar Meter weiter bergauf stand der bestimmt genauso hohe Birnbaum, dessen oberste Früchte ich dank meiner Schwindelfreiheit oftmals als einziger pflücken und genießen konnte. So herzhaft schmeckende Birnen habe ich seitdem nicht mehr gegessen.
Nach einer kleinen Unendlichkeit kam sie. Wie viele unwiederbringliche Minuten waren nutzlos vergangen? Zuerst ein verschwommener Schatten, dann immer deutlicher eilte sie mir in die Arme.
Es sollte sich noch an diesem Märzabend herausstellen, dass dies die letzte halbe Stunde für uns beide war. Fünf Jahre später, am ersten Mai vor dem Café Kranzler, waren wir zwangsläufig keine Verliebten mehr, bestenfalls einstige Freunde füreinander und absolvierten verwundert eine nostalgische, selbstauferlegte Verpflichtung.
Das Tolle war ja, dass wir bis dahin regelmäßig in Brief-Kontakt geblieben waren. Inzwischen lebte ich zunächst bei meiner Mutter in Idar-Oberstein, machte meine Gesellenprüfung, zog kurz nach der Taufe meiner Schwester nach Marburg wo ich erst als Schreiner arbeitete, hatte im Januar meinen Führerschein gemacht und besuchte gerade einen VHS-Abendkurs, um das Externen-Abitur zu machen. Anfangs wirkte erst mal mein Freund Richard, der nach meiner Entfernung aus Imshausen noch über ein Jahr länger dort war, wie ein geheimer Relais-Briefkasten, um den von Frau Vera verbotenen Briefwechsel zu bewerkstelligen, bis auch Dagmar weggezogen war und mir ihre Anschrift schreiben konnte. Natürlich war sie mittlerweile – im Gegensatz zu mir – in einer festen Beziehung mit Heiratsperspektive. Unsere damalige Wette, der zufolge ich in fünf Jahren meinen Charakter und meine Beziehung zur Mutter bessern könnte, war ja illusorisch. Wie hätte ich eine solche Besserung beweisen können? Die war beidseitig lebenslang höchstens bemüht. Leider.
„Gute Party heute!“ schrieb mir mein jüngster Bruder heute auf WhatsApp. Nun bin ich ziemlich genau 20 Jahre älter als er und also aus dem Alter raus, in dem man noch verpflichtet ist, eine Silvester-Party zu veranstalten. Irgendwie ist es ja auch – wenn wir ehrlich sind – im Grunde stets dasselbe Spiel. Hatte doch einst die feudale Obrigkeit den ersten Tag des neuen Jahres angeblich deswegen arbeitsfrei gegeben, damit das gemeine Volk seinen Rausch vom Vortag ausschlafen und sich die neue Jahreszahl dann besser merken kann.
Horoskope haben wieder Hochkonjunktur. Dazu meinte schon Erich Kästner:
„Wird’s besser, wird’s schlechter?“ fragen wir jährlich. Sei’n wir doch ehrlich: Leben ist immer lebensgefährlich!
Nicht nur der private Blick in die Zukunft sucht im Nebel. Auch der politische. Wieder einmal versuchte sich am Silvester-Abend ein Bundeskanzler in seiner Silvesteransprache mit Erfolgen zu profilieren – und verfängt sich dabei in einer Schlinge seiner eigenen Propagandaabteilung wenn er behauptet, im vergangen Jahr hätten die Deutschen die von Russland verursachte Gaskrise gut überstanden – von Russland verursacht? Allein so eine Aussage kennzeichnet diesen Kanzler des Gedächtnisverlusts!
Wer hat denn direkt nach Beginn des russischen Einmarschs in die Ukraine die Sanktionen gegen Gasprom verhängt und wer klaglos die Sprengung der Gas-Pipelines in der Ostsee hingenommen? Kein Wunder, dass so jemand vergeblich um Glaubwürdigkeit kämpft! Sicher auch im neuen Jahr.