Jahrgang 1941, ausgebombt in München und Dresden; ausgebildet in Volksschule, Schreinerlehre, Abendschule in Marburg/Lahn, Studium an Unis Marburg und Gießen, vom Kasseler Schulamt; Praxis gewerkschaftlich sowie vorübergehend parteipolitisch (je SPD, Grüne), intensiv gegen Atomkraft/WAA, 2 Kinder; zum zweitenmal verheiratet.
Wir wählen ja immerzu. Manchmal geht es aber nicht, auch wenn man möchte. Sicher: Im Supermarkt den Käse, an der Tankstelle den Sprit, die richtige Telefonnummer oder ab und zu einen Bürgermeister für Korbach. Diesen demnächst am Sonntag, dem 9. Juni 2024, bei einer eventuellen Stichwahl am Sonntag, 23. Juni 2024. Bis jetzt haben sich schon mal zwei Kandidaten öffentlich angemeldet.
Die Korbächer haben also bis jetzt die Wahl zwischen zwei sich unabhängig bezeichnenden Männern. Thomas Kuhnhenn möchte sich frei schwimmen von seinem Vorsitz bei den Korbacher Freien Wählern, und Stefan Kieweg will mit seinen Kenntnissen als Korbacher Gewächs sowie der Unterstützung von Freien Wählern und CDU punkten. Ob die SPD jemanden – und wen – ins Rennen schickt, wissen nur die Eingeweihten. Und die hüllen sich bis dato in Schweigen. Gemunkelt wird, sie hätten sich schon entschieden.
Auf jeden Fall haben die Hansestädter in diesem Superwahljahr (siehe https://www.wahlrecht.de/termine.htm) auch eine denkbar spannende Wahl zu treffen.
Woanders, auf dem Obermarkt, ist jedoch gerade auf einmal das Undenkbare Wirklichkeit: „Die Geschenkebox mit ihren prall gefüllten Regalen ist schon nicht mehr wegzudenken“stand bewundernd am 27. Oktober 2015 in der Waldeckischen Landeszeitung/HNA. Wer bislang alte Sachen los werden und anderen damit auch noch eine Freude machen wollte, konnte das bis vor kurzem auf dem Obermarkt in zwei ausgedienten Telefonzellen praktizieren: Aus Büchern, Videokassetten, Brettspielen, auch Schuhen, Pullis, Espresso-Tassen, Kochtöpfen, Tellern, Spielen, Schals, Blumenvasen, die jemand gebracht hatte, konnte etwas ausgewählt werden.
Doch seit kurzem ist diese Wahl unmöglich, weil dies wegen absichtlich verursachter Unordnung zwei Vorhängeschlösser verhindern. …
Warum ich diese Petition mit meiner Unterschrift – und diesem Kommentar unterstütze:
In den 1980-ern war ich im Kreis Waldeck-Frankenberg etwa zwei Jahre lang Sprecher der Grünen, als die Partei noch ein Teil der Friedensbewegung war. Jetzt ist sie die Heimat der unerbittlichsten Kriegs-Waffen-Befürworter und -Hetzer in Bezug auf die Kriege in Ukraine und Gaza. Sodann arbeiten ihre politischen Berliner Akteure als Amateure wie z. B. Özdemir (Landwirt?), Baerbock (Diplomatin? eher Hochstaplerin!) oder Ricarda Lang als Vorsitzende (ahnungslos, z. B. in Rentenfrage) nicht für Bedürfnisse der Bevölkerung sondern für die der USA/NATO…
Außerdem: Matthäus 7 15Seht euch vor vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen, inwendig aber sind sie reißende Wölfe. 16An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen. Kann man auch Trauben lesen von den Dornen oder Feigen von den Disteln? 17Also ein jeglicher guter Baum bringt gute Früchte; aber ein fauler Baum bringt arge Früchte.…
Der das sagte wurde von Pharisäern politisch verfolgt und von Pontius Pilatus zum Tode verurteilt. Vor 2000 Jahren.
Die neuen, bundesdeutschen Wölfe im Schafspelz, durch deren Handeln in der „Ampel-Regierung“ Deutschland wirtschaftlich und wegen des fortgesetzten, spektakulär laienhaften Handelns weltweit enorm beschädigt wird und auch die AfD ständig Zulauf hat, haben ja mächtige Verbündete und Unterstützer im sogenannten Wertewesten, der bekanntlich in NATO und USA beheimatet ist. Da werden sich bestimmt einflussreiche Helfer mit guten Beziehungen und dem nötigen Kleingeld finden, die ein eventuelles Verbotsverfahren zu verhindern wissen.
Zwar kennen wir Kurt Tucholskys Feststellung „Wenn Wahlen etwas änderten, wären sie längst verboten.“ Aber manchmal geschehen auch in einer informierten, demokratischen Öffentlichkeit bei Wahlen unerwartete Wunder. Dann haben jene Helfer gegenüber dem informierten (!) Wahlvolk keine Chance.
Wer es sich also überlegt, in sich geht, dann eventuell die Petition mit der Unterschrift unterstützt, würde sich an einem deutlichen Warnschuss beteiligen. Bis zur Wahl in 2025 kann noch viel geschehen. Vielleicht zerbröselt ja vorher die Ampel ohnehin.
Kinderleicht ist ja heutzutage das Fotografieren. Dank des technischen Fortschritts seit dem 7. Januar 1839, als Louis Daguerre in der Pariser Académie des sciences (Akademie der Wissenschaften) erstmals die „Daguerrotypie“ vorgestellt hat (Wikipedia), können schon Vorschulkinder mit einem Smartphone „Lichtbilder“ machen.
Ohne die technischen Entwicklungsstufen im Einzelnen nachzeichnen zu wollen ist es doch bemerkenswert, dass der Siegeszug dieses „Endgerätes“ seit 2007 mit dem ersten iPhone weitestgehend das Ende der Kleinbild-Kameras eingeläutet hat, bei denen noch Negativ- oder Diafilme gebraucht wurden, um diese dann im Fotolabor entwickeln zu lassen. Von denen konnte man sich Papierbilder, „Abzüge“ genannt, machen lassen, sie mit der Post verschicken oder auch in ein Album kleben. Mit den Ergebnissen von Diafilmen, den Dias, wurden sodann gerne mal mit dem Diaprojektor und mit einer aufgespannten Leinwand im größeren Familien- oder Bekanntenkreis Dia-Abende vom letzten Urlaub veranstaltet.
Seit inzwischen 17 Jahren ist das ja alles Nostalgie. Und das obige Bild entstand nur 9 Jahre danach.
Hierzu nun kann jede/r per Kommentarfunktion (!) folgende Fragen beantworten:
1. Wo wurde das Ereignis erlebt?
a
Paris
b
Prag
c
Stockholm
d
Wien
2. Welches Thema entspricht dem Foto?
(Es können auch mehrere Antworten gewählt werden.)
a
Militär
b
Publikum
c
Neugier
d
Urlaub
3. Die direkte Vorbereitung für den Fotografen war…
a
die Anreise
b
der Handy-Kauf
c
die Standortwahl hinter einem kleineren Menschen
d
der Kauf einer Teleskop-Stange für das Handy
Die richtigen Lösungen werden in der nächsten Ausgabe des Zimbo Blogs veröffentlicht.
Man stelle sich vor, Sie stehen an der Kasse. Die EC-Karte will nicht, die Kreditkarte streikt. Hinter Ihnen ungeduldige Stimmen. Sie brechen den Kauf ab, probieren es beim Bäcker gegenüber. Die Geldkarten lassen Sie im Stich, auch hier. Ob Sie kaufen oder verkaufen können, entscheiden nicht mehr Sie, sondern die Technik, die Bank und der Staat. Unvorstellbar?
Was haben Sahra Wagenknecht, Edward Snowden, Theo Waigel, Bundesbankchef Carl-Ludwig Thiele und der österreichische Nationalbankchef Dirk Holzmann gemeinsam?
Sie warnen als besonders Prominente Persönlichkeiten im Gegensatz zu – meist regierungs- oder kapitalnahen Personen weltweit – vor den Folgen der teils multinational betriebenen Pläne zur Abschaffung des Bargeldes.
Viele der äußerst informativen Pro- und Kontra-Argumente zum Thema Bargeld-Abschaffung sind auf dieser schweizerischen Website nachlesbar:
„Die Zunge ist zwar kein Bein, doch schlägt sie Manchem den Rücken ein.“ Schon im zweiten Schuljahr lernten ich dies Sprichwort kennen und hörte dazu von unserem Lehrer, dass hier mit Bein der menschliche Oberschenkelknochen in der Funktion einer Keule gemeint ist, damit der Spruch sich auch reimt. Nun also wurde „Remigration“ zum Unwort des Jahres gekürt.
Als rechter Kampfbegriff werde Remigration als „beschönigende Tarnvokabel“ benutzt, teilte die Jury mit. Diese Erklärung kann man sicher sofort unterschreiben. Denn die größtenteils unter Todesgefahr geflüchteten, oft schon jahrelang hier lebenden Menschen sind ja keine Besucher, die unter Missachtung ihrer verbrieften Grundrechte in ihr Herkunftsland abgeschoben werden dürfen.
Ob sich allerdings die Jury-Mitglieder der „sprachkritischen Aktion“ am Montag (15. Januar) im hessischen Marburg bei der Bekanntgabe darüber im Klaren waren, dass die Verneinung eines Begriffes mit dem Präfix „un-“ an sich ein Unding ist? Man denke doch nur an Beispiele wie Unglück, Unheil, ungeschickt oder unteilbar. Analog wäre Unwort an sich ein sich selbst negierendes Wort, das es eigentlich nicht gibt.
Das „Unwort des Jahres“ gilt als eine zivilgesellschaftliche, vielbeachtete sprachkritische Aktion, die in Deutschland 1991 von dem Frankfurter Sprachwissenschaftler Horst Dieter Schlosser ins Leben gerufen wurde. So wirkt die jährliche Publikation immerhin wie ein Anstoß, mal wieder über den öffentlichen Sprachgebrauch nachzudenken, etwa wie bei Klimahysterie (2019), Gutmensch (2015) oder Klimaterroristen (2022).
Wenn wir nur die Aktionen der Bauern auf den Straßen und Plätzen und ihre Parolen im Fernsehen sehen oder in der Zeitung lesen, scheint es hauptsächlich um die jüngsten dazu gehörenden, vorangegangenen Beschlüsse der Bundesregierung (Ampel) zu gehen. Dass es jedoch in Wirklichkeit um grundsätzliche agrarpolitische Probleme geht, die sich in den letzten sechs Jahrzehnten angestaut haben, vor allem unter Unionsregierungen und CDU/CSU-Ministern sowie verstärkt durch EU-Politik, wurde mittlerweile von einigen Bauern-Funktionären erwähnt.
Erfahrungsgemäß gibt es bei allen gesellschaftlichen Veränderungen „Strippenzieher“, die herausgefunden werden können, wenn Antworten auf die Frage „wem nützt es?“ gesucht und gefunden werden. Deswegen halte ich die folgenden Informationen für sehr erhellend. Bitte anklicken!
Zugegeben: nix Besonderes. Einkaufen mit einem Verbrenner-Auto, inzwischen 20 Jahre alt, hat noch zwei Jahre TÜV, ist derzeit knapp 90.000 Kilometer gefahren. Das wäre ja eigentlich nachhaltig. Strecke etwa 850 Meter, eine Ampel. Könnte ich auch zu Fuß gehen, wenn das Zeug auf dem Heimweg nicht so schwer wäre. Bin eben nicht mehr der Jüngste.
Sollte ich statt des Verbrenners wegen der Umwelt und des Klimas vielleicht besser E-Auto fahren? Wäre denn dann die Klima-Bilanz meines Einkaufs besser? So ein Motor besteht aus viel Kupfer und einer monströsen Batterie. Wenn die Gewinnung der dafür nötigen Rohstoffe und die elektrische Energie für Produktion und Fahrten berücksichtigt würde – wäre dann die CO2-Bilanz des Einkaufs, also mein „ökologischer Fußabdruck“ besser?
Überhaupt müsste doch, wenn es ernst gemeint wäre, das Klima nicht nur regional, sondern weltweit betrachtet und geschützt werden. Schließlich kennen Wind und Wolken ja keine Landesgrenzen! Und was ist da mein bisschen Autoabgas gegen das der Panzer, Raketen und Bomber in der Ukraine und in Nahost, die eben weltweit verbreitet werden? Bin ich nun ein Umweltsünder – und was sind unter diesem Kriterium die Kriegsparteien, abgesehen davon, dass von ihnen Menschen abgeschlachtet werden?
Umdrehen! Wir kommen hier nicht weiter. Zwar waren wir ja durch die Lokalpresse wie auch Funk und Fernsehen vorgewarnt, aber schließlich half uns nur die gute Ortskenntnis, dass wir fast noch pünktlich den Arzt-Termin schafften!
Auf den innerstädtischen Zufahrtsstraßen zur Hauer, wo die Kundgebung stattfand, stand oder fuhr langsam ein schier endloser Lindwurm landwirtschaftlicher Fahrzeuge, vor allem sehr auffällig die großen Trecker mit oft vorne angehängten großen Plakaten, auf denen Gründe für den Protest zu lesen waren.
Der richtet sich in dieser Woche mit weiteren Aktionen gegen die Kürzungen und Streichungen bisheriger finanzieller staatlicher Unterstützungen, wie zum Beispiel des „Agrardiesels“.
Damit wir „Verbraucher“ trotz der lästigen Verkehrsstörungen die Dringlichkeit des Protests akzeptieren, konnten wir auf den Plakaten sowohl politische als auch praktische Hinweise lesen. Auch Konsequenzen wurden angekündigt, z. B.: „Stirbt der Bauer, stirbt das Land“.
Auf manche frühen Fragen gibt es ein ganzes Leben lang keine richtige Antwort. So wie diese: „Was hast Du denn für eine Beziehung zu Deiner Mutter?“
Mein Gott! Da war ich nun in meinem jugendlichen Leichtsinn endlich mit Dagmar allein. Was sollte ich ihr antworten?
Ende Januar wehte ein milder Wind, so dass wir keine Handschuhe mitgenommen hatten. Unsere Jacken konnten wir offen lassen, ihr langes blondes Haar wurde leicht um das rundliche Gesicht gezaust. Mein Puls war sofort wieder normal.
Verlegen wanderte mein Blick über die sanften Rundungen der Hügel und Berge, die noch grauen Waldränder und bräunlichen Wiesen, die verstreuten Schneereste in den kleinen Mulden und an den lang gezogenen Feldrainen, hinunter ins Tal mit dem Dorf Imshausen, dann wieder zurück zu ihr.
Ich war echt stolz, dieses im vorigen Sommer angekommene Mädchen mit der aufregenden Figur an jenem Sonntagnachmittag für den Spaziergang zu zweit überredet zu haben. Richtig verwegen kam ich mir vor, denn die anderen saßen alle im Haus und probten oder betrieben sonst irgendwelche Vorbereitungen für das Faschingstreiben in der nächsten Woche. Meine ganze Leichtigkeit und Überschwänglichkeit war plötzlich weg. So eine schwere Frage. Ich hatte mir doch noch nie darüber Gedanken gemacht!
Klar, die Frage war jetzt eigentlich dran. Hatte Dagmar mir doch eben erzählt, dass sie deswegen in das Kinderhaus gekommen war, weil ihre Mutter sie allein versorgen musste und sie selbst ihre freie Zeit zu hemmungslosen Herumtreibereien genutzt hatte. Mit ihren fünfzehn Jahren konnte sie schon von einem abenteuerlichen Leben in einer großen Stadt berichten. Aber sie sehnte sich wieder zu ihrer Mutter. Und ich? Was sollte ich antworten?
Ein-, zweimal besuchte mich Mutti im Jahr, seit ich mit zehn hier war. Ab und zu ein Brief, ein Päckchen, wofür ich mich mit einem Brief bedanken musste. Und nun war ich schon sechzehn. Mein zweites Lehrjahr als Schreiner hatte ich bald geschafft, ich arbeitete schon wie ein Mann und fühlte mich genauso. Was ging mich meine Mutter an? Was hatte ich mit ihr zu tun?
Vielleicht waren seit der Frage drei oder vier Herzschläge vergangen. Sie blieb stehen und sah mir in die Augen. Eher grün als blau waren sie, unausweichlich prüfend. Ihre Lippen, von denen ich heute sagen kann, dass sie „sinnlich“, aber nicht unbedingt „voll“ waren, verzogen sich zu einem Lächeln aus Ermutigung und Nachsicht. Als sie schließlich ihre rechte Augenbraue etwas hob und leicht spöttisch die Mundwinkel verzog, entschloss ich mich endlich zu einer Antwort, der ich selbst mit einiger Verwunderung zuhörte: „Deutschland ist groß und meine Mutter ist weit.“
Das muss ziemlich pathetisch geklungen haben, und bestimmt habe ich den Satz mit einer recht großspurigen Armbewegung unterstrichen. Woher kam mir diese Antwort? Einige Wochen zuvor hatte Tante Vera, wie wir die Hausherrin des Kinderhauses Imshausen nannten, beim Mittagessen nach und nach eine Erzählung aus dem Russland des Ersten Weltkrieges vorgelesen, in dem jemand die Meinung der einfachen Leute über ihr Verhältnis zum Zaren mit den Worten gekennzeichnet hatte: „Russland ist groß und Väterchen Zar ist weit.“ Das schien mir eine treffende Beschreibung für meine Beziehung zur Mutter zu sein.
„Das hört sich aber sehr unfreundlich an. Sie ist doch immerhin Deine Mutter. Wer so über seine Mutter redet, zeigt einen schlechten Charakter. Ich möchte keinen Freund, der einen schlechten Charakter hat.“
Sie muss eine ziemlich genaue Vorstellung davon gehabt haben, was ein guter oder ein schlechter Charakter ist und wie ein Sohn zu seiner Mutter zu stehen hat. Offensichtlich passte das, was ich gerade über meine Beziehung zu meiner Mutter gesagt hatte, nicht zu ihrer Vorstellung von einem netten Menschen. Jedenfalls haben wir an jenem Nachmittag eine Wette abgeschlossen, ob es mir gelingen würde, im Laufe der nächsten fünf Jahre meinen Charakter zu bessern.
Bestimmt habe ich diese Wette vor allem deswegen angeboten, um einen vertretbaren Grund zu haben, sie dann wieder zu sehen. Damit wir dann auch beide frei hätten, haben wir uns für den 1. Mai 1962 verabredet, der ja bestimmt ein Feiertag ist. Wir wussten ja beide, dass sich unsere Wege ziemlich bald wieder trennen würden. Wo sollten wir uns also in fünf Jahren treffen, um die Wette zu überprüfen?
Nun, Dagmar war aus Mühlheim am Main, in der Nähe Frankfurts, wo sie sich auskannte, und schlug deswegen vor, wir sollten uns dann nachmittags um drei in Frankfurt am Café Kranzler treffen.
Es wurde doch rasch ziemlich kalt. Ich jedenfalls hatte noch keine großartigen Kenntnisse im Schmusen, obwohl Dagmar eine rücksichtsvolle Lehrerin war. Küssen war für mich damals noch das Größte. Aber dabei habe ich mich bestimmt noch sehr ungeschickt angestellt. Irgendwie war mir diese feuchte Schmatzerei unangenehm und aufregend zugleich.
Als wir zum Haus zurückgekehrt waren und ich auf meinem Zimmer die Wette mit Rotstift in meinem Taschenkalender „heijo“ eingetragen hatte, schrieb sie mit Füller hinter „Café Kranzler“: „falls es nicht mehr besteht, Café Rumpelmayer.“ Ihre Handschrift war viel schöner als meine. Dies ist mein Kalendereintrag drei Wochen danach:
Natürlich nutzten wir stets jede Gelegenheit uns zu treffen. Täglich. Wir wurden immer verwegener, aber auch leichtsinniger. Wie kann man so viel junge Vertrautheit noch steigern? Es wurde ja noch ziemlich früh dunkel und nach dem Abendessen gab es immer einen zeitlichen Spielraum. Um halb sieben in der Halle mit allen Kindern, die älter als zehn Jahre waren, und den dazugehörenden Betreuern, vielleicht fünfundzwanzig Personen. Wir beide saßen natürlich nicht nebeneinander, aber wir hatten uns so gesetzt, dass sich unsere Blicke immer wieder trafen. Von einigen Anwesenden wurden wir wieder mal auch in dem allgemeinen Palaver fortwährend kritisch beobachtet. Jeder schien zu wissen, dass wir ineinander verknallt waren.
Eigentlich passten wir ja in keine der Kindergruppen mehr hinein. Wegen meiner Lehre im sieben Kilometer entfernten Bebra war ich noch nicht zu meiner Mutter gekommen, die zusammen mit meinem Stiefvater bei einer Handpuppenbühne gespielt hatte und darum bis vor ein paar Monaten dauernd in ganz Westdeutschland unterwegs war.
Peter, der etwa zehn Jahre älter war als ich und immer viel organisierte, verkündete nach dem Essen, dass alle schulpflichtigen Kinder um halb acht auf ihre Zimmer und um acht ins Bett zu gehen hätten. „Ältere können länger aufbleiben, wenn sie an der Messe teilnehmen wollen.“ Die einzigen, die dafür in Frage kamen, waren Dagmar und ich. Wir hatten ja noch so viel miteinander zu reden. Die lutherische Messe, die hier donnerstags und sonntags gehalten wurde, begann um acht, heutzutage: um 20 Uhr. Also hätten wir noch eine Stunde für uns. Wir halfen alle beim Abräumen und trugen Geschirr oder Besteck in die Küche. Auf dem Flur begegneten wir uns wie unabsichtlich. Dagmar sah mir fragend in die Augen und ich raunte im Vorbeigehen nur: „Beeil‘ Dich! In zehn Minuten.“
Natürlich hatten wir im nahen Park einen festen Treffpunkt, der auch heute noch zu dem Haus gehört, das im Frühklassizismus als adliger Landsitz mit Gutshof und mehreren Wirtschaftsgebäuden gebaut worden war.
Ich ging schnell zu Peter und sagte ihm, dass ich an der Messe teilnehmen wolle. Er hob die buschigen Augenbrauen und erwiderte: „Sei aber ja pünktlich, sonst hat das Konsequenzen!“
Was können das schon für Konsequenzen sein, dachte ich, stürmte auf mein Zimmer im Thinghaus, wie das eineinhalbgeschossige Wohnhaus der zehn- bis 14-jährigen Jungen genannt wurde, zog mir schnell warme Sachen über. Da es damals kaum noch Thing-Jungen gab, schlief ich hier alleine, wo sonst acht untergebracht waren. Damit mich keiner beobachten konnte, rannte ich hinter dem Thing-Häuschen den Weg zur Straße und von dort in den Park, unter den uralten Nussbäumen durch, sprang mit einem Satz über den Bach, lief an den Büschen entlang zur Rotbuche. Wer sie heute in dem Park suchen will, findet sie nicht, weil sie inzwischen altersschwach abgehauen wurde.
Dagmar war noch nicht da. Völlig außer Atem war ich und deswegen ganz froh, etwas verschnaufen zu können. Der riesige Baum streckte mir seine jetzt blattlosen Äste wie immer in Reichweite herunter. Wie oft hatte ich mit den anderen Thing-Jungen, von denen jetzt keiner mehr da war, auf diesen unendlich vielen Ästen Kriegen gespielt, hatte dabei meine Ängste überwinden und die Schwindelfreiheit gelernt! Die Mutigsten unter uns trauten sich bis in die oberste Spitze. Waren das zwanzig oder fünfundzwanzig Meter? Abgestürzt ist nie einer. Wenn ich mal abrutschte, fing mich der nächste Ast darunter auf. Er federte etwas, einige Rippen spürte ich auf dann sehr schmerzhaft, aber ich hatte noch Zeit genug, mich an ihm festzuhalten. Oder hielt er mich fest? Mein Vertrauen in den Baum war fast grenzenlos, und auch jetzt fühlte ich mich wieder einmal unter ihm geborgen, obwohl der kalte Sternenhimmel und einige blasse, vom Mond beschienene Wolken durch die kahlen Äste zu sehen waren. Ein paar Meter weiter bergauf stand der bestimmt genauso hohe Birnbaum, dessen oberste Früchte ich dank meiner Schwindelfreiheit oftmals als einziger pflücken und genießen konnte. So herzhaft schmeckende Birnen habe ich seitdem nicht mehr gegessen.
Nach einer kleinen Unendlichkeit kam sie. Wie viele unwiederbringliche Minuten waren nutzlos vergangen? Zuerst ein verschwommener Schatten, dann immer deutlicher eilte sie mir in die Arme.
Es sollte sich noch an diesem Märzabend herausstellen, dass dies die letzte halbe Stunde für uns beide war. Fünf Jahre später, am ersten Mai vor dem Café Kranzler, waren wir zwangsläufig keine Verliebten mehr, bestenfalls einstige Freunde füreinander und absolvierten verwundert eine nostalgische, selbstauferlegte Verpflichtung.
Dagmar wollte am 1. Mai 1962 nicht fotografiert werden, aber etwas ungeübt knipste ich sie aus der Hüfte.
Das Tolle war ja, dass wir bis dahin regelmäßig in Brief-Kontakt geblieben waren. Inzwischen lebte ich zunächst bei meiner Mutter in Idar-Oberstein, machte meine Gesellenprüfung, zog kurz nach der Taufe meiner Schwester nach Marburg wo ich erst als Schreiner arbeitete, hatte im Januar meinen Führerschein gemacht und besuchte gerade einen VHS-Abendkurs, um das Externen-Abitur zu machen. Anfangs wirkte erst mal mein Freund Richard, der nach meiner Entfernung aus Imshausen noch über ein Jahr länger dort war, wie ein geheimer Relais-Briefkasten, um den von Frau Vera verbotenen Briefwechsel zu bewerkstelligen, bis auch Dagmar weggezogen war und mir ihre Anschrift schreiben konnte. Natürlich war sie mittlerweile – im Gegensatz zu mir – in einer festen Beziehung mit Heiratsperspektive. Unsere damalige Wette, der zufolge ich in fünf Jahren meinen Charakter und meine Beziehung zur Mutter bessern könnte, war ja illusorisch. Wie hätte ich eine solche Besserung beweisen können? Die war beidseitig lebenslang höchstens bemüht. Leider.
Diese einst an der Fleischer-Theke übliche Frage der Verkäuferin klingt hierbei vielleicht zynisch, drängt sich aber beim Lesen des folgenden Beitrags auf. Denn die Fragen, wie es seit der Gründung des Staates Israel (1948) zu dem aktuellen, immer noch andauernden entsetzlichen und tausendfachen Morden gekommen ist und welches Ziel Israel offiziell hat, werden hier beantwortet.
Die Ursachen der – auch von mir überlebten – Dresdener Bombennacht vom 13./14. Februar 1945 wurden inzwischen, wie überhaupt vieler anderer Kriegsgräuel, sorgfältig beschrieben. Das Völkerrecht in der heutigen Form entwickelte sich seitdem.
Im aktuellen Konflikt um Gaza sind die westlichen Regierungen, allen voran Washington und Berlin, ebenso wie die etablierten Medien Partei. Sie stehen voll hinter Israel, dessen Existenzrecht sie durch die Terrororganisation Hamas bedroht sehen. Bombardierung und späterer militärischer Einmarsch nach Gaza mit dem Ziel, die Hamas zu vernichten, finden ihre Zustimmung. Völkerrechtlich stützen sie sich dabei auf das Recht auf Selbstverteidigung angesichts des bewaffneten Angriffs der Hamas vom 7. Oktober mit 1.139 Opfern, darunter 695 Zivilisten, und 240 Geiseln. [1] Umstritten ist allein angesichts Tausender von Toten unter der Zivilbevölkerung Gazas deren Verhältnismäßigkeit. Diese Position widerspricht fundamental dem Völkerrecht. Statt der proklamierten menschenrechtsbasierten Außenpolitik ist der Westen Komplize eines späten Kolonialismus. Von John P. Neelsen.
1. Der Sechs-Tage-Krieg 1967, Völkerrecht und Status der Kontrahenten
Der Gazastreifen mit seinen 2,4 Millionen, auf 362 Quadratkilometer eingepferchten Einwohnern wird seit 2007 von der Hamas regiert. Doch trotz israelischen Rückzugs aller Truppen und Siedler im Jahr 2005 betrachtet die UN das Territorium wegen der umfassenden Belagerung und Kontrolle aller Zugänge ganz wie die anderen, im Sechs-Tage-Krieg von 1967 eroberten Gebiete, d.h. den syrischen Golan, Ostjerusalem und die Westbank, als ‚besetzte Gebiete‘, Israel als ‚Krieg führende Besatzungsmacht‘. Von einer seit je geforderten Zweistaatenlösung keine Spur – trotz Osloer Abkommen von 1993. So ist Israel seinen zentralen völkerrechtlichen Verpflichtungen nach Rückzug bzw. zeitlicher Begrenzung seiner Besetzung und, noch weniger, diese zum Wohl und zur Sicherheit inklusive des Eigentums der Lokalbevölkerung auszuüben, nicht nachgekommen. [2] Im Gegenteil! Nach 56 – bzw. Gaza 38 – Jahren Besatzung gekennzeichnet von jüdischer, meist mit Enteignung und gewalttätiger Vertreibung der palästinensischen Eigentümer verbundenen Ansiedlung sowie einer umfassenden sozial-ökonomischen Fragmentierung und infrastrukturellen Archipelisierung der städtischen Gebiete der Westbank diagnostiziert die UNO eine Politik der Annektierung, de jure (Ostjerusalem) bzw. de facto. [3]
Auf diesem Hintergrund formulierte die Generalversammlung der Vereinten Nationen, gestützt auf Resolutionen, inklusive des Sicherheitsrates ausdrücklich die Legitimität des Kampfes des palästinensischen Volkes für Selbstbestimmung auch mit Waffengewalt. [4] Darauf setzte auch die 1964 gegründete PLO (Palestine Liberation Organisation mit der FATAH als Hauptpartei und ohne die Hamas), die international als legitime Vertretung Palästinas – seit 1974 mit UN-Beobachterstatus – anerkannt ist. Ihrer Absage 1987 an den bewaffneten Kampf folgte im Kontext der ersten Intifada die Gründung der ‚islamischen Widerstandsbewegung‘ Hamas. Anders als vor allem Israel, die USA und die EU verdammen die meisten Staaten inklusive der UN die Hamas nicht als Terrororganisation. [5]
Dabei ist zu berücksichtigen: (a) Hamas hat bei den bisher letzten palästinensischen Parlamentswahlen 2006 die absolute Mehrheit der Abgeordneten gewonnen; (b) seit 2007 regiert sie allein in Gaza, wobei viele Finanzmittel von der Fatah dominierten Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) in Ramallah überwiesen werden; (c) die überwiegende Mehrheit der Palästinenser begrüßt den Angriff der Hamas vom 7. Oktober, während Fatah, PA und vor allem deren Präsident Abbas abgelehnt werden. [6] Mit anderen Worten: Hamas ist intern demokratisch legitimiert und als Vertreterin eines besetzten Territoriums grundsätzlich als Befreiungsbewegung anzuerkennen. Dies gilt, mögen auch einzelne Akte des Angriffs vom 7. Oktober das auch für Befreiungsbewegungen geltende humanitäre Völkerrecht, wie Verhältnismäßigkeit und Unterscheidung von Zivilisten und Soldaten, verletzen und Straftaten darstellen. Israel andererseits kann als koloniale Besatzungsmacht kein Recht auf Selbstverteidigung beanspruchen.
2. Völkermord in Gaza und ‚Grundgesetz Israel‘
Israel gibt vor, Hamas als Organisation auslöschen zu wollen. In Wirklichkeit wurde die jahrelange Blockade aller Zugänge mit einer mehrere Meter hohen, bis ins Mittelmeer reichenden und mit automatischen Maschinengewehren bestückten Mauer seit dem 7. Oktober in einen totalen Krieg, einschließlich Cyberspace, gegen die gesamte Bevölkerung Gazas gesteigert. Als Folge der an Leningrad im Zweiten Weltkrieg erinnernden Belagerung mit weitgehender Unterbrechung der Versorgung an Nahrungsmitteln, Wasser, Strom und Medikamenten leiden rund 600.000 Menschen (25 Prozent der Einwohner) an extremem Hunger und Wassermangel. Bei der seit zehn Wochen andauernden ununterbrochenen Bombardierung, gefolgt vom Einmarsch der Armee, wurde ein Großteil der Infrastruktur, Wohnhäuser, Hospitäler, Schulen, Kirchen und Moscheen zerstört. 85 Prozent der Bewohner sind auf der Flucht, ausweglos Gejagte im größten Freiluftgefängnis weltweit. Den bisher 29.000 Bomben, anfangs in einer Woche mehr als in einem Jahr über ganz Afghanistan, fielen bis dahin 20.915 Tote, 54.918 Verwundete und 8.000 Vermisste, zu 70 Prozent Frauen und Kinder, zum Opfer. [7] Der völkerrechtlich untersagte Einsatz von weißem Phosphor, von Artilleriegranaten in dicht besiedelten Wohngegenden und von 41 Prozent Sprengkörpern ohne Zielsteuerung verdeutlicht die Strategie: maximaler Tod und Zerstörung, unerträgliche Traumatisierung und dauerhafte Einschüchterung der Überlebenden. Demgegenüber beklagt Israel – über die 1.139 Opfer vom 7. Oktober hinaus – den Tod von 164 Soldaten im Einsatz in Gaza. [8] Dies ist kein Krieg, wie westliche Medien und Regierungen unablässig wiederholen. Dies ist ein Gemetzel, tagtäglich verübte Kriegsverbrechen gegen eine wehrlose Bevölkerung.
Schlimmer noch, dies ist kein Zufall! Die UN-Konvention von 1948 definiert ebenso wie das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs von 1998 Genozid weniger an der absoluten Zahl der Opfer als an der Absicht, eine ethnisch-kulturelle Gruppe zu vernichten. [9] Typischerweise mit Dehumanisierung gepaart, finden sich entsprechende Äußerungen bei führenden Vertretern in Politik und Militär Israels. Von ‚menschlichen Tieren‘, die vernichtet, von Gaza, das dem Erdboden gleichgemacht werden müsse, sprachen Israels Premier, Botschafter und Verteidigungsminister. [10]
Doch weniger als Reaktion auf einen Überraschungsangriff entspricht das israelische Vorgehen objektiv dem 2018 von der Knesset verabschiedeten „Grundgesetz ‚Israel – Nationalstaat des jüdischen Volkes‘“. In ihm hat allein das jüdische Volk das Recht auf Selbstbestimmung, werden Hebräisch als einzige Nationalsprache und das ungeteilte Jerusalem als Hauptstadt bestimmt. Mehr noch, das in den Grundprinzipien des Grundgesetzes genannte ‚Land Israel‘ erstreckt sich vom Jordan bis zum Mittelmeer. Es umfasst damit nicht nur das Territorium des Staates Israel, sondern auch die ‚besetzten palästinensischen Gebiete’ inklusive Westbank und Gaza. Dies erklärt die seit Langem verfolgte Politik der Apartheid für die 20 Prozent palästinensischen Israelis, die grundgesetzlich verankerte Ansiedelung von inzwischen 700.000 jüdischen Staatsbürgern auf originär palästinensischem Territorium sowie der forcierten Immigration aus der Diaspora. Gleichwohl besteht ein demographisches Problem: Der Palästinenser-Anteil im ‚Land Israel‘ entspricht mit 7,3 Mio. dem jüdischen, aber wächst stärker! Höhere Geburten- und Einwanderungsraten sind die eine, eine Reduzierung der Palästinenser-Bevölkerung durch Vertreibung und Flucht, eine Nakba 2.0, die andere strategische Variante.
Gaza als Blaupause?! Entgegen seiner Verpflichtung als Besatzungsmacht und seines langfristigen Sicherheitsinteresses haben sukzessive israelische Regierungen statt Förderung einer kooperativen Entwicklung Gazas als Teil eines unabhängigen Staates Palästina dessen Bevölkerung sozial-ökonomisch stranguliert, allenfalls als billige Tagelöhner in Israel geduldet. Drei Viertel der Bewohner sind Flüchtlinge, viele leben in einem der acht Flüchtlingslager. 95 Prozent haben keinen Zugang zu sauberem Wasser. Abwasserkanäle und Kläranlagen sind praktisch nicht existent. Bei einer Stromversorgung von täglich maximal elf Stunden sind öffentliche Betriebe wie Krankenhäuser, vor allem aber Entwicklung von Industrie und Landwirtschaft a priori eingeschränkt. Seit der Blockade 2007 sind BSP und Pro-Kopf-Einkommen (PKE) um 37 Prozent gesunken. [11] Bei einem PKE von durchschnittlich 3,20 USD p.d. und einer Arbeitslosenquote von 46 Prozent, die in der Altersgruppe 15 bis 29 auf 62 Prozent ansteigt, ist dauerhafte ausländische Hilfe unersetzlich, denn 80 Prozent der Bevölkerung sind arm, 63 Prozent leiden unter Nahrungsmittelunsicherheit. [12] Angesichts der jetzt noch hinzukommenden existenziellen Zerstörung sind die Zukunftsaussichten trotz prognostizierten Bevölkerungswachstums auf 3,1 (2030) bzw. 4,7 Mio. (2050) katastrophal, werden u.a. Umsiedlungen z.B. nach Ägypten ins Spiel gebracht. [13]
3. Israel, Gaza und der Westen
Israel kann auf die grundsätzliche Unterstützung des kollektiven Westens, insbesondere der USA und Deutschlands, bauen. Schon lange als Terrororganisation gebrandmarkt, war die absolute Verurteilung des Angriffs der Hamas vom 7. Oktober vorhersehbar. Dessen Hintergründe werden ebenso wenig beleuchtet wie die Geschichte des seit 1948 andauernden Palästina-Konflikts, die Politik Israels oder die Perspektiven einer langfristigen Lösung auf Basis des Völkerrechts. Israel gilt als belagerte Demokratie in einem feindlichen Umwelt, das von einer blutrünstigen Terrorbande überfallen, in seiner Existenz gefährdet, in seinem Recht auf Selbstverteidigung, konkret Einmarsch in Gaza und Vernichtung der Hamas, militärisch und politisch unterstützt werden muss. [14] So ist trotz wachsender Forderungen nach einer (erneuten) ‚humanitären Feuerpause‘ bzw. einem Waffenstillstand die materielle politische und militärische Unterstützung Israels im Gegensatz zu den eher symbolischen Akten der Solidarität gegenüber palästinensischen Opfern ungebrochen. [15]
So entsandten die USA wie auch Frankreich frühzeitig Schlachtschiffe in die Region, um eine Ausweitung des Krieges zu verhindern, objektiv Israel den Rücken freizuhalten, dem Land einen Mehrfrontenkrieg zu ersparen. Ähnliches gilt für die Operation Prosperity Guardian im Roten Meer gegen Drohnen der mit den Palästinensern solidarischen jemenitischen Huthi. Von den USA offiziell zum Schutz der Handelsschifffahrt und der Freiheit der Meere initiiert, beteiligen sich, obwohl unmittelbar betroffen und Gegner der Huthis, weder Saudi Arabien noch Ägypten an dem Unternehmen. Auch China, das auf der afrikanischen Seite der Meerenge von Bab el-Mandeb eine Marinebasis unterhält, fehlt. Stattdessen befinden sich die Kriegsmarinen Frankreichs, Großbritanniens, der Niederlande, Norwegens, Italiens und Kanadas an vorderster Front, und auch die BRD überlegt einzusteigen. [16]
Resümee: Weder die Existenz, schon gar nicht das Existenzrecht des Staates Israel stehen auf dem Spiel, sondern der mit millionenfachem Elend bezahlte zionistische Kolonialismus. Statt auf das, allein wahre Sicherheit versprechende, implizite Zugeständnis eines Palästinenserstaates in den Grenzen von 1967 in Hamas programmatischen Grundsätzen von 2017 einzugehen [17], wird die gegenwärtige Politik auch in den folgenden Generationen nur zu mehr Hass, Widerstand und Blutvergießen führen. Ein Volk von heute weltweit 16 Millionen, dessen weit überwiegende Mehrheit in Europa über Jahrhunderte verfolgt, im Holocaust ein Drittel seiner Mitglieder hingemordet erlebt hat, wendet gegenüber den Palästinensern ähnliche Methoden der Ausgrenzung und Unterdrückung an – das ist die wahre Tragödie Israels.
Es wird die Schlacht um Gaza gewinnen, aber den Krieg verlieren! Der Genozid an der Bevölkerung, die Zerstörung von Gotteshäusern, Wohnungen, Sozialeinrichtungen und Hospitälern in Gaza hat die Weltöffentlichkeit gegen Israel aufgebracht, seine westlichen Beschützer isoliert und deren Kolonialvergangenheit ins kollektive Gedächtnis des globalen Südens hervorgeholt. Durch den Ukraine-Konflikt bereits angekratzt, wird der politische Niedergang des Westens und seiner Führungsmacht USA beschleunigt, seine Menschenrechtsrhetorik als Instrument einer Doppelmoral im Dienste reiner Machtpolitik entlarvt.
Beim Anklicken der Anmerkungs-Nummern wird die entsprechende NachDenkSeiten-Seite aufgerufen. Das muss man nicht, um den Text zu verstehen. Die 17 Anmerkungen sind sozusagen der Stolz des Wissenschaftlers John Neelsen, alles seine Aussagen belegen zu können.