EU-Ziel: Kriegstüchtig werden um jeden Preis

So wird die Ukraine ein Teil der EU.

Kohärente kolonial-kapitalistische EU-Politik kauft ukrainische „Verteidigungsindustrie“.

Seit Donald Trumps überwältigendem Wahlsieg am 5. 11. 2024 gilt nicht nur für die USA eine neue Zeitrechnung. Hatte er doch in seiner ersten Amtszeit als Präsident sowie im Wahlkampf angekündigt, er werde dafür sorgen, dass die Europäer wegen der Kosten selber für ihre Verteidigung sorgen und künftig auf den amerikanischen „Schutzschirm“ durch Truppen, Raketen und Atomwaffen verzichten müssen. Wohlgemerkt: Gegen die angebliche Bedrohung durch Russland. Denn Amerikas wirklicher Gegner ist inzwischen eindeutig China.

Insofern hat sich die EU mittlerweile in mehreren Schritten militärisch umorientiert. Notfalls könnte nämlich der Fall eintreten, dass die Ukraine in ihrem Kampf gegen Russland nur noch von den Staaten der Europäischen Union – insbesondere durch Deutschland – finanziell und militärisch unterstützt wird.

Als die EU-Kommission am 5. März 2024 die „Erste europäische Industriestrategie für den Verteidigungsbereich auf EU-Ebene“ (EDIS) präsentiert hat, war davon in den deutschen öffentlich-rechtlichen und anderen Leitmedien kaum etwas zu hören bzw. zu lesen. Immerhin steht ja darin:

Die Mitgliedstaaten sind dazu aufgerufen,

  • bis 2030 mindestens 40 % der Verteidigungsgüter auf kooperative Weise zu beschaffen;
  • dafür zu sorgen, dass der EU-interne Handel mit Verteidigungsgütern bis 2030 wertmäßig mindestens 35 % des EU-Verteidigungsmarkts ausmacht;
  • sich dem Ziel, bis 2030 mindestens 50 % ihres Beschaffungshaushalts im Verteidigungsbereich innerhalb der EU auszugeben und diesen Anteil bis 2035 auf 60 % zu steigern, ständig anzunähern.“

EDIS ist eine gemeinsame Mitteilung der Kommission und des Hohen Vertreters, die eine Vision für die europäische Verteidigungsindustriepolitik bis 2035 vorlegt. (…)“ ist auf der offiziellen Website der Union zu lesen.

Interessant ist in diesem Fall auch folgende Erläuterung: „Der Hohe Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik (Hoher Vertreter) ist dafür zuständig, die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) sowie die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) der Europäischen Union (EU) zu koordinieren und durchzuführen. Der Hohe Vertreter ist zugleich einer der Vizepräsidenten der Europäischen Kommission. In dieser Eigenschaft hat er sicherzustellen, dass das auswärtige Handeln der EU insgesamt kohärent ist.

Am 24. Oktober 2024 hat die EU-Kommission die „Regulierung 2024/2773“ angenommen. Demnach soll die Ukraine von der EU einen Kredit in Höhe von 35 Milliarden Euro bekommen, der aus den Einnahmen der eingefrorenen russischen Vermögenswerte zurückgezahlt werden soll. Einerseits soll das Geld erst dann fließen, wenn die Ukraine allen Bedingungen der EU zugestimmt hat. Andererseits ist im Endeffekt das Geld zwar angeblich für den Wiederaufbau (nach Kriegsende?) bestimmt, aber im Artikel 12 der Regulierung steht:

Grundsatzvereinbarung

  1. Die Kommission vereinbart mit der Ukraine politische Auflagen, an die das MFA-Darlehen geknüpft wird. Diese politischen Auflagen werden in einer Grundsatzvereinbarung festgelegt.
  2. Die politischen Auflagen in der Grundsatzvereinbarung müssen mit den im Anhang des Durchführungsbeschlusses (EU) 2024/1447 aufgeführten qualitativen und quantitativen Schritten und etwaigen daran vorgenommenen Änderungen in Einklang stehen. Die politischen Auflagen in der Grundsatzvereinbarung sollten außerdem die Zusage enthalten, bei der Belebung, dem Wiederaufbau und der Modernisierung der Verteidigungsindustrie[Hervorhebung vom Berichter] der Ukraine die Zusammenarbeit mit der Union entsprechend den Zielen der Unionsprogramme für die Erholung, den Wiederaufbau und die Modernisierung der technologischen und industriellen Basis der Verteidigung der Ukraine und anderer einschlägiger Unionsprogramme zu fördern.“

Die wichtigste Bedingung für die Vergabe dieses Kredits besteht also darin, dass die EU nach der Beendigung des Konflikts mit Russland das Recht erhält, die Rüstungsindustrie der Ukraine wieder aufzubauen und über sie die Kontrolle zu behalten.

Zur Begründung für diese exorbitanten Kraftanstrengungen wird in Orwellscher Manier aus Rüstungs- immerzu Verteidigungsindustrie. Und in dem EDIS-Dokument ist von „Russlands grundlosem Kampf gegen die Ukraine“ als Erklärung die Rede, womit kurzerhand wichtige Fakten der Vorgeschichte propagandistisch unterschlagen werden, wie etwa der von den USA initiierte Maidan-Putsch 2014, die 8-jährige Bombardierung der russischsprachigen Ost-Ukraine ebenso wie die unter eifriger Mitwirkung der Regierung Merkel vorgetäuschten Friedensverträge Minsk I und Minsk II.

Nicht zu vergessen die – entgegen den Zusicherungen im Zuge der Auflösung der UdSSR und der Staaten des Warschauer Vertrags – geplante Erweiterung der NATO auf ukrainisches Gebiet, also direkt in Reichweite Russlands.

Putin stellte am 7. November in seiner Rede auf der diesjährigen VALDAI Konferenz fest, dass das westliche Streben nach Beibehaltung einer Weltordnung auf Grundlage der Konkurrenz einzelner Staaten und von Staatenbünden gegeneinander im Widerspruch zu den aktuell erforderlichen und auch möglichen friedlich-kooperativen internationalen Beziehungen stehe. Solche Beziehungen seien zum Beispiel schon früher im Rahmen der OSZE gepflegt worden und würden nun von den Ländern der BRICS Organisation praktiziert.

Die Aufrechterhaltung eines militärischen Bündnisses wie der NATO ergebe laut Putin überhaupt nur unter der Prämisse der Beibehaltung einer auf Konkurrenz beruhenden Beziehung von Staaten einen Sinn. Allerdings sei diese Praxis mit immer höher werdenden Kosten verbunden, die von den Bevölkerungen der betroffenen Länder getragen werden müssen.

Und gerade diese große Belastung der Bevölkerung ist nach Beobachtung des russischen Präsidenten den Protagonisten der Konkurrenz-Außenpolitik und des Krieges völlig egal. Mit Vernunft könne das Vorgehen des Westens also nichts zu tun haben, ist die Schlussfolgerung Putins in seiner Rede, die hier nachgelesen kann:

Trotz alledem

Während mittels auch deutscher Waffenlieferungen gerade Kriege geführt und somit täglich zahllose Menschen getötet werden, finden sich hierzulande junge Menschen für eine wichtige Hilfe zur Rettung vor einem qualvollen Tod:

https://wildungen-digital.de/2024/10/30/dkms-gsg-dein-typ-ist-gefragt/

Ob den Schülerinnen und Schülern Zweifel am gut gemeinten Tun gekommen sind?

Überall ist Niederbayern – Die Artisten in der Zirkuskuppel: ratlos

Niederbayerns Wirtschaft schlägt Alarm: Jetzt sind auch Jobs in Gefahr

Anmerkung: Die Situationsbeschreibung dieser Pressemitteilung trifft in allen angesprochenen Aspekten auch auf Korbach, Waldeck-Frankenberg, ja auf ganz Deutschland zu. Die jüngsten Wirtschafts-Gipfel-Inszenierungen der Ampel hätten also gespart werden können.

Die Grundstimmung in der Wirtschaft ist ähnlich schlecht wie zur Corona-Zeit, warnt die Industrie- und Handelskammer Niederbayern.

Passau (obx) – Der Arbeitsmarkt in Niederbayern steht vor einer Trendwende. In den vergangenen Jahren stieg die Zahl der Beschäftigten immer weiter. Doch in der aktuellen Konjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammer (IHK) Niederbayern zeigt sich: Mehr als jeder vierte Industriebetrieb in Niederbayern (28 Prozent) geht in den kommenden zwölf Monaten von einer rückläufigen Beschäftigtenzahl aus. Bereits jetzt passen immer mehr Betriebe ihre Kapazitäten durch Kurzarbeit oder längerfristig durch Personalabbau an.

Diese Entwicklung steht sinnbildlich für das Gesamtergebnis der neuesten IHK-Konjunkturumfrage, heißt es von der IHK Niederbayern. Der Konjunkturklimaindikator, der die aktuelle Lage sowie die Erwartungen für die Zukunft miteinander verknüpft, ist im Sinkflug und befindet sich demnach 16 Prozent unter dem Durchschnitt. Nur noch 34 Prozent aller befragten Unternehmen bewerten die Geschäftslage als gut, 19 Prozent bereits als schlecht.

Die Erwartungen für die Zukunft bereiten noch mehr Grund zur Sorge: Rund ein Drittel sieht jetzt schon massive Probleme für die Zukunft. „Die Gesamtstimmung in der Wirtschaft ist ähnlich schlecht wie zur Corona-Zeit“, sagt Alexander Schreiner, Hauptgeschäftsführer der IHK Niederbayern. Die negative Entwicklung betrifft alle Branchen, ist aber in der Industrie besonders ausgeprägt. Rund die Hälfte aller Unternehmen verzeichnet sinkende Auftragsvolumina. Auch hier stechen die Zahlen der Industriebetriebe hervor. Ganz gravierend sind die Zahlen im Fahrzeugbau, Zulieferbetriebe mit eingerechnet. Hier berichten knapp 95 Prozent von einem in den letzten sechs Monaten gesunkenen Auftragsvolumen, sowohl im In- als auch im Ausland. 56 Prozent der Fahrzeugbau-Unternehmen melden eine schlechte Geschäftslage, 68 Prozent gehen von sinkenden Beschäftigungszahlen aus.

„Der Wirtschaftsstandort Deutschland gerät im globalen Wettbewerb immer mehr ins Hintertreffen“, fürchtet Niederbayerns IHK-Präsident Thomas Leebmann. Ursächlich sind nach seinen Worten dafür vor allem die sich weiter verschlechternden Rahmenbedingungen, die die Unternehmen in Deutschland vorfinden: Hohe Arbeits- und Energiekosten und überbordende Bürokratie. Hinzu komme inzwischen eine schwächelnde Nachfrage im In- und Ausland.

Nicht nur in der Industrie lassen die Zahlen die Alarmglocken läuten. So macht die Konsumzurückhaltung der Verbraucher etwa dem Handel schwer zu schaffen. Mehr als 80 Prozent der Befragten beklagen ausbleibende Kunden – so viele wie in keiner anderen Branche. Selbst das bevorstehende Weihnachtsgeschäft scheint die Stimmung nicht zu heben. Obwohl die Kaufkraft der Haushalte durch Lohn- und Gehaltssteigerungen in Kombination mit rückläufigen Inflationsraten theoretisch gestiegen ist, bleiben die Umsatzerwartungen laut Umfrage überwiegend pessimistisch.

Im Tourismusgewerbe klaffen die gegenwärtige Geschäftslage und die Erwartungen für die Zukunft weit auseinander. Obwohl die aktuelle Situation als recht positiv beschrieben wird, wird für das kommende Jahr nahezu einhellig mit Einbußen gerechnet.

Bombardierungen: „Drei weitere Luftangriffe“

Diese nüchterne Formulierung kam heute in ARD-Radionachrichten über den Krieg Israels gegen die Hisbolla im Süd-Libanon vor.

Was wird denn dabei mittels Sprache transportiert? Was sich anhört wie eine tägliche Banalität der Kriegsberichterstattung handelt von Tötungen, Morden an viel zu oft unschuldigen Zivilisten, mithin nach der Haager Kriegsrechts-Ordnung und der Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes von 1948 und ist deswegen ein Straftatbestand im Völkerstrafrecht.

Die Verschleierung dieser Tatsache durch Formulierungstricks der Nachrichtenredakteure dient allein der Sedierung, also der Beruhigung der Zuhörer sowie Zuschauer. Weil dergleichen ja von dpa praktischerweise oft genug vorformuliert wird, findet sie natürlich auch in weiteren Nachrichtensendungen der öffentlich-Rechtlichen statt. Sind die Nachrichtenredakteure nicht für ihre Wortwahl verantwortlich? Haben sie kein Geschichtsbewusstsein?

Als einer, der nicht nur in München 1944, sondern auch 1945 in Dresden unglücklicherweise solche Luftangriffe nicht nur erlebt sondern auch überlebt hat, werfe ich den für die Nachrichten-Texte verantwortlichen Redakteuren absichtliche Verharmlosung, ja offenbar auch Verdummung der Hörer und Zuschauer vor. Denn das Grauen der Sterbenden und der schrecklichen Todesängste, auch die darauffolgende Heimatlosigkeit wäre eben sonst in der BRD-Komfortzone unerträglich. Und könnte zu Widerstandshandlungen gegen die Unterstützung Israels führen.

Anmerkung: Im Blick des historischen Fotos vom Dresdener Rathaus auf die zerstörte Altstadt etwa vier Wochen nach der Bombardierung liegt auch eine Ruine, aus der ich als knapp Vierjähriger gerettet werden konnte.

Wie aus einer Nussschale: alternative Posts im digitalen Zeitalter

Analoge Mails an Altglas-Container-Wänden

Diesmal nahm ich mir die Zeit und zum Fotografieren mein Smartphone. Denn schon kurz nach unserem Umzug in die nordhessische Kleinstadtstadt im zweiten Jahr der COVID-19-Pandemie waren mir die Beschriftungen auf den Altglas-Containern am Rande des kleinen Parks, aufgefallen. Bisher aber hatte ich es meist eilig, oder es war kalt, regnete oder ich war mit einem Hund an der Leine unterwegs.

Nun aber nahm ich die sorgfältig, quasi in der Art Schulschrift der 70-er und 80-er Jahre des vorigen Jahrhunderts mit der Hand und weißem Deko-Stift geschriebenen, immer noch gut sichtbaren, etwa in Hüfthöhe akkurat wie auf Linie angefertigten Beschriftungen bewusst wahr.

Sie entzündeten in mir die Frage, wer sich denn und warum wohl diese Mühe machte, vermutlich am helllichten Tag auf einem Hocker sitzend, wenn Jogger oder andere, Spaziergänger oder Familien mit Kindern oder Hunden vorbeikämen, gerade hier die – zuvor daheim ausgesuchten – Zitate zu veröffentlichen.

Da wird Alexander von Humboldt, der Forschungsreisende, Humanist und Begründer der Schulpflicht in Preußen, als Pionier des Tourismus gedeutet.

An auffälligster Stelle des „Weißglas“-Containers fällt jedoch das Zitat der mexikanischen Malerin Frida Kahlo auf, in dem ebenfalls unser natürliches Sehen mit seinen oberflächlichen Schlussfolgerungen in einem Satz thematisiert wird.

Außer dem Entdecker und der Malerin kommt sogar noch der englische Schriftsteller Oscar Wilde als Gesellschaftskritiker mit einer immer noch richtigen Erkenntnis zu Wort:

Es gibt bestimmt Graphologen, die feststellen könnten, ob die Beschriftungen mit ihren rundlichen Formen tatsächlich von einer Frau stammen. Und ob die eigentümliche Verkürzung der Umlaut-Punkte zu einem Querstrich vielleicht sogar auf ihren ungefähren Jahrgang schließen ließe.

Jedenfalls lässt die Auswahl der Themen und deren Autoren auf eine Person mit einer tieferen kulturellen Bildung schließen – aber was erhoffte sie bei den zufälligen Lesern ihrer Posts zu erreichen?

Vielleicht ging und geht es manchen wie mir: Wer sind denn die zitierten Autoren? Von der mexikanischen Malerin und vom deutschen Begründer der humanistischen Bildung hatte ich ja schon eine Vorstellung. Zum ersten Mal habe ich mich aber nun näher mit Walt Whitman beschäftigt, dem viel gelobten und von berühmten Komponisten oder Songwritern vertonten amerikanischen Poeten.

Die amerikanische LGBTQ-Bewegung reklamiert ihn heute als einen ihrer Vorläufer. Die Brücke, die den Delaware River zwischen Philadelphia und Gloucester City, New Jersey, in der Nähe von Whitmans Wohnhaus in Camden, überspannt, trägt seinen Namen ebenso wie ein Krater auf dem Merkur.

Über die heimliche Abschaffung des Bargeldes

Nur praktisch und bequem?

Seit der „Corona-Pandemie“ kann man es an an der Supermarkt-Kasse immer öfter erleben, wie jemand „kontaktlos“ mit seiner Bankkarte bezahlt. Manchmal hat man selber auch zu wenig Bares dabei. Etwas seltener wird schon mal nur das Smartphone vor das Lesegerät gehalten. Über manchen Kassen – und auch schon in Restaurants – ist zu lesen: Bitte zahlen sie kontaktlos! Meine letzte Fahrkarte für die Bahn bekam ich nur, weil ich auf dem Handy mit meiner Email-Adresse erreichbar war. Das Wunderding mutiert schon zum Allzweckmittel,

Die im folgenden – von Norbert Haering verlinkten – Artikel beschriebenen Beispiele, Situationen und Zustände zeigen, wie dahinter ein klandestines und ungesetzliches Bestreben nach der Bargeldabschaffung steckt.

Im letzten Absatz gibt es auch den Link zu einer Petition für den Erhalt des Bargeldes als allgemeines Zahlungsmittel: https://bargeldverbot.info/petition

Wo der Daumen links ist?

Abgeschrieben aus: junge Welt, Ausgabe vom 06.09.2024, Seite 12 / Thema

Die Jugend und die AfD – Wo der Daumen links ist?

Wie tickt die Jugend? Über junge Wähler, Rechtsruck und den Extremismus der Mitte

Von Michael Klundt

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Da ist einiges durcheinandergeraten. Vorgeblich friedensliebende junge Faschisten (Wahlkampfabschluss der Thüringer AfD auf dem Erfurter Domplatz, 31.8.2024) Foto: Po-Ming Cheung

Michael Klundt ist Professor für Kinderpolitik im Fachbereich Angewandte Humanwissenschaften der Hochschule Magdeburg-Stendal.

Es ist bitter zu erleben, dass viele (junge) Menschen, die berechtigterweise – nicht (nur) wegen falscher Kommunikation der Regierenden – mit der Politik der Bundesregierung und deren Auswirkungen unzufrieden sind, sich ausgerechnet eine rassistische Partei als »Alternative für Deutschland« aussuchen; eine Partei, die Zeit ihres Bestehens immer gegen einen armutsfesten Mindestlohn, gegen eine Vermögensteuer, gegen eine Bürgerversicherung, für Aufrüstung, für die Wehrpflicht, für den Gazakrieg und mehr Geld für das Militär eintritt; eine Partei, die den sozialen Rechtsstaat noch radikaler zerstören will, als das die übrigen Parteien bereits vorangetrieben haben.

Was ist links?

Wer indes wissen will, wie »rechts« die deutsche Jugend ist, muss sich zunächst seines eigenen Koordinatensystems vergewissern. Denn für jung und alt ist da seit einiger Zeit einiges ganz schön unübersichtlich geworden. Was bedeutet es zum Beispiel für sich als links verstehende Menschen, wenn sie hören, dass ein renommierter marxistischer Gelehrter inzwischen von sich sagt: »Ich bin nicht links, ich bin Kommunist.« In der Wochenzeitung Freitag vom 4. März 2022 schrieb der Politikwissenschaftler Georg Fülberth kurz nach dem Beginn des Ukraine-Krieges Ende Februar 2022: »Am 25. Februar fand eine Sondersitzung des Bundestags statt. Die Linkspartei lehnt Waffenexporte in die Ukraine und die Erhöhung der Rüstungsausgaben ab, nicht aber Sanktionen. Amira Mohamed Ali, die Kovorsitzende der Linksfraktion, machte Vorschläge für deren Feinjustierung. Die jahrzehntelange NATO-Osterweiterung kritisierte sie nicht. Dies überließ sie der AfD-Abgeordneten Alice Weidel und auch anderen Rednern von deren Fraktion, die in diesem Punkt – zugleich kontaminiert durch Forderungen nach Hochrüstung und Rückkehr zur Atomkraft – die Oppositionsführung übernahm, anstelle der Linkspartei.«¹

Fangen wir also mit der Ordnung unserer Begriffe an.² Was ist links? »Links« soll sein der Einsatz für soziale Gleichheit und Gerechtigkeit, für Demokratisierung und für Abrüstung sowie friedliche Koexistenz im Geiste internationaler Solidarität.

Was ist rechts?

»Rechts« soll sein der Einsatz oder die Akzeptanz für soziale Ungleichheit, für autoritäre Bevormundung der Mehrheit der Bevölkerung und für militärische Aufrüstung sowie national-egoistische Herrschafts- und Machtpolitik im Geiste internationaler Konkurrenz und des Kampfes gegen andere Staaten.

Was davon zeichnet die Ampelregierung aus und was die Oppositionsparteien? Wie viel davon wird von wissenschaftlichen Studien operationalisiert, erfragt und von einflussreichen Medien berichtet? Um dem nachzugehen, wird im folgenden die Thematisierung diverser Jugendstudien in Deutschland 2024³ in verschiedenen Leitmedien betrachtet. Doch zunächst geht es um die Ergebnisse der letzten Landtagswahlen je nach Altersgruppen.

Die AfD gewinnt

Am 1. September 2024 sind alle vorherigen Befürchtungen eingetreten. Die AfD hat bei jung und alt enorm hinzugewonnen, so dass von einem regelrechten Rechtsruck die Rede ist. Die Stimmen für die AfD bei den Jungwählern sind zum Teil nicht (wesentlich) höher als bei den anderen Altersgruppen. So hatte laut Wählernachbefragung durch Infratest Dimap die AfD in Sachsen insgesamt 31 Prozent erhalten (plus drei im Vergleich zu 2019); die 18- bis 24jährigen wählten die AfD ebenfalls zu 31 Prozent (plus elf). In Thüringen erhielt die AfD insgesamt 33 Prozent (plus zehn), während 18- bis 24jährige sie zu 38 Prozent wählten (plus 15). Der Anstieg im Verhältnis zu den letzten Landtagswahlen 2019 ist also bei den Jungwählern deutlich steiler als bei den anderen Altersgruppen. Allerdings haben in Sachsen einige ältere Wählergruppen noch höhere AfD-Werte erzielt, und in Thüringen lagen die meisten anderen Altersgruppen mit 36 bis 37 Prozent eher auf der Höhe der Jungwähler. Die einzige Altersgruppe, die deutlich weniger AfD gewählt hat, waren in beiden Bundesländern die über 70jährigen (Sachsen: 24 Prozent, plus drei) und in Thüringen 19 Prozent (plus sechs).⁴

Etwas leiser als im Frühjahr und nach den Wahlen zum EU-Parlament im Juni 2024 sind nun vor diesem Hintergrund die Stimmen, die vor allem die jugendlichen Rechtswähler betonen und gesamtgesellschaftliche Zusammenhänge ausblenden.⁵ Solcherart wurde und wird dann häufig auch »die Jugend ist rechts« oder »die Jugend wählt rechts« behauptet, obwohl zumindest eine große Mehrheit der Jungwähler gerade nicht AfD gewählt hat (zumindest deutlich mehr als 60 Prozent). Diese Form der Pauschalisierung erfüllt offenbar eine gewisse gesellschaftspolitische Entlastungsfunktion. Die Pauschalisierer müssen weniger über Erwachsene, Eltern und eigene journalistische, politische, wissenschaftliche und pädagogische Verantwortung für diese Entwicklung nachdenken. Es reicht, alle Probleme auf »die Jugend« zu projizieren. Dass in der Augsburger »Jugendwahlstudie 2024« 65 Prozent der ostdeutschen und 74 Prozent der westdeutschen Jugendlichen von Angst vor der AfD berichteten, dass in der Jugendstudie vom Frühjahr »Jugend in Deutschland 2024« unter anderem 44 Prozent der Befragten große Sorgen wegen des Aufstiegs rechtsextremer Parteien äußerten,⁶ wird dadurch einfach ausgeblendet. Die pauschale Aussage »die Jugend wählt rechts« über eine ganze Generation unterschlägt schlicht diesen Sachverhalt und ist undifferenziert.

Richtig ist: Ein wachsender Teil der Jugend wählt rechts. Deshalb ist es aber auch für die politische Kommunikation kontraproduktiv, wenn zum Beispiel die 44 Prozent der Befragten, die große Sorgen wegen des »Erstarken rechtsextremer Parteien« äußern, nicht explizit gewürdigt und unterstützt, sondern mit den Wählern der AfD in einen Topf als »die rechte Jugend« geworfen werden. Diesbezüglich wäre etwas mehr Gründlichkeit und Differenzierung nötig. Statt dessen wird in manchen Studien auch noch alles Mögliche ebenfalls als »rechts« oder »rechtsoffen« diffamiert. Aussagen wie, dass »die da oben« andere Interessen haben als »wir hier unten« und »einfache Menschen« der Regierung egal seien, werden dann oft nicht als vielleicht etwas undifferenzierter Klassenstandpunkt erörtert, sondern meist sofort als Teil von »Populismus« und »Verschwörungserzählungen« in die rechte Ecke gestellt. Das sollte skeptisch machen. Zumal viele alarmistische Medien, die solche Aussagen tätigen, oft kaum Interesse zeigen für die realen Lebenslagen, Lebenswelten, Empfindungen und Ansichten junger Menschen.

Damit werden viele Medien, Politikerinnen und Politiker und auch manche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler selbst zum Teil des Problems. Das gilt es genauer zu untersuchen, da die Vermutung besteht, dass aus genau diesen Verzerrungen heraus und den damit verbundenen Kommunikationsstörungen der Aufstieg der AfD mitzuerklären ist. Außerdem lässt sich die Vermutung äußern, dass das rechte gesellschaftspolitische Projekt zur Militarisierung Deutschlands und zur Vorbereitung auf Krieg (zum Beispiel gegen Russland) durch Aufrüstung, Kriegspropaganda (auch bei Kindern), Waffenexporte usw. hin zur »Kriegstüchtigkeit« von einer sehr großen Koalition aus SPD, FDP, Bündnis 90/Die Grünen, CDU/CSU und AfD am besten betrieben werden kann, wenn es auch noch im Namen eines angeblichen »Kampfes gegen rechts« durchgeführt wird. Auch dies sollte im Auge behalten werden.

Was für ein Rechtsruck?

Im Jahre 2017 fand sich in der Reihe »Wiso direkt« der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) ein beeindruckender Artikel über »Angst im Sozialstaat« von Sigrid Betzelt und Ingo Bode.⁷ Die Autoren begriffen die verschiedenen neoliberalen Sozialstaatsreformen im Rahmen der »Agenda 2010« als ein gigantisches Verarmungs-, Entrechtungs- und Disziplinierungsprogramm für die große Masse der abhängig Beschäftigten (dass es – in Verbindung mit Steuerentlastungen für Wohlhabende – auch ein Bereicherungsprogramm für die herrschende Klasse war und ist, war ihnen entgangen). Alle Lohnabhängigen »wussten« von nun an, dass sie nach einem Jahr Arbeitslosigkeit sofort im weitgehend rechtlosen Fürsorgesystem von Sozialhilfe/Hartz IV landeten, ohne Achtung für ihre jahrelangen Einzahlungen in die Arbeitslosenversicherung und ohne Beachtung ihrer Qualifikation und in dem Wissen, dass ihr Lebensstandard spätestens im Alter durch die Rentenkürzungen und -privatisierungen seit der »Riester-Rente« systematisch abgesenkt und verunsichert wurde. Leiharbeiter vor Augen, die für die Hälfte des eigenen Lohns arbeiten, überlegte sich jeder Beschäftigte zweimal, ob er mit Betriebsrat, Gewerkschaft und Streikaufrufen mitging oder lieber brav »das Maul hält«. Minderheitenfeindliche Tendenzen und der Aufstieg rechtspopulistischer Kräfte verweisen aus Sicht von Betzelt und Bode auf eine damit verbundene latente soziale Krise. »Wir argumentieren, dass diese maßgeblich mit der Liberalisierung des deutschen Sozialmodells zusammenhängt. Diese provoziert Angstzustände, welche Anpassungsbereitschaften erzeugen, aber zugleich die soziale Integration strapazieren.«

Die damit verbundene Resignation ist offenbar spätestens nach einigen Jahren umgeschlagen in Ressentiments gegen Sündenböcke (von den seit einer Generation CDU-regierungsamtlich tolerierten neonazistischen, »national befreiten Zonen« in Sachsen und anderswo ganz zu schweigen). Und genau auf dieser Welle surft nun die AfD. Die FES-Autoren forderten dringend solidarische Sozialstaatsreformen, um unsolidarische und sozialdarwinistische Tendenzen zurückzudrängen. Wer sich heute fragt, warum die SPD in den ostdeutschen Bundesländern mit der Fünfprozenthürde kämpft, sollte sich diesen Aufsatz von vor sieben Jahren noch einmal zu Gemüte führen.

Erstaunlicherweise nahmen viele Mainstreammedien die Augsburger »Jugendwahlstudie 2024« (eine von Anfang Juli bis Mitte August 2024 erfolgte Befragung von tausend 16- bis 25jährigen) noch kurz vor den Wahlen in Thüringen und Sachsen mit großer Aufmerksamkeit zur Kenntnis, fühlten sich aber zu keiner Zeit selbst angesprochen. So wird in der Regel mit Erstaunen referiert, dass viele junge Menschen sich als »links« verstehen, aber zugleich »rechte« Positionen vertreten oder gar »rechts« wählen würden.⁸ Dass viele Medien, Politiker, Wissenschaftler sich ebenfalls allzu oft als »links« oder »liberal« verstehen, aber Parteien präferieren, die rechtsautoritäre Politik betreiben (Aufrüstung, Kriegstüchtigkeitspropaganda, Waffenexporte, Sozialabbau usw.), kommt den über junge Menschen erstaunten Mainstreammedien nicht in den Sinn. Sie skandalisieren auch in der Regel nie Parteien oder deren Funktionäre, die grundgesetzwidrig den Sozialstaat abbauen wollen, die Vermögensteuer ablehnen, Aufrüstung, Waffenexporte und Kriegspropaganda betreiben, »Slava Ukraini« rufen oder mit Verherrlichern von Holocausthelfern wie Stepan Bandera zusammenarbeiten. Das ist alles o.k. für die selbstgerechte »Mitte«.

Derweil wird immer sichtbarer, dass von Regierungsseite jegliche Unterversorgung des Bildungswesens, der Flüchtlingsbetreuung, des Bürgergeldes oder der Kindergrundsicherung in Kauf genommen wird, aber der Rüstungsetat unantastbar ist. Auch die Waffenlieferungen an die Ukraine stehen nicht zur Disposition. Das ist rechts, das ist lebensgefährliche, rechte Politik. Nur wenige Menschen haben in den letzten Jahren dagegen demonstriert. Praktisch keine Mainstreammedien haben Demoaufrufe dazu verbreitet. Kaum Wissenschaftler haben in ihren (Jugend-)Studien überhaupt Parameter und Items für sozialstaatsfeindliche, die im Grundgesetz stehende Vermögensteuer ablehnende und das Friedensgebot des Grundgesetzes verletzende, also verfassungsfeindliche »rechte«, Propaganda und Politik der Militarisierung und des Sozialabbaus eingebaut.

Für die repräsentative Studie »Jugend in Deutschland 2024« wurden im Januar und Februar 2024 etwa 2.000 junge Leute von 14 bis 29 Jahren befragt. Sie gaben Antworten zu ihrer Parteipräferenz, ihren größten Sorgen, der Zufriedenheit mit ihrer persönlichen Lage (Finanzen, Gesundheit, berufliche Chancen) und der gesellschaftlichen Lage (Wirtschaft, Zusammenhalt, politische Verhältnisse, Lebensqualität in Deutschland). Als Ergebnis wurde festgestellt, dass die junge Generation im Vergleich zu den Befragungen der Vorjahre immer unzufriedener geworden ist, besonders hinsichtlich ihrer gesellschaftlich-wirtschaftlichen Lage.

Philipp Wundersee vom WDR fasste für tagesschau.de am 23. April 2024 die wichtigsten Sorgen der befragten jungen Menschen zusammen: »Die großen Sorgen der jungen Menschen in Deutschland aufgrund von Inflation (65 Prozent), teurem Wohnraum (54 Prozent) und Altersarmut (48 Prozent), aber auch die Spaltung der Gesellschaft (49 Prozent) oder die Zunahme von Flüchtlingsströmen (41 Prozent) führen zu hoher Unzufriedenheit der jungen Generation mit ihrer Lebenssituation und den politischen Verhältnissen.« Interessanterweise lässt der Autor aber verschiedene wichtige Sorgenverursacher außen vor, genauso wie deren Entwicklung in den letzten zwei Jahren: Da wären vor allem der »Krieg in Europa und in Nahost« mit immerhin 60 Prozent (2022: 68 Prozent; 2023: 59 Prozent), der Klimawandel mit 49 Prozent (2022: 55 Prozent, 2023: 52 Prozent), die Sorgen hinsichtlich der »Wirtschaftskrise« bei 48 Prozent der Jugendlichen (2022: 39 Prozent; 2023: 45 Prozent) oder auch das »Erstarken rechtsextremer Parteien« mit 44 Prozent unter den Befragten (2022: 35 Prozent; 2023: 32 Prozent). Schaut man diese Angaben unbefangen an, so kann man unmöglich zum Ergebnis kommen, dass »die Jugend rechts« eingestellt sei. Was immer auch für Interpretationen möglich wären, scheint doch zumindest eine ziemliche Spaltung innerhalb der jungen Generation sichtbar zu werden.

Gestresst und unzufrieden

Hinsichtlich des individuellen Wohlbefindens und psychischer Belastungen der befragten Jugendlichen zwischen 14 und 29 Jahren verkündet tagesschau.de einen besorgniserregenden Absturz: »Im Vergleich zu den früheren Studien scheint die Stimmung derzeit zu kippen. Das zeigt sich an einem hohen Ausmaß von psychischen Belastungen wie Stress, den 51 Prozent der Befragten angeben. Ähnlich zur Erschöpfung (36 Prozent) und der Hilflosigkeit (17 Prozent), die in den vergangenen drei Jahren trotz des Abflauens der Coronapandemie weiter angestiegen sind. Es geben elf Prozent der Befragten an, aktuell wegen psychischer Störungen in Behandlung zu sein.« Dies wird noch deutlicher, zieht man die beiden Vorjahreswerte hinzu: Demnach haben sich von 2022 über 2023 bis 2024 Stress (45, 46 und 51 Prozent), Erschöpfung (32, 35 und 36 Prozent), Selbstzweifel (25, 33 und 33 Prozent), Gereiztheit (22, 24 und 25 Prozent), Hilflosigkeit (13, 14 und 17 Prozent) und Suizidgedanken (7, 6 und 8 Prozent) deutlich erhöht, während »keine der genannten Belastungen« lediglich von 22 Prozent (2022: 23 Prozent, 2023: 19 Prozent) genannt wurden.

Kommen wir nun zu dem Aspekt, welcher offenbar das einzige öffentliche Interesse an dieser Studie und der jungen Generation motiviert, die Parteienpräferenz. Tagesschau.de vom 23. April 2024: »Die AfD stehe laut ihrer Befragung mit 22 Prozent aktuell an der Spitze der Wählergunst bei den unter 30jährigen (2022: 9 Prozent). AfD und CDU/CSU hätten stark in der Gunst zugelegt, die Regierungsparteien enorm verloren. Demnach würden sich 20 Prozent für die CDU entscheiden (2022: 16 Prozent). Alle weiteren Parteien verlieren bei der jungen Generation Stimmen: Die Grünen liegen in der Gunst der jungen Wähler zur Zeit bei 18 Prozent (2022: 27 Prozent), die SPD bei 12 Prozent (2022: 14 Prozent), die FDP bei acht Prozent (2022: 19 Prozent). Ein Viertel bezeichnete sich als unentschlossen.«

Selbstgerechte Mitte

Auch das ZDF kommt zu einer ähnlichen Bilanz: Unter der Überschrift »Deutlicher Rechtsruck« vermittelt zdf.de vom 23. April 2024 folgendes Studienergebnis: »Es sei ein deutlicher Rechtsruck in der jungen Bevölkerung zu sehen, so Autor Klaus Hurrelmann. Demnach sinken die Zustimmungswerte für die Grünen, die FDP und die SPD deutlich. Die Union (CDU und CSU) verbesserte sich der Umfrage zufolge bei jungen Menschen von 16 auf 20 Prozent, das neue Bündnis Sahra Wagenknecht kommt auf fünf Prozent. Die Zahl derjenigen, die auf die Frage, wen sie wählen würden, mit ›Ich weiß es nicht‹ antworteten, stieg deutlich von 19 Prozent vor zwei Jahren auf heute 25 Prozent.« Trotz der sinkenden Ampelwerte und steigenden Unions- und AfD-Wahlabsichten sollte selbst hierbei nicht vorschnell »die Jugend« als »rechts« bezeichnet werden, wie dies in vielen Beiträgen nach Veröffentlichung der Studie geschehen ist. In Verbindung mit den ermittelten Sorgen vieler junger Menschen ist zum Beispiel die gesunkene Zustimmung zur Ampel keineswegs grundsätzlich »rechts«. Genauso wenig gilt dies zwangsläufig für den Aufstieg des BSW oder die steigenden Zahlen bei den Unentschlossenen.

Dass die vorherrschende veröffentlichte Meinung in Politik, Medien und Wissenschaft nicht unbedingt mit der öffentlichen Meinung übereinstimmt, wurde schließlich sichtbar anhand der Wahlen zum EU-Parlament im Juni 2024. Was war herausgekommen aus all den Studien und Prognosen? Zunächst einmal muss die Vergleichbarkeit vieler Untersuchungen befragt werden, da sich die einen auf 12- bis 18jährige oder 16- bis 24jährige beziehen, die anderen auf 18- bis 24jährige, wieder andere schauen auf 14- oder 16- bis 29jährige usw. Auch im Zeitverlauf muss berücksichtigt werden, dass die Gruppe der unter 25jährigen bei der Wahl 2024 von 16 bis 24 Jahre und bei der Wahl 2019 nur von 18 bis 24 Jahre alt war. Dies alles in Rechnung gestellt, lässt sich folgendes zum Wahlergebnis sagen: Die AfD wurde von der gesamten Wahlbevölkerung zu 16 Prozent gewählt, und bei den unter 25jährigen erhielt sie ebenfalls 16 Prozent. Das bedeutet zwar für die unter 25jährigen eine Verdreifachung der AfD-Wählerinnen und Wähler im Verhältnis zur letzten EU-Wahl, jedoch keinen wesentlichen »Ausreißer« im Verhältnis zu den älteren Altersgruppen. Im Gegenteil, denn während der Bayerische Rundfunk zwar am 11. Juni 2024 titelte »Europawahl 2024: Arbeiterpartei AfD – die Jugend wählt rechts«, konnten die verlinkten Studienergebnisse von Infratest Dimap auf der gleichen Homepage die Behauptung über »die Jugend« deutlich entkräften. Zwar erhielt die AfD bei den Arbeitern tatsächlich von allen Parteien die höchsten Werte (33 Prozent), konnte das aber für die Jungwähler keineswegs von sich sagen. Bei den 16- bis 24jährigen schnitten die Union mit 17 Prozent, die AfD mit 16 Prozent, die Grünen mit elf Prozent, die SPD mit neun Prozent, die FDP mit sieben Prozent, die Linkspartei mit sechs Prozent und das BSW ebenfalls mit sechs Prozent ab. Zugleich wählten etwa 28 Prozent der jungen Wähler nichtetablierte Parteien wie Die PARTEI, Volt, Tierschutzpartei usw. 84 Prozent der Jungwähler gaben bei den Wahlen zum EU-Parlament ihre Stimme also nicht der AfD.

Etwas differenzierter zu den Altersgruppen ermittelte Infratest Dimap – wie gesagt – für die Gesamtwählerschaft und für die 16- bis 24jährigen 16 Prozent für die AfD; bei den 25- bis 34jährigen waren es immerhin 18 Prozent, bei den 35- bis 44jährigen sogar 20 Prozent, bei den 45- bis 59jährigen wieder 18 Prozent, bei den 60- bis 69jährigen 15 Prozent und bei den über 70jährigen »nur« acht Prozent. Wenn also Altersgruppen als besonders AfD-affin beschrieben werden sollten, so wären dies vor allem die 35- bis 44jährigen. »Die« Jugend unter 25 lässt sich demgegenüber eher als »durchschnittlich« beschreiben. Was nichts an der Dramatik des Rechtsextremismus ändert.

Dennoch spricht fast der gesamte liberale Medienmainstream seit der Hurrelmann-Studie und nach den EU-Wahlen vom »Rechtsruck« der Jugend. Nur die FAZ vom 20. Juni 2024 kam nach einer weiteren Jugendbefragung durch das Allensbach-Institut zu einer konträren Ansicht: »17 Prozent der Deutschen unter 30 finden die AfD am sympathischsten. Insgesamt ist die Jugend aber eher links als rechts, wie eine Allensbach-Umfrage (…) zeigt. In den vergangenen Monaten gab es wiederholt aufgeregte öffentliche Diskussionen über die politische Orientierung der jungen Generation. Vor wenigen Jahren sei sie noch überwiegend links gewesen, habe sich vor allem für Umwelt- und Klimaschutz interessiert, nun sei sie nach rechts gerückt, sei frustriert und perspektivlos und habe sich unter dem Einfluss der sozialen Medien der AfD zugewandt.«⁹

Lechts und Rinks?

Was der Medienmainstream jungen Menschen für ihre politische Sozialisation anbietet, ist eine Diffamierung widerständiger Positionen und Umlenkung einer möglichst breiten Schicht Jugendlicher in die »Mitte«: Wer Coronamaßnahmen kritisierte, war AfD-nah und rechts, wer sich nicht impfen lassen wollte, war »Nazi«, »Impfterrorist« und »Sozialschädling«,¹⁰ wer gegen Waffenlieferungen an die Ukraine argumentiert, ist wie die AfD, also rechts, wer die Kriegsverbrechen in Gaza ablehnt, ist bestimmt rechts (aber nicht mit der AfD, die das Vorgehen der israelischen Armee wegen ihres Hasses auf Muslime gutheißt); wer nicht sternchen-gendert, spricht wie die AfD, wer sich die Klimapolitik der Bundesregierung (Wärmepumpen, Frackinggas, Verbrennerausstieg, E-Autos) nicht leisten kann oder will, ist ein Klimaleugner, also ebenfalls rechts und mit der AfD. Bei der Anzahl der hierbei Diffamierten ist es fast ein Wunder, dass nicht noch viel mehr junge wie alte Menschen regelrecht zur AfD-Wahl getrieben wurden.

Wie hohl klingt da das offiziell geäußerte »Nie wieder Krieg – nie wieder Faschismus«. Alle völkerrechtswidrigen Angriffskriege durch NATO-Staaten in den letzten drei Jahrzehnten blendet der Mainstream einfach aus. Die eigene Komplizenschaft beim saudischen Krieg im Jemen, das eigene Schweigen zum aserbaidschanischen Angriff auf Armenien sowie zu türkischen oder israelischen Aggressionen gegen Irak oder Syrien interessieren genauso wenig. Der einzige wirkliche völkerrechtswidrige Angriffskrieg ist der Krieg Russlands gegen die Ukraine – dessen Vorgeschichte man, versteht sich, ausblendet. NATO-Expansionismus, Regime-Change 2014 mit Nationalisten und Neofaschisten, Bombardement der ostukrainischen Zivilbevölkerung mit schwerer Artillerie durch von NATO-Staaten bewaffnete Kiewer Militärs und rechtsextreme Paramilitärs, all das soll es einfach nicht gegeben haben; alles nur Kreml-Propaganda. Alles rechts.

Für einen jungen Menschen, der unter diesen politischen, medialen und wissenschaftlichen Bedingungen aufgewachsen ist, dürfte es einigermaßen schwer sein, sich im Rechts-links-Koordinatensystem zurechtzufinden. Bei dieser »Umwortung aller Worte« werden augenscheinlich zentrale Inhalte des Adjektivs »links« entfernt und durch reaktionäre Inhalte ersetzt. Vor diesem Hintergrund sollten auch die verschiedenen Jugendstudien und deren politische, mediale und wissenschaftliche Thematisierung kritisch betrachtet werden. Es drängt sich der Verdacht auf, dass sich die veröffentlichte Meinung nur dafür interessiert, wie viele junge Menschen beabsichtigen, die AfD zu wählen; alles andere scheint nebensächlich zu sein, wird umgehend vergessen oder verdrängt. Und damit wird womöglich schon ein zentrales Bündel von Ursachen für Ansichten und politische Entscheidungen vieler junger Menschen ausgeblendet. Der »Extremismus der Mitte« in Politik, Medien und Wissenschaft gerät derweil zum entscheidenden Steigbügelhalter für den Rechtsruck in den gesamten europäischen Gesellschaften.

Anmerkungen:

1 https://www.freitag.de/autoren/georg-fuelberth/ukraine-krieg-haben-sich-linke-in-wladimir-putin-getaeuscht

2 Vgl. Norberto Bobbio: Rechts und Links: Zum Sinn einer politischen Unterscheidung. In: Blätter für deutsche und internationale Politik 5/1994, S. 543–549

3 Vgl. https://simon-schnetzer.com/trendstudie-jugend-in-deutschland-2024/ oder https://www.bpb.de/shop/buecher/schriftenreihe/549130/wie-ticken-jugendliche-sinus-jugendstudie-2024/

4 Vgl. https://www.tagesschau.de/wahl/archiv/2024-09-01-LT-DE-TH/umfrage-alter.shtml sowie https://www.tagesschau.de/wahl/archiv/2024-09-01-LT-DE-SN/umfrage-afd.shtml

5 Vgl. Pauline Reibe: Jung, ostdeutsch, rechts: Darum wählt meine Generation die AfD. In: Hamburger Morgenpost, 2.9.2024

6 https://www.generation-thinking.de/post/jugenwahlstudie-2024 sowie https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/studie-jugend-100.html

7 Vgl. https://collections.fes.de/publikationen/content/zoom/1210952

8 Vgl. Frankfurter Rundschau, 27.8.2024; ein Phänomen, welches auch schon in Studien seit den 1990er Jahren über sich als eher »links« verstehende Gewerkschafter bemerkt wurde, die offen für standortnationalistische und »rechte« Parolen waren. Vgl. Richard Stöss: Gewerkschaften und Rechtsextremismus in Europa, Berlin 2017, S. 25 f.

9 Thomas Petersen: Debatte über Rechtsruck. Wer jung ist, steht eher links der Mitte. In: FAZ, 20.6.2024

10 Vgl. Der Freitag, 27.6.2024

Wie ein Kriegsminister spricht

„Wir brauchen diese öffentliche Debatte, um den Ernst der Lage klarzumachen: Einerseits erleben wir durch das aggressive Auftreten Russlands eine neue Bedrohungslage in Europa, andererseits haben wir eine Fähigkeitslücke, die wir kurzfristig nur mithilfe der USA-Verbündeten schließen können, bis wir diese Waffen selbst entwickelt haben.“

Verteidigungsminister Boris Pistorius zur Debatte über die geplante Stationierung von weitreichenden US-Waffen in Deutschland. (HNA/WLZ 17.08.2024, Beilage Sonntagszeit, S. 2)

Zur Klarstellung:

1. Was bedeutet Debatte?

„Eine Debatte (von französisch débattre „diskutieren, erörtern“) ist ein Streitgespräch, das im Unterschied zur Diskussion formalen Regeln folgt und in der Regel zur inhaltlichen Vorbereitung einer Abstimmung dient.“ (Wikipedia)

Minister Pistorius meint offenbar kein klärendes Streitgespräch, sondern betreibt Propaganda für die Stationierung todbringender und weitreichender Waffen in Deutschland. Denn eine Abstimmung ist laut Besatzungsstatut („Nato-Vertrag“) nicht vorgesehen, weil dabei eine Ablehnung riskiert würde.

2. Der Ernst der Lage besteht nicht erst seit Februar 2022, als die russische Armee mit ihrer „Spezialoperation“ gegen die Ukraine begann, sondern schon seit 10 Jahren, als 2014 auf dem Kiewer Maidan der von den USA unterstützte Putsch gegen die demokratisch gewählte Regierung erfolgte und die ukrainische Armee 8 Jahre lang die russisch sprechende Bevölkerung der Regionen Donbass und Luhansk bombardierte – unter den Augen der „westlichen Wertegemeinschaft“.

3. Die neue Bedrohungslage in Europa ist seitdem das Ergebnis erfolgreicher Autosuggestion willfähriger Politiker, die – statt die Lebensinteressen ihres Wahlvolkes und ihrer Wirtschaft – die Profitinteressen von weltweiten Rüstungskonzernen sowie den weltweiten Dominanz-Anspruch der USA bedienen.

4. Die orwellsche Wortschöpfung Fähigkeitslücke ist pure Propaganda und zielt auf das positiv besetzte „zu etwas fähig sein“ und somit positive Möglichkeiten zu haben, die negativ besetzte „Lücke“ zu schließen. Diese soll mit der anstehenden Stationierung nur provisorisch und kurzfristig geschlossen werden, „bis wir diese Waffen selbst entwickelt haben.“

5. Mit dem propagandistischen wir des Ministers soll offensichtlich eine emotionale Verbundenheit von Herrschern und Beherrschten und ein Ansporn für die tüchtige Waffenindustrie ausgedrückt werden.

Fazit

Leider sind wir in Wirklichkeit offenbar schon weiter als es uns in den „Leitmedien“ weis gemacht wird. Folgendes probieren Sie bitte in Ihrem Browser zu finden, es ist eine notwendige, sehr nützliche Lektüre:

Pressenza Der 3. Weltkrieg hat bereits begonnen

6. August – notwendige Anmerkungen zum Hiroschima-Tag

Der 6. August 1945, an dem die erste Atombombe über Hiroshima gezündet wurde, bezeichnet die eigentliche Zeitenwende. Als Tag Null bezeichnet der Philosoph Günther Anders den 6. August, der ein neues Zeitalter der Weltgeschichte eingeleitet habe.

Durch die Entwicklung der Atombombe und die Bereitschaft, sie einzusetzen, habe der Mensch erstmals gezeigt, dass er alles Leben auf diesem Planeten auslöschen kann. […]“ So beginnt ein fundierter Beitrag von Ute Rippel-Lau auf Telepolis, der unter https://www.telepolis.de/features/Zeitenwende-und-Hiroshima-9822288.html verlinkt ist und ausführlich die Hölle von Hiroshima beschreibt.

Wer vielleicht hoffte, im aktuellen sich liberal verstehenden Blätterwald (z. B. Süddeutsche, Neue Züricher Zeitung, Frankfurter Allgemeine, HNA etc.) passende Meldungen zu finden, wurde zwar überwiegend enttäuscht, konnte aber bei der Berliner Zeitung fündig werden: https://www.berliner-zeitung.de/panorama/atombombenabwurf-ueber-hiroshima-erinnerung-mit-zukunft-li.375470

IPPNW-Pressemitteilung vom 05. August 2024:

Nie wieder Hiroshima, nie wieder Nagasaki: Jede Atomexplosion schadet Generationen

IPPNW fordert klares Bekenntnis gegen Atomwaffentests

Die IPPNW gedenkt der Opfer der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki und fordert anlässlich des 79. Jahrestages ein klares Bekenntnis der internationalen Gemeinschaft gegen die Wiederaufnahme von Atomwaffentests. Atomexplosionen gefährden nicht nur die Gesundheit und das Leben heutiger Generationen, sondern auch die zukünftiger.

Die Abwürfe von Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki waren nicht die einzigen atomaren Explosionen, die menschliches Leid und Umweltzerstörungen verursachten. Weltweit gab es über 2.000 Atomwaffentests, welche die Menschen in den ehemaligen Testgebieten noch heute belasten.
“Ein Blick in die Geschichte zeigt die Folgen der Atomwaffeneinsätze in Hiroshima, Nagasaki, den Marshallinseln, Kasachstan, Nevada, Algerien, Australien, Französisch-Polynesien, Lop Nor und anderswo: die Menschen leiden an Krankheiten und an den Umweltfolgen, teilweise bereits in fünfter Generation. Die IPPNW dokumentiert die Geschichten dieser Überlebenden und gibt ihnen eine Stimme. Wir fordern Gerechtigkeit für die Betroffenen und die Sanierung ihrer Regionen,” sagt Dr. Angelika Claußen, Co-Vorsitzende der IPPNW.

Aktuell droht eine Wiederaufnahme der Atomwaffentests. Berater*innen von Donald Trump stellten für den Fall einer erneuten Präsidentschaft die Idee vor, wieder Atomwaffenversuche durchzuführen. Auch das “Project 2025”, ein Manifest für eine mögliche Wiederwahl Trumps, sieht eine Wiederaufnahme der Atomtests vor.


Sollten die Vereinigten Staaten wieder Atomwaffen für Testzwecke detonieren, würde dies eine neue Ära des Leidens für Mensch und Umwelt einläuten. Die erneute Kontamination hätte massive Folgen für die Gesundheit und Lebensweise der betroffenen Bevölkerung. Zudem könnte es Russland und möglicherweise China provozieren, ebenfalls wieder Atomwaffen zu testen – was die katastrophalen Konsequenzen vervielfachen würde.

Seit 1996 gibt es ein internationales Atomtest-Moratorium, doch der Vertrag über ein umfassendes Verbot aller Atomtests konnte aufgrund fehlender Ratifikationen bisher nicht in Kraft treten. Eine Wiederaufnahme von Atomwaffentests wäre das Ende dieses Vertrages, der eine starke internationale Norm gegen Atomtests etablierte.

Derzeit halten die USA, Russland und China Teile ihrer Atomtestgelände für eine Wiederaufnahme der Tests bereit. Einige Expert*innen bezweifeln jedoch, dass eine Rückkehr zu unterirdischen Explosionen nach 30 Jahren ohne unverhältnismäßigen Aufwand machbar sei. Die USA verfügen über genügend Daten aus alten Tests, um hochpräzise Testsimulationen durchzuführen, die die Erweiterung und Modernisierung des nuklearen Arsenals ermöglichen. Russland und China führten weniger Atomwaffentests durch und investierten weniger in deren computergestützte Simulation. Für sie wäre eine Wiederaufnahme von Atomtests durch die USA eine Gelegenheit, selbst mehr Daten zu sammeln. Eine solche Entwicklung muss unbedingt verhindert werden, da die Konsequenzen für die Menschheit und die Ökosysteme verheerend wären.

Ein Verbot von Atomwaffentests ist ein Bestandteil des UN-Atomwaffenverbotsvertrags, der 2021 in Kraft trat und von knapp der Hälfte aller Staaten unterschrieben wurde.


Weitere Informationen:
IPPNW-Website zu den Geschichten von Überlebenden der Atomwaffentests: survivors.ippnw.de
„Zeitenwende und Hiroshima“, Gastbeitrag von IPPNW-Vorstandsmitglied Ute Rippel-Lau
„Geschichte zeigt: Atomwaffen sind keine Sicherheitsgarantie“, Gastbeitrag von IPPNW-Mitglied Rolf Bader

Sehr beeindruckende Dokumentation über den Gebrauch von Atombomben:

https://www.spiegel.de/geschichte/atomare-wuesten-im-niemandsland-der-strahlenkatastrophe-a-947157.html#fotostrecke-2d9178f7-0001-0002-0000-000000107025

https://www.ippnw.de/startseite/artikel/de/nie-wieder-hiroshima-nie-wieder-nag.html

dpa_7420995_atombombe_hiroshima

Immer noch aktuell: Text des Kasseler Friedensforums 2023

Am 6. August 1945 warf ein US-Kampfbomber über Hiroshima die erste Atombombe ab. Nur drei Tage später, am 9. August, folgte der Abwurf einer Plutoniumbombe auf Nagasaki.

In Hiroshima waren in einem Umkreis von einem halben Kilometer 90% der Menschen sofort tot. Es folgten eine ungeheure Druckwelle und Feuerstürme mit 250 km/h, mit Bodentemperaturen von 1000º C. Bereits nach 4 Monaten waren an den unmittelbaren Folgen in Hiroshima 136.000 und in Nagasaki 64.000 Menschen gestorben. Und das Leiden und Sterben ging und geht weiter…..

Haben die Menschen aus der Atombombenkatastrophe gelernt?

Nein! Die neun Atomwaffenstaaten, an der Spitze Russland und die USA, verfügen weiterhin nach Stand Anfang 2023 über 12512 Nuklearwaffen. Die Verpflichtung zur Abrüstung, die sich aus dem Atomwaffensperrvertrag ergibt, hat sich ins Gegenteil verkehrt. Das atomare Wettrüsten ist im vollen Gang. Die wachsende Rivalität der Großmächte, offene Drohungen sowie das Risiko eines technischen oder menschlichen Versagens, lassen das Schlimmste befürchten.

Ja! Am 8. Juli 1996 hat der Internationale Gerichtshof festgestellt, dass die Androhung und der Einsatz von Atomwaffen völkerrechtswidrig sind.

Am 26. März 2010 forderte der Bundestag fraktionsübergreifend die Bundesregierung auf, sich für den Abzug der in Büchel/Eifel verbliebenen US-Atombomben einzusetzen.

Nein! Dieser Beschluss wurde bis heute von keiner Bundesregierung umgesetzt. Die Modernisierung dieser Atombomben wird sogar von der Bundesregierung mit erheblichen finanziellen Mitteln unterstützt.

Ja! Am 7.Juli 2017 beschlossen 122 der 193 UN-Mitgliedsstaaten einen Vertrag zum Verbot von Atomwaffen. Dieser trat am 22. Januar 2021 in Kraft. Bis September 2022 haben den Vertrag 91 Staaten unterzeichnet und 68 ratifiziert.

Nein! Die Bundesregierung hält daran fest, sich an der nuklearen Drohung der US-Amerikaner zu beteiligen, was als „nukleare Teilhabe“ bezeichnet wird. Das bedeutet: Kein Beitritt zum Atomwaffenverbots-Vertrag, Kauf von atomwaffenfähigen F 35-Kampfjets.

Zusätzlich einigten sich Deutschland, Frankreich und Spanien am 18.11.22 endgültig auf das Luftkampfsystem (FCAS), bestehend aus Kampfjets und Drohnen. Das Projekt wird durch unterschiedliche Interessen der beteiligten Rüstungskonzerne verzögert.

Ja! Die Stadtverordnetenversammlung Kassel beschloss am 20. Mai 2019, den ICAN-Städte-Appell zu unterstützen. Dieser Appell sollte den Druck auf die Bundesregierung erhöhen, den UN-Vertrag zum Atomwaffenverbot zu unterschreiben.

Nochmal Ja! Wir werden uns weiter einsetzen: Für den Abzug der US-Atombomben in Büchel/Eifel, für das Verbot von Atombomben, für Abrüstungsverträge, für eine Welt ohne Atomwaffen.

https://www.kasseler-friedensforum.de/755/vortraege/Nichts-gelernt-Atombombenabwuerfe-auf-Hiroshima-und-Nagasaki

Selbstverbrennung oder Kampf

Manuel Zimmermann: Wie ich Atomkraft-Gegner wurde und arbeitete

Es muss an einem Wochentag im April 1970 gewesen sein. Seit Februar unterrichtete ich in Kassel an der Möncheberg-Schule, einer Sonderschule, als „Außerplanmäßiger Lehrer“ (Apl.-Lehrer), wie damals die zweite Phase der Lehrer-Ausbildung hieß, und fuhr am Wochenende immer noch nach Gießen, wo ich bisher studiert und anschließend drei Semester als Forschungsassistent1 gearbeitet hatte, denn die Suche nach einer neuen Wohnung gestaltete sich schwierig. Ich hatte es wohl eilig, als ich den unteren Teil der Ludwig-Mond-Straße in Richtung Frankfurter Straße eilte, weil ich zur Mittagszeit kurz vor zwei an der Kreuzung ein preiswertes Restaurant aufsuchen wollte.

Da kam mir mit großen Schritten Hartmut Gründler entgegen. Wir hatten uns 13 Jahre zuvor in Imshausen bei Bebra freundschaftlich kennengelernt. Als wir uns gegenseitig erkannten begrüßten wir uns freudig. Hatte ich doch bis dahin kaum Bekannte in Kassel, und mir war er noch von Imshausen her überaus angenehm in Erinnerung, wo er Ostern 1957 vorher sogar bei meiner Verabschiedung (Foto) dabei war. Wie lange Hartmut dort war, weiß ich nicht. Vermutlich hat er sich ein Jahr lang als eine Art Praktikant um die Jungengruppe verdient gemacht. In seinen Biografien fehlt diese Zeit. Auf dem Foto, das mein Stiefvater damals von der „Abschiedszeremonie“ auf der Terrasse des Herrenhauses derer von Trott vor dem Rosenbeet machte, steht Hartmut mit seiner markanten Intellektuellen-Miene im Hintergrund am Türrahmen.

Meine Freude über die Begegnung war also enorm und ich schlug ihm vor, mit ins nahegelegene Restaurant zu kommen, um uns etwas über die inzwischen verstrichene Zeit zu erzählen. Zu meiner Enttäuschung lehnte er dies Ansinnen rigoros ab und erklärte mir, dass er gar keine Zeit habe, weil er sich mit einigen Leuten verabredet habe. Es gehe um Würgassen, sagte er. Auf meine Ahnungslosigkeit antwortete er etwa mit den Worten „Dort wird ein Atomkraftwerk gebaut. Das ist furchtbar gefährlich, für die gesamte Menschheit. Dagegen muss man unbedingt etwas tun!“, und verabschiedete sich schon. Aha, Würgassen also. Davon wusste ich nichts. Das liegt im östlichsten Westfalen an der Weser etwa 35 Kilometer nördlich von Kassel.2 Und ich hatte täglich meinen Nahkampf mit Schülern zu bestehen.

Obwohl in jener Zeit schon einige Jahre SPD-Mitglied und nun auch in Kassel politisch engagiert, war mir das Thema Atomenergie bis dahin kaum untergekommen. Als Schreiner, der auf dem Zweiten Bildungsweg Abitur gemacht und es nun bis zum Lehrer gebracht hatte, war ich natürlich auf soziale Ungerechtigkeiten und Bildungspolitik, die damals vor allem in der Auseinandersetzung um die Gesamtschule bestand, abonniert.

Im November 1977, als ich dann bei Frankenberg in Frankenau-Ellershausen gerade eine alte Mühle zum neuen Familienwohnsitz ausbaute, erfuhr ich aus Zeitung, Radio und Fernsehen von Hartmuts Selbstverbrennung, die er als letztes Mittel in seinem mittlerweile jahrzehntelangen Kampf gegen die Lügen und Verheimlichungen in der bundesdeutschen Atompolitik einsetzte. In der Zwischenzeit – damals noch Lehrer in Kassel – war ich aus der SPD ausgetreten, weil mich der Verrat an Idealen in der Partei empörte3. Aber ich hatte in ihr ein nützliches Instrument für öffentliche Auseinandersetzungen kennengelernt, von dem ich wusste, wie es gut funktioniert, wenn man Verbündete findet.4 Mir schien, Hartmut hätte besser nicht nur außerhalb sondern auch in dieser großen Organisation für seine Überzeugungen und gegen die Atompolitik des Bundeskanzlers Helmut Schmidts kämpfen sollen.5 6

Ziemlich genau fünf Jahre später – ich unterrichtete in Frankenberg/Eder, war seit einiger Zeit Mitglied in der „Bürgerinitiative Umweltschutz Frankenberg“ (BIUF) und hatte gerade das über alle Bereiche der Atomenergie informierende Buch „Friedlich in die Katastrophe“7 von Holger Strohm gelesen – hieß es Anfang Dezember 1981, im Wald bei dem nahen Bergdorf Wangershausen, einem Stadtteil von Frankenberg, solle eventuell eine Wiederaufarbeitungsanlage (WAA) gebaut werden.8 Dass diese in Wahrheit eine Plutoniumfabrik war, wusste ich aus dem Buch, wie politische Willensbildung funktioniert und wie eine wirksame Pressearbeit gemacht werden muss, aus der SPD. Dies Wissen nutzte ich dann in der BIUF für den Kampf zur Verhinderung der WAA.

Geschickt hatte die Landesregierung nämlich Wangershausen als einen von zwei möglichen Standorten benannt, sodass in den BI-Diskussionen zunächst manche die endgültige Standort-Entscheidung abwarten wollten. Am Anfang, also kurz nach der ersten Nachricht vom 2. Dezember 1981, derzufolge bei Wangershausen ein WAA-Standort geplant sei, rief ich nach dem von mir angestrebten BI-Beschluss zum Widerstand noch am selben Abend einen mir aus meiner Kasseler Zeit bekannten Mann einer Kollegin, der als Journalist für dpa und Hessischen Rundfunk arbeitete, an und am übernächsten Tag war die Meldung hessen- und bundesweit bekannt. So wurde ich BI-Pressesprecher, folglich auch der Koordinationskonferenz aller rasch dazu kommenden BIs.

Denn ich wusste aufgrund meiner Erfahrungen als mehrfacher Studentenfunktionär und mehrjähriges aktives SPD-Mitglied, dass nur offenstehende politische Entscheidungen beeinflusste werden können, und zwar mit einer unkalkulierbar großen Zahl an Wählerstimmen, nicht aber durch einen Märtyrer-Tod.

Als Grundlage des Widerstandes musste jedenfalls die kompetente Information der ansässigen Bevölkerung organisiert werden. Das haben Studienrat Gerhard Kalden und der Referendar Kurt-Willi Julius in der Advents- und Weihnachtszeit 1981/82 mit Info-Abenden in den Ortschaften des Frankenberger Landes zum Thema „Was ist eine WAA“ so erfolgreich gemacht, dass sich jedesmal eine BI konstituierte und die neu gewonnenen Kenntnisse weiter vermittelte. So entstanden bis zu Beginn der Sommerferien 1982 schließlich 32 Bürgerinitiativen9 gegen die WAA rings um Wangershausen – auch über die Landesgrenze zu NRW – deren Sprecher ich geworden war.

Dieser furiose Start führte dazu, dass die Medien uns stets wohlgesonnen waren und einfallsreich über die von Anfang an phantasievollen Demonstrationen mit Teilnehmerzahlen von 5.000 bis 12.000 WAA-Gegnern berichteten. Das Ergebnis war höchst effektiv10. Sicher im globalen Maßstab nur etwas klein. Vielleicht hätte ich mich weiterhin und noch professioneller in den Widerstand gegen die Atompolitik einbringen sollen. Immerhin war es doch ein Erfolg für die zig-tausend Menschen in den Bürgerinitiativen – ohne Selbstverbrennung und ohne gewaltsame Aktionen.

Wir alle waren überzeugt, uns erfolgreich in die große Politik eingemischt und geholfen hatten, den Mächtigen zunächst ein ihnen wichtiges Projekt aus der Hand geschlagen zu haben: „Die FDP, die auf Bundesebene die sozialliberale Koalition bereits aufgekündigt hatte, scheiterte mit 3,1 % an der Fünf-Prozent-Hürde, SPD und Grüne erzielten zusammengerechnet zwar über 50 % der abgegebenen Stimmen, eine Zusammenarbeit kam aber für beide Parteien (noch) nicht in Frage. Daher gab es im Hessischen Landtag keine regierungsfähige Mehrheit. Der bisherige Ministerpräsident Holger Börner stand bis zur Selbstauflösung des Landtags und den vorgezogenen Neuwahlen im September 1983 einer geschäftsführenden Landesregierung vor.“ (Wikipedia)

Mein Name landete daraufhin offensichtlich auf einigen schwarzen Listen der Atom-Lobby. Dies will ich vorsichtshalber als Arbeitshypothese bezeichnen, um einige, meine existenziellen Möglichkeiten beeinträchtigenden Merkwürdigkeiten in meinem weiteren Lebenslauf zu erklären. Zu dieser Lobby darf zweifelsohne die FDP gerechnet werden. Denn schon bald nach Beginn unserer Anti-WAA-Kampagne erhielt ich aus absolut sicherer Quelle11 die Information, dass mein Name an erster Stelle auf einer rot umrandeten BI-Liste des hessischen Innenministers gegen die WAA in Wangershausen stand. Der Innenminister war damals Ekkehard Gries von der FDP. Dieselbe Partei stellte damals auch den Minister für Wirtschaft und Technik, Klaus-Jürgen Hoffie. Dieser hatte im April 1982 die Chuzpe, sich in der überfüllten Sachsenberger Festhalle einer Podiumsdiskussion „Pro und Kontra WAA“ zu stellen, in der er sich – konsequent seinem Parteiprogramm folgend – bedingungslos für die Nutzung der Atomkraft aussprach und sich mit seiner faktischen Unkenntnis bis auf die Knochen blamierte.

Denn die Menschen im Publikum hatten sich im Laufe der vorangegangenen fünf Monate selbst sachkundig gemacht, waren entweder nach Karlsruhe in die (damals defekte) Versuchs-WAA gefahren oder hatten sich durch Fachbücher und den Besuch einschlägiger Vorträge kundig gemacht. Hoffie aber konnte kaum die verschiedenen Radioisotope und deren Strahlung auseinander halten, wollte aber das demokratische Mandat als Berechtigung für höchst riskante Technologie-Entscheidungen ins Feld führen. Als ich ihn in der bis auf den letzten Platz gefüllten Halle fragte, wie er denn mit seinem vierjährigen Mandat beispielsweise die Erzeugung von Plutonium mit dessen Halbwertszeit von 24.000 Jahren verantworten wolle, applaudierte der ganze Saal und ihm fiel keine Antwort ein.

Für die Standortentscheidung der hessischen Landesregierung für Frankenberg-Wangershausen am 21. Juli 1982, kurz nach Ferienbeginn, waren wir Bürgerinitiativen deswegen gut vorbereitet, weil wir sie schon zuvor durch unsere informationelle Infrastruktur kannten. Für die Vorbereitung der für den folgenden Samstag geplante Großdemo hatten wir eine Telefonkette eingerichtet.

Hartnäckig hielt die FDP, im Gegensatz zu SPD und CDU (die beide auf lokaler Ebene der Errichtung einer WAA nur dann zustimmen wollten, wenn die absolute Sicherheit garantiert wäre) in der Auseinandersetzung um die WAA an ihrer Nibelungentreue zur Atom-Lobby fest. Nur die noch nicht im Landtag sitzenden GRÜNEN waren radikal gegen Atomkraft. Folgerichtig bekam die FDP bei der hessischen Landtagswahl im Herbst 1982 keine fünf Prozent der Stimmen12, auch ausgerechnet in ihrer bisherigen Hochburg, dem Frankenberger Land. SPD-Mann Holger Börner hatte keinen Koalitionspartner mehr und musste über ein Jahr lang ohne Mehrheit regieren, bis er dann nach der Neuwahl Anfang 1984 mit den Grünen und Joschka Fischer koalierte, weil die FDP auch da wieder nicht im Landtag saß.

https://de.wikipedia.org/wiki/Landtagswahl_in_Hessen_1982#Ausgangssituation

An dieser Konstellation hatte ich fleißig mitgewirkt. In der Folgezeit engagierte ich mich zunächst bei der lokalen SPD und später bei den Grünen des Kreises Waldeck-Frankenberg, deren Sprecher ich bald darauf wurde. Währenddessen begann sich meine Ehe und somit die Familie aufzulösen und ich musste zwangsläufig Anwälte zu Rate ziehen.

Es gilt als offenes Geheimnis, dass die FDP vor allem eine Klientel-Partei mit einem überproportional hohen Anteil an freiberuflichen und beamteten Juristen ist. Diese unterstützen selbstverständlich die Verwirklichung des Parteiprogramms wo immer es geht, offen parlamentarisch oder unterschwellig durch entsprechende Beratung und/oder richterliche Beschlüsse. Jedenfalls betrieb diese Partei den programmatisch unbedingten Atomkurs und es entstand in meinem Fall durch die für mich negative Beratung einer Rechtsanwältin mit FDP-Parteibuch, die mich in Sachen Ehescheidung vertreten und beraten sollte, ein lebenslang finanzieller Schaden.13

Fazit

Mein intuitives Bestreben, mich mit meinen Kenntnissen für eine gute und richtige Sache einzusetzen, und mein Ehrgeiz, es besser oder wirksamer zu machen als Hartmut Gründler, brachten mich zwar in enorme Schwierigkeiten, aber doch nicht um. Allerdings hatte sich Hartmut ja gegen die Atompolitik als Ganzes engagiert, wohingegen ich ja nur lokal gegen einen Teil dieser lebensfeindlichen Technik kämpfte – und gewann. Ob beziehungsweise inwiefern mafiöse Strukturen in der FDP bestehen, die besonders in akademischen, beziehungsweise hier: juristischen Institutionen wirksam werden, müsste mal gründlich untersucht werden. Ob diese 5-Prozent-Partei, die inzwischen wieder in der Bundesregierung sitzt, immer noch diesen Einfluss hat, kann zwar bezweifelt werden, ist aber sehr wahrscheinlich.

1Im Studienfach Sozialkunde bei Prof. Wolfgang Hilligen und dem Deutschen Institut für internationale pädagogische Forschung (DIPF) in Frankfurt am Main an einem Projekt der UNESCO über Social Studies in Ten Countries.

2Das AKW Würgassen war in Deutschland das erste kommerzielle, wurde nach mehreren Pannen nach relativ kurzer Laufzeit am 14. 4. 1997 stillgelegt und befindet sich auch als erstes im geplanten Rückbau, d.h. man sammelt Erfahrungen mit dem Abreißen eines kompletten Meilers. Ein überregionales Bündnis aus Gemeinden und Bürgerinitiativen verhinderte 2023, dort ein Sammellager für schwach- und mittelstark strahlenden Atommüll einzurichten.

3Stichwort Radikalenerlass

4Es wäre zu untersuchen, wie in einer Partei Verbündete gesucht und gefunden werden. Anfangs geht es nach meinen Erfahrungen meist um – zumindest vorgebliche – Inhalte, dann wird ein Beziehungs-Netzwerk geknüpft, aus dem sich dann auch eine Seilschaft entwickeln lässt. Netzwerk wie Seilschaft sind sodann dazu da, zunächst Funktionsstellen und später politische Ämter zu übernehmen.

5Dass ich das selbst später auch nicht machte, aber trotzdem einen Erfolg verbuchen konnte, hatte mit Insiderkenntnissen zu tun!

6https://taz.de/Gedenken-an-Anti-Atom-Aktivist/!5952548/

7Sein Film von 2012 mit vielen interessanten Interviews und Zusatz-Informationen: https://www.youtube.com/watch?v=wgfYlBaf95o

8Wie mir später Hans Papenfuß, ein damaliges Mitglied der „BIUF“ erzählte, soll es sich damals um einen Test seitens der Atomwirtschaft sowie der Politik gehandelt haben, wie denn die Bevölkerung auf ein solches Vorhaben reagiere. Das habe ihm später ein bekannter Fernseh-Journalist gesagt. Denn natürlich fehlen in der hiesigen Bergregion ebenso wie beim darauffolgenden Wackersdorf unerlässliche Voraussetzungen für eine solche Wiederaufarbeitungsanlage atomarer Brennstäbe, als da wären unerschöpfliche Wasser-Ressourcen, die für die Kühlung gebraucht würden. Die aber stehen ja an der Küste, wie dem französischen La Hague und dem britischen Sellafield ebenso zur Verfügung wie bei der japanischen WAA Rokkasho.

9Auch Hartmut Gründler hatte Verbündete, hat sich ja in Bürgerinitiativen engagiert, sie oft sogar selbst ins Leben gerufen. Nach meiner Erfahrung bilden sich BI’s entweder für oder gegen etwas. Sind sie für etwas, dann braucht es eine gleichmäßige, überzeugende Kontinuität, eine standfeste Struktur, die sich – wie etwa bei Greenpeace oder dem BUND – institutionalisieren kann. Sind sie gegen etwas, dann braucht man ein konkretes Ziel, einen konkreten Gegner für die Empörung, dessen Entscheidung beeinflusst werden soll. Und dann braucht es ein öffentlichkeitswirksames Auftreten, das nicht ignoriert, verniedlicht oder lächerlich gemacht werden kann. Mit unseren Demos von 5000 bis 12.000 bodenständigen Demonstranten schafften wir es bis in die Nachrichtensendungen des Fernsehens, sogar der Schweiz und Dänemarks.

10Als „Öffentlichkeitsarbeiter“ nutzte ich bei Presseerklärungen und und Interviews meine Vorteile, denn ich kannte unsere Gegner und deren Ideologie. Regierungschef Holger Börner stammte, ebenso wie mein oberster Dienstherr Kultusminister Hans Krollmann, aus Kassel. Letzterer war während meiner Kasseler Zeit sogar im selben SPD-Ortsverein wie ich. Und Börners Ministerin für Bundesangelegenheiten Vera Rüdiger, frühere Politik-Dozentin, hatte mich während meines Studiums in Gießen, wo ich zweimal maßgeblich an Studentenstreiks für eine Gesamtschullehrer-Ausbildung beteiligt war, kennen und respektieren gelernt.

11Es bildete sich rasch eine informelle, höchst effektive Infrastruktur, zu der auch ein guter Bekannter gehörte, der für die damalige Bundespost in Wiesbadener Regierungsbüros Telefonleitungen installierte…

12Hinzu kamen zugegebenermaßen auch die Auseinandersetzungen um die Startbahn 18 West sowie um den Vogelsberger Wasserraub der Frankfurter Industrie. In jenem Herbst machte sich die FDP auch auf Bundesebene unbeliebt, als ihr Vorsitzender Außenminister Genscher den SPD-Kanzler Helmut Schmidt im Stich ließ und mitsamt deren meisten Bundestagsabgeordneten zu Helmut Kohl (CDU) wechselte.

13In diesem Ehescheidungsverfahren gab es bis in die zweite Instanz hinein so eine Menge unglaublicher, von Anwälten, Behörden und Gerichten zugelassenen und auch gedeckten Betrügereien, die in der Häufung unglaublich und nicht zufällig sein können. Nach knapp 20 Jahren Prozessdauer habe ich im Sinne meines Bedürfnisses nach seelischer Hygiene von der diesbezüglichen, mühevollen Dokumentation abgesehen.