Deutscher Alltag: Die Angst beim unerwartet schweigenden Friseur

Seit dem Umzug in die Kreisstadt lasse ich mir die grauen Haare regelmäßig vom selben Haarkünstler bearbeiten. Er ist gebürtiger Syrer und war damals Angestellter eines Salons, in dem außer ihm nur Friseurinnen arbeiteten. Natürlich bevorzuge ich prinzipiell in dieser Angelegenheit einen Mann. Da ich als Lehrer im Ruhestand schon in mehreren Integrationskursen zahlreiche Geflüchtete unterrichtet hatte, kamen wir von Anfang an ins Gespräch.

Er kam vor etwa elf Jahren, hatte keinen Integrationskurs, brachte sich online selbst Deutsch bei, fing an zu arbeiten und zeigte sogar in meinem Beisein der Praktikantin einer Schule, was eine Façon-Frisur für Herren ist. Wir diskutierten jedes Mal über Bürokratie und seine zukünftigen Möglichkeiten. Eine Meisterprüfung wäre leider zu teuer. Auch die jeweilige politische Situation kam zur Sprache. An einem Sonntag begrüßte er mich fröhlich in einem Freizeit-Park, als er mit einem anderen an mir und meiner Frau, die wir auf einer Bank saßen, vorbei kam.

Mittlerweile hat sich der syrische Frisör mit einem eigenen Salon selbständig gemacht. Sehr aufwändig und ansprechend eingerichtet, nahe der Fußgängerzone mit vielen Kundinnen; zwangsläufig Terminvereinbarung!

Also dieses Mal fragte ich, da ja der Nah-Ost-Konflikt, auch die Bomben auf iranische Atomanlagen und Israels Gaza-Krieg ungeahnte Opferzahlen ergaben, was er davon halte. „Dazu sage ich nichts. Dann sage ich auch nichts Falsches!“ war seine Antwort.

Offenbar war mein Friseur aus dem Iran nun auch im ängstlichen Alltag der deutschen Gegenwart angekommen. Schließlich gehört er zu einer Risikogruppe und möchte wahrscheinlich – anders als wir „Normalos“ seinen Aufenthaltsstatus behalten.

Die Meinungsfreiheit, die Angst und der Mut

Gletscherblicke im Ötztal …

Da hatten wir doch 2024 aus Anlass des 300 Jahre zuvor geborenen Philosophen und wichtigsten Aufklärers ein ganzes Jahr lang kluge Ansprachen mit allerlei Zitaten und Diskussionen genossen. „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“ gilt als der auf Immanuel Kant zurückgehende Leitspruch jener Aufklärung, den er in seinem 1784 veröffentlichten Aufsatz „Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?“ formuliert hatte.

Aktuell ist im Lande Kants wirklich Mut nötig, wenn sich aus den Meldungen der öffentlich-rechtlichen Kanäle und der sich als Leitmedien verstehenden Presseorgane Meinungen ergeben, die hochoffiziell unerwünscht sind.

Da wird schon mal eine Demo verboten, deren Initiatoren sich gegen den israelischen Gaza-Krieg wenden, weil damit „Antisemitismus“ verbreiet werde. Da haben doch viele Angst, trotzdem für ihre Meinung zu demonstrieren und vielleicht im Knast zu landen.

Oder der Vorwurf, ein „Putin-Versteher“ und ein Befürworter von dessen „brutalem Angriffskrieg“ zu sein, ereilt eine Zeitgenossin bzw. einen Zeitgenossen, wenn er oder sie meint, die Regierung der Ukraine sei vor 2022 mit ihrem Streben in die NATO nicht ganz unschuldig gewesen und habe Russland gar provoziert.

Wozu taugt dann noch die garantierte Meinungsfreiheit? Man darf einfach keine Angst zeigen, meint meine Frau, die 40 Jahre DDR-Regierung erlebt hat.

„Mut, auch Wagemut oder Beherztheit, bedeutet, dass man sich traut und fähig ist, etwas zu wagen, das heißt, sich beispielsweise in eine gefahrenhaltige, mit Unsicherheiten verbundene Situation zu begeben. Diese kann eine aktivierende Herausforderung darstellen wie der Sprung von einem Fünfmeterturm ins Wasser oder die Bereitschaft zu einer schwierigen Prüfung. Sie kann aber auch in der Verweigerung einer unzumutbaren oder schändlichen Tat bestehen.“ (Wikipedia)

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
Art. 5 

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Ankündigung: Kinodokumentarfilm Walter Kaufmann – Welch ein Leben!

Ein bewegendes Zeitdokument…

… ist zu erleben im Rahmen des Kommunalen Kinos „Der besondere Film im September“, jeweils mit Einleitung durch die Regisseurin Karin Kaper und ein anschließendes Filmgespräch:

Am Dienstag dem 9.September 2025 um 19 Uhr in der Wandelhalle von Bad Wildungen-Reinhardshausen. Außerdem gibt es am 9.9.25 schon um 10.30 Uhr eine Schulvorführung.

„Der Film über Walter Kaufmann ist mehr als nur gelungen, er ist ein großartiges und bewegendes Zeitdokument, das von dem greisen Duisburger und Berliner Schriftsteller noch selbst besprochen wird. Es wirkt wie ein Wunder, wenn der fast 100jährige durchs Bild läuft und seine Erinnerungen und die Stationen seines ungewöhnlichen Lebens professionell kommentiert. Dezent und stilsicher begleitet die Filmmusik die Bilder, ein großer Film über den Schriftsteller, Seemann und Weltbürger.“ freute sich Thomas Becker in der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung.

Und Landolf Scherzer staunte in Ossietzky: „Was für ein Film! Die Filmemacher Karin Kaper und Dirk Szuszies beherrschen meisterhaft, die Fakten des Lebens von Walter Kaufmann geschickt zusammenzusetzen und kunstvoll in Bildern zu gestalten. Der Film besticht nicht nur durch die lebendigen Originalinterviews mit dem 97jährigen, sondern auch durch historische Zeitaufnahmen und eindrucksvolle Landschaften von den Orten seines Lebens. Ein bewegender Film. Weltgeschichte. Deutsche Geschichte.“

„In ehrendem Gedenken an Walter Kaufmann, der am 15.4.2021 im Alter von 97 Jahren in Berlin gestorben ist.“ so die Filmemacher.

Und weiter: „Schillernder als jedes Drehbuch ist das Leben von Walter Kaufmann. Er setzt mit seinem Leben ein nachwirkendes Zeichen gegen jede Form von Rechtsruck, Rassismus und Antisemitismus, die wieder bedrohliche Ausmaße in unserem Land angenommen haben. Der Film ist ein Appell an uns Lebende, die elementaren Menschenrechte und demokratischen Errungenschaften entschlossen zu verteidigen.

Der Film beleuchtet das Leben des jüdischen Schriftstellers Walter Kaufmann, dessen Eltern in Auschwitz ermordet wurden, und der selbst durch den Kindertransport nach England gerettet wurde. Romanautor, Seemann, Korrespondent und politischer Aktivist: Im Leben des in Berlin geborenen und im Alter von 97 Jahren gestorbenen Walter Kaufmann spiegeln sich auf einzigartige Weise historisch bedeutende Ereignisse wieder.

Er war ein Mann, der die Welt, begreifen, beschreiben, verändern wollte. Nach langen Jahren des Exils in Australien entschied er sich 1956 bewusst für ein Leben in der DDR. Dank seines australischen Passes, den er zeit seines Lebens behielt, bereiste er als wahrer Kosmopolit die ganze Welt. Der Film folgt seinen wesentlichen Lebenslinien: den katastrophalen Folgen des Nationalsozialismus, der Bürgerrechtsbewegung in den USA, dem Prozess gegen Angela Davis, der Revolution in Kuba, den Atombombenabwürfen in Japan, der unendlichen Geschichte des israelisch-palästinensischen Konfliktes, dem Zusammenbruch der DDR. Alles Themen, die uns bis heute beschäftigen.

Im Film wird auf imponierende Weise deutlich, wie Walter Kaufmann bis zu seinem letzten Atemzug gegen den erschreckenden Rechtsruck, sowie zunehmenden Rassismus und Antisemitismus unserer Tage kämpfte.

Der Film verwebt eindrucksvoll biografische Berichte, historische Aufnahmen, private Briefe und literarische Texte zu einem bewegenden Zeitdokument. Er beleuchtet zentrale Themen wie Exil und Identität, Verfolgung und Überleben, politisches Engagement, persönliche Verantwortung sowie Versöhnung und stellt zugleich immer wieder die Frage, was Geschichte heute mit uns zu tun hat. Ein berührendes Porträt eines außergewöhnlichen Menschen, ein wichtiger Beitrag im Rahmen lebendiger Erinnerungskultur.“

Weltpremiere Jüdisches Filmfestival Berlin Brandenburg August 2021; Dokumentarfilmwettbewerb Filmkunstfest Schwerin September 2021; Öffentliche Präsentation Leipziger Filmkunstmesse September 2021

http://www.walterkaufmannfilm.de

Wer hat denn das erdacht: Israel als Kolonialmacht

Deutsche „Staatsraison“ unterstützt Israel wo es kann. Veröffentlichte Kritik an der genozidalen Tötung unschuldiger Palästinenser im Gaza-Krieg, insbesondere verhungernder Kinder wird seitens deutscher Amtsinhaber konsequent irreführend als „antisemitisch“ denunziert und auch strafrechtlich verfolgt. Zu israelischen Bomben auf iranische und syrische Ziele schweigen deutsche Dienststellen. Kommentare in deutschen „Leitmedien“ sind zurückhaltend bis verständnisvoll.

Das 1949 durch einen einjährigen Krieg gegen die arabischen Einwohner entstandene und von der UNO anerkannte Israel befand sich seitdem in 13 Kriegen gegen arabische Staaten:

https://de.frwiki.wiki/wiki/Liste_des_guerres_d%27Isra%C3%ABl

Bereits seit der Staatsgründung wurden Ideen zur Erweiterung des Staatsgebietes zu offiziellen Zielen der Regierungspolitik. Dafür nutzte man die religiösen und politischen Spannungen zwischen den muslimischen Staaten in der ganzen Region Nahost, wie der Artikel „Von Damaskus bis Gaza: Die Doktrin der Vorherrschaft Israels hat einen grundlegenden Fehler“ belegt:

Die in diesem Artikel erwähnten „Abraham Abkommen“ von 2020, deretwegen die arabischen Staaten anscheinend so zurückhaltend sind, haben natürlich eine lange diplomatische Vorgeschichte:

https://de.wikipedia.org/wiki/Friedensvertrag_zwischen_Israel_un

Daraus: „Die neue Ordnung besagt, dass man nicht auf die 

Palästinenser warten muss, um Frieden zu schließen. Dieses Abkommen bringt die arabischen und muslimischen Länder näher an uns heran, die eine geschlossene Front gegen den Iran gebildet haben.“

– Benjamin Netanjahu: laut Arutz Sheva[6]

Die wirtschaftlich Zusammenarbeit mit den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) umfasst Finanzen, eine Freihandelszone und militärische Unterstützumg bis hin zur Lieferung von Militärflugzeugen.

Wo war die engagierte Christenheit?

Sogar die de facto gleichgeschaltete Presse der Leitmedien verschweigt nicht die alltäglich sich anhäufenden entsetzlichen Opferzahlen, die in dem Vernichtungskrieg Israels gegen zivile Palästinenser gemeldet werden. Dagegen sind am Samstagnachmittag in diesem Frühsommer in Kassel lediglich 200 Menschen auf die Straße gegangen, um ihren Protest und die Forderung nach Frieden zum Ausdruck zu bringen. So wenige?

Zwar war der offizielle Veranstalter die Islamische Religionsgemeinschaft Hessen (IHR), aber im Großraum Kassel beziehungsweise Nordhessen gibt es doch bestimmt mehrere tausend Menschen, die sich zu diesen Demonstrationszielen hätten anschließen können. Vom Friedensforum scheinbar keine.

Sowohl der Kern des Christentums (alle Menschen sind vor Gott gleich sowie: liebe deine Feinde) als auch der des Liberalismus (der Mensch ist frei geboren) wie des Sozialismus enthält die Botschaft von der Gleichheit und der Würde des Menschen. Fühlen die sich alle nicht betroffen? Haben die kein Mitgefühl angesichts der vorsätzlich von Israel erzeugten Hungerkatastrophe und der an Essensausgaben Erschossenen? Und letzte Frage: Waren so viele an den Badeseen, oder bei den Schützenfesten?

Immerhin berichtete die HNA journalistisch sehr akkurat:

https://www.hna.de/kassel/200-teilnehmer-demonstrierten-am-samstag-in-kassel-gegen-gaza-krieg-93808405.html

Praxis und Theorie für politische Bildung

Diplomatie bedeutet Konfliktlösungen zu finden, indem unterschiedliche Interessen zum gegenseitigen Nutzen mit Argumenten ausgeglichen werden. Amerikas Präsident Donald Trump, gelernter Immobilien-Makler, nutzte dafür plakativ den Begriff Deal. Das Erörtern, Verhandeln und Argumentieren anstatt Drohung oder Anwendung von Gewalt soll bei uns schon in der Schule von der künftigen Elite gelernt werden.

T&T – Tarnen und Täuschen ist aber – wie wir jüngst von Ex-Kanzlerin Merkel im Zusammenhang mit der Aufrüstung der Ukraine durch den „Wertewesten“ belehrt wurden – offensichtlich die gegenwärtige Richtschnur für die politische Elite westlicher Prägung. Annalena Baerbock gar, als Außenministerin die oberste deutsche Diplomatin der Ampel-Regierung, drohte Russland im Ukrainekrieg an, es zu ruinieren.

Wie mit der zehnjährigen Inszenierung des Normandie-Formats über das längerfristige Ziel, die Ukraine für die NATO zu gewinnen, Russland getäuscht wurde, bis Putin sich das Verhandlungs-Kasperletheater nicht mehr gefallen ließ und einmarschierte, so arbeitete auch der als Friedensbringer angetretene amerikanische Präsident gegenüber dem Iran. Argumente, angebotene Deals nach dem ersten israelischen Bombardement, zwei Wochen Entscheidungsfrist – alles nur Finten der Amerikaner zur Ablenkung von der geheim gehaltenen Vorbereitung zum Einsatz der gewaltigsten konventionellen Bomben. Ausführlich, geradezu bewundernd beschrieben von der Süddeutschen Zeitung:

https://www.sueddeutsche.de/politik/news-aktuell-usa-angriff-iran-oelpreis-trump-li.3272797?sc_src=email_4300186&sc_lid=413898223&sc_uid=Rz0cmOy6oS&sc_llid=15434&sc_eh=

Dass der vormalige Black-Rock-Vorstandsvorsitzende und derzeitige deutsche Bundeskanzler mit seiner bewundernden Decksarbeit-Äußerung sich über Israels Bombardierung iranischer Atomanlagen freute, hat immerhin heftige Kritik in Deutschland verursacht:

https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/nach-drecksarbeit-aussage-didi-hallervorden-erstattet-strafanzeige-gegen-friedrich-merz-li.2335239

Nicht nur für die politische Bildung wurde nun die Theorie des Argumentierens und Verhandelns für Konfliktlösungen aber völlig unglaubhaft. Die Eliten zelebrieren das Faustrecht.

Aktuell seit 100 Jahren

Palästinenser in Gaza warten auf Lebensmittel-Hilfe. (Reuters)

Fassungslos verfolgen wir die inzwischen alltäglichen Schreckensmeldungen über die gnadenlose militärische „Spezieloperation“ Israels im Gaza-Streifen.

Zeitonline vermittel aktuell mit einem Drohnen-Video einen Eindruck von der „Verwüstung im Gaza-Krieg“.

https://www.zeit.de/politik/ausland/2025-03/zerstoerung-gazastreifen-verwuestung-bilder-drohnenaufnahmen

Gehört das ganze darin enthaltene Leid der Menschen, die ständig steigende Zahl an Toten der Zivilbevölkerung mit Frauen und Kindern immer noch zur einst von Kanzlerin Angela Merkel als deutsche „Staatsräson“ bezeichneten Unterstützung Israels?

Vielleicht hilft dazu ein Perspektiv-Wechsel und die Darstellung der vielschichtigen Motive in der Vorgeschichte, wie sie in der folgenden Rezension erkennbar werden?