Lesen bildet …

… und kann helfen, mit Hilfe eines guten Buches diese ziemlich verrückt gewordene Welt besser zu verstehen, wenn man will. Der zunächst skeptische Rezensent ließ sich von dem im THK Verlag 2023 erschienenen Buch (bei dem es auch bestellt werden kann) überzeugen.

„Propaganda heute“ – ein überzeugendes Tutorial

Wer heutzutage sich wie Philip Preysing hinsetzt und ein Buch über Propaganda schreiben will, muss schon über eine gehörige Portion Mut verfügen. Denn im Internet sind aktuell locker hunderte, um nicht zu sagen tausende Bücher und Erklär-Videos zu finden, einschließlich der Zentralen für Politische Bildung auf Landes- und Bundesebene. Außerdem hat der Begriff spätestens seit Beginn des Ukrainekrieges und nun in den Diskussionen über Israel und seinen Kampf gegen die Palästinenser nur noch eine negative, abwertende Bedeutung.

Diese großenteils entweder akademisch strukturierten oder auch aufklärerisch-missionarisch motivierten Publikationen ergänzt der Autor mit seinem privaten, praktischen Erkenntnisweg. Dieser beginnt mit der Fragestellung, wie es kommen konnte, dass „wir“ Russlands Einmarsch in die Ukraine verurteilen und uns selbst mit den Auswirkungen von 10.000 Sanktionen belasten, aber die Aggressoren anderer verbrecherischer Kriege dagegen nicht. An welche Leser hat wohl Preysing gedacht, als er in seiner Einleitung – im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg und den durch die Sanktionen bedingten erheblichen Belastungen für die Bevölkerung – die rhetorische Frage stellte: „Wieso haben wir trotzdem den Eindruck, wir würden auf der Seite ,der Guten‘ stehen?“ (S. 10)

Das Heute im Titel provoziert, als ob das schon einmal anders gewesen wäre! Als ob es derzeit anders wäre als früher. Und dazu im Untertitel die gewagte These „Wie sich Journalisten für Propaganda missbrauchen lassen“. Damit wird er sich wohl mächtige Medienmacher zu Gegnern machen.

Erneut wird nach den wenigen Zeilen, in denen er unter anderem an vorherige völkerrechtswidrige Kriege erinnerte, der Leser somit vom Stil eines vortragenden Redners durch das „wir“ eingebunden in die Gemeinschaft von Betroffenen und Mitleidenden. Und wie ein gewandter Redner lässt Preysing uns Leserinnen und Leser an seinem sinnvoll aufgebauten Erkenntnisprozess teilhaben. Denn schon der Vorspann beginnt mit dem Benennen eines verstörenden Gefühls über den Zustand der Welt, um mit einem Appell an die kritische Vernunft des/der Lesenden zu enden.

Da der Autor sogleich zwei deutliche Akzente setzt, indem er nach dem Zitat aus einer NATO-Einladung zu einer Konferenz über Beeinflussung der öffentlichen Meinung zitiert und sodann Hermann Göring, der (wahrscheinlich beim Nürnberger Kriegsverbrecherprozess) 1946 die leichte Manipulierbarkeit des Volkes beschreibt, ist es folgerichtig, dass er Propaganda als Mittel zur Beeinflussung großer Menschenmengen definiert.

Wie das nicht nur im politischen Geschäft sondern genauso im täglichen Leben mit der Werbung für Waren oder Verhaltensweisen funktioniert, ja wie wir rundherum permanent Propaganda mit viel zu oft falschen Angaben ausgesetzt sind, zeigt Preysing mit markanten Beispielen wie etwa der Muttermilch-Kampagne von Nestlé. Verfälschungen sind somit entweder an Gefühle appellierende Behauptungen oder unvollständige Informationen durch Weglassen. Damit kommt er natürlich nicht an Edward Bernays vorbei, dem amerikanischen Erfinder der „Publik Relation“ genanten Massenbeeinflussung. Dieser habe einerseits mit seinen Methoden erreicht, dass die USA in den Ersten Weltkrieg eintraten und andererseits danach ein Buch geschrieben, das noch heute Werbetreibenden als Anleitung diene.

Nach dieser Klärung des geschichtlichen Hintergrundes gelingt Preysing im Abschnitt „Mustererkennung“ ein faszinierender Ausflug in die kulturell geprägte Lernpsychologie und er zeigt, wie nach dem Prinzip steter Tropfen höhlt den Stein Menschen dazu gebracht werden können, andere Ethnien und Kulturen als minderwertig zu kategorisieren. Als Konsequenz analysiert er nun im folgenden Kapitel Das Dritte Reich dessen bis heute nachwirkende Propagandaerfolge. Hier hätte der Hinweis gut gepasst, dass diese auch heute noch gängige Titulierung der NS-Zeit selbst ein Propagandaerfolg ist. Jedenfalls zeigt Philip Preysing im Abschnitt Antisemitismus, wie heute noch historisch und aktuell entsprechender Rassismus sowie Vorurteile bis hin zu einer Weltverschwörung wirksam sind.

Wer sich über die zwölfjährige NS-Herrschaft gründlich informieren möchte, sollte sich Preysings Buch allein schon wegen dieses detaillierten und fundierten Kapitels kaufen. In den weiteren Abschnitten Die Rolle der Kirche, Kulturkontrolle, Kriegsgründe, Lebensraum im Osten, Gewalt gegen die Zivilbevölkerung, Konzentrationslager, Gefangene als Wirtschaftsfaktor und Denazifizierung (statt Entnazifizierung) hat der Autor enorme Fakten und Nachweise darüber zusammengetragen, wie unser Schulwissen über diese Zeit hauptsächlich ein Propaganda-Ergebnis der (westlichen) Siegermächte ist. Sorgfältig demontiert Preysing, beispielsweise im Vergleich mit damaligen Kolonialmächten, die weit verbreitete Behauptung, die Konzentrationslager seien ein Alleinstellungsmerkmal des NS-Regimes gewesen.

Allerdings vergleicht Preysing akribisch die Unterschiede der Entnazifizierungin den westlichen Besatzungszonen mit dem Vorgehen in der sowjetischen Besatzungszone beziehungsweise DDR. Während dort unter der Leitung der Sowjetunion der Aufbau einer sozialistischen Gesellschaftsordnung zunächst mittels Entfernung hochrangiger Beamter, Enteignungen von Unternehmen sowie Säuberungen der Verwaltungs- und Justizbehörden vorbereitet wurde, sei aus Sicht der Propaganda der Nationalsozialismus „vor allem unter dem Aspekt des Kapitalismus und Antikommunismus“ erklärt worden.

Natürlich seien im Westen Deutschlands nicht nur die Propaganda, die neu erlaubten Zeitungen und der Nürnberger Prozess für die Besatzungsmächte hilfreich gewesen. Mit zahlreichen Nachweisen belegt Preysing, wie der zunächst nur latente Antikommunismus in den Westzonen aufgrund des Koreakrieges, in dem die UdSSR durch das Eingreifen der USA daran gehindert wurde, die zuvor japanische Kolonie komplett zu erobern, schon ende der 1940-er Jahre wieder aktiviert wurde und alsbald dazu führte, dass mithilfe der belasteten aber bewährten hochrangigen Fachkräfte Wiederaufbau und wirtschaftlicher Wohlstand vorrangig wurde. Dadurch sollte „die BRD im kalten Krieg zu einem ,Bollwerk‘ gegen den Sozialismus“ aufgebaut und einer kommunistischen Revolution vorgebeugt werden.

Ein bemerkenswertes Propagandastück nennt Philip Preysing die ab 1947 von den Westmächten USA, Großbritannien und Frankreich in ihren Besatzungszonen organisierte Umerziehung des indoktrinierten deutschen Volkes. Über sorgfältig ausgewählte Journalisten, neu gegründete lizenzierte Zeitungen, Verlage und Funkhäuser sei vor allem das kapitalistische, bürgerlich-konservative Weltbild verbreitet worden. Auch mit Einladungen im Rahmen von Besuchsprogrammen für jüngere Funktionseliten seien die USA im Rahmen ihrer Propagandakampagne bei der Vermittlung ihrer Werte in den Medien sehr wirksam gewesen. Dieser Kulturtransfer habe sich auch in den Künsten sowie bei der Umdeutung von Gebräuchen an Feiertagen wie etwa Weihnachten bis heute ausgewirkt.

Nach diesem besonders für deutsche Geschichte gravierenden Exempel über die vielschichtige Verzahnung propagandistischer Methoden referiert Preysing grundsätzlich im Kapitel Wege der Propaganda über die notwendige Massenkontrolle in demokratischen Staatsformen und die Aufgaben der Werbung in industriell geprägten Gesellschaften. Das reicht von einem probaten Rezept zum permanenten Einfluss auf die öffentliche Meinung mittels Gründung eines Forschungsinstituts bis hin zu noch aktuellen Beispielen einseitiger Berichterstattung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen in Bezug auf den Islam oder auch die Ostukraine.

So kommt der Autor auf die Beteiligung der Journalisten an bewusst oder unbewusst einseitiger Berichterstattung, bedingt durch die zunehmende Konkurrenz der Medienhäuser untereinander, dem gleichzeitigen Schrumpfen der Redaktionen und dem Druck zu schlagzeilenträchtigen Meldungen zwecks Steigerung der Auflagen beziehungsweise Zuschauerzahlen. In der zweiten Hälfte des Buches belegt Preysing seine Feststellungen mit z. T. drastischen Beispielen aus noch bestehenden Konflikten (z. B. Ukrainekrieg/Russland, Uiguren/China, dokumenta/Antisemitismus) oder gerade überstandenen Krisen (Corona) dafür, wie durch die Presse die öffentliche Meinung beeinflusst wird. Nach dem ergiebigen Parcours über die zahllosen einfallsreichen Desinformationspraktiken ist der Leser dankbar für die Ratschläge, wie er sich schützen könne.

Manuel Zimmermann

Grumbiere kaufen?

Wissen Sie denn, was gestern für ein Tag war? Der 21. Februar. Wer auch immer diese merkwürdigen Tagesnamen erdacht hat, könnte sich ja etwas Sinnvolles dabei gedacht haben. Im Mai gibt es bekanntlich den Muttertag, der sich irgendwie sogar international durchgesetzt hat. Nun soll gestern angeblich der „Tag der Muttersprache“ gewesen sein. Im Radio konnte man es hören.

Vielleicht ist es ja ganz gut, sich mal darüber Gedanken zu machen, was wir so reden und unsere Muttersprache nennen. „Sprich Deutsch“ sagte meine Mutter, wenn ich als Kind irgendwelche interessanten Wörter aufgeschnappt und nachgeplappert hatte. „Der (oder die) ist ja blöd – auf Deutsch gesagt“, bedeutet: deutlich oder direkt und unverblümt, also schnörkellos zu reden. Diese Redensart stammt, wie die Sprachwissenschaftler sagen, aus jener Zeit, als im Hochmittelalter bei Hofe (Königs- und Fürstenhof) Latein die Umgangssprache war. Das einfache Volk sprach diutisk oder tiutsch, wie die Hochwohlgeborenen es verächtlich nannten.

Hochwohlgeborene wie der „Alte Fritz“, also auch Friedrich der Große, sprachen quasi von klein auf Französisch, was ja auch damit zu tun hatte, dass damals im 18. Jahrhundert Französisch – übrigens als Diplomatensprache bis Anfang des 20. Jahrhunderts – DIE Weltsprache war, wie heutzutage Englisch. Der Preußenkönig soll sogar bekannt haben: „Seit meiner Jugend habe ich kein deutsches Buch gelesen, und ich spreche die deutsche Sprache schlecht.“ Er behalte die deutsche Sprache seinen Pferden und Stallknechten vor, wie die WDR-Sendung „Stichtag“ vom 06.03.2009 berichtete.

In gewisser Weise hat sich also unsere Muttersprache demokratisiert, wozu übrigens nicht nur Martin Luther mit seiner Bibelübersetzung sondern auch Jacob Grimm mit seiner Deutschen Grammatik (1822) erheblich beigetragen hat. Dass die Brüder Grimm mit ihrem Deutschen Wörterbuch zu Lebzeiten nicht fertig werden konnten, das kann man schon allein daran merken, wenn man in Bayern Brötchen als „Semmeln“ und in Berlin als „Schrippen“ kaufen muss.

Und mancher ausländische Gast, der daheim in der Schule oder am Goethe-Institut Hochdeutsch lernte, verzweifelt in Oberbayern oder im Hunsrück, in Dresden oder Stuttgart zunächst an den Mundarten. Oder weiß der/die geneigte Leser/in vielleicht, was „Grumbiere“ sind? In der Pfalz sind das Kartoffeln.
Und den lieben Verwandten in München muss der Nordhesse eine „Ahle Worscht“ mitbringen, damit sie lernen, was das ist.

history will teach us nothing

Kennen Sie Sting?

Poesie, Popmusik, Psychologie und die Politik einer sich sozialdemokratisch nennenden Innenministerin Nancy Faeser.

history will teach us nothing – Geschichte wird uns nichts lehren! Dieser Song-Titel fiel mir ein, als ich den neuesten Beitrag von Norbert Häring las. Hier nachzulesen:

Denn der Song von der CD „Nothing like the Sun“ von 1987, die 3.850.000 mal verkauft wurde, den er wahrscheinlich auch wieder auf seiner aktuellen Deutschlandtournee singen wird, erklärt sich eigentlich schon in seinem Titel. Hier das Video:

Der Song handelt von der Bedeutung der Vergangenheit und ob wir aus ihr lernen können. Sting kritisiert, dass wir uns oft in den „Gefängnissen“ der Vergangenheit verstecken und in Systemen Sicherheit suchen, die uns immer erhalten bleiben sollen. (Quelle: MUSIKGURU)

Unsere Politiker gehören offensichtlich leider nicht zu den Zuhörern oder gar Fans dieses begnadeten Künstlers. Vielleicht fehlen ihnen Englisch-Kenntnisse.

Narrenfreiheit nur zur Narrenzeit?

Das gibt es ja bekanntlich im Karneval: Man genießt beziehungsweise hat Narrenfreiheit, was bedeutet, er oder sie darf sich aufgrund der Tatsache, dass er/sie in bestimmter Hinsicht nicht ganz ernst genommen wird, Dinge und Verhaltensweisen erlauben, die anderen verwehrt sind. Fürsten und höhere Herrscherhäuser hielten sich einst dafür gerne Hofnarren.

http://www.hofnarr.org/geschichte-des-hofnarren/weiterlesen-geschichte.php

Also am besten „ja!“ Denn dann wäre nämlich am Aschermittwoch alles wieder vorbei. Dann würden all die bunt und fantasievoll verkleideten Narren in den festlichen, bunt geschmückten kleinen und großen Sälen – nicht zu vergessen die zahllosen beim Straßenkarneval in und neben den Festzügen – im Alltag wieder in Zivil auftreten.

Was wäre aber, wenn nach der offiziell zelebrierten Narrenzeit zahllose Narren gerne närrisch bleiben wollen? Hatten sich doch nach den – gegen Regierungspolitik gerichteten – Bauern-Demonstrationen bis zur Karnevals-Woche Hunderttausende an Samstagen und Sonntagen zu öffentlichkeitswirksamen Protest-Demos gegen eine, wenn auch bislang konservative Oppositionspartei getroffen. Zur Rechtfertigung wurde ein passenderweise gerade bekannt gewordenes Rechercheergebnis der Redaktion CORRECTIV genutzt. Demnach wollten Teilnehmer einer obskuren Runde angeblich im Grunde dasselbe wie die Bundesregierung, nämlich in größerem Maßstab Ausländer abschieben. Dabei ist in dieser Recherche-Redaktion sogar die Bundesregierung beteiligt.

Zur fragwürdigen Finanzierung von CORRECTIV:

Im Sinne von „bist du närrisch?“, so viel bedeutend wie „nicht recht bei Verstand?“, müssten sich die journalistischen Jubelchöre der ansonsten renommierten Redaktionen die Frage stellen lassen, was sie davon haben, sich vor diesen Karren spannen zu lassen.

Als Fortbildung in dem auch aktuell als Taschenbuch erhältlichen Buch „Der Fürst“ von Niccolò Machiavelli könnten sie erfahren, wie ein Feindbild zum Nutzen der Regierenden aufgebaut und genutzt wird.

Der Reclam-Verlag schreibt dazu: „Machiavellis 1513 erstmals erschienene Schrift widmet sich der Frage, wie man in einer feindlichen politischen Umwelt erfolgreich sein, Macht erwerben, diese Macht festigen und sogar noch ausweiten kann. Er beschreibt dabei die bis heute geltenden Mechanismen der Macht ohne jede Illusion und untersucht in schneidender Klarheit jene Notwendigkeiten, die mit dem hirnlosen Wüten eines an der Macht berauschten Tyrannen nichts zu tun haben.

Mousse au chocolat

Kombinatorische Gedanken beim Sonntagsfrühstück

Es ist einfach so: Anfang Februar, grauer Ausblick zum Fenster raus, noch Erinnerung an buntes Faschingstreiben am Vorabend im TV, aber keine Karnevalshochburg in Reichweite, sowieso immer höchstens mal mit roter Pappnase verkleidet, zum Kaffee mit dem Brötchen einen Rest Teewurst hinuntergeschluckt – da fällt der bisher gelangweilte Blick auf die bunte Plastik-Verpackung, ein Näpfchen, neben dem sein Plastik-Deckel liegt. Nachher kommt beides in den gelben Sack. Müll!

Nun könnte einem die Frage nach einem sprachlichen Zusammenhang zwischen Müll und der Arbeit eines Müllers einer Mühle in den Sinn kommen. Aber da haben wir ja ein kleines Kunstwerk!

Himmelblauer Himmel mit Wölkchen über scheinbar grüner Insel, einer Hallig ähnlich, mit einer roten Mühle im Vordergrund nebst Firmenname. Daneben die Versprechen lauter guter Eigenschaften und die pflichtgemäße Auflistung der Zutaten.

Um also uns vor dem Supermarktregal stehende Kundinnen und Kunden zum Kauf zu bewegen, wurde ein Heer von Menschen mit unterschiedlichsten Berufen vom Raffinerie-Maschinenführer über Diplom-Chemikerinnen und Form-Designern bis hin zu Werbe-Grafikern, -Druckern und -Psychologinnen beschäftigt. Tausende Arbeitsplätze für den bunten Plastik-Müll, von dem wir Deutschen angeblich EU-weit am meisten von diesen aus Erdöl gewonnenen Kunststoffen produzieren.

Ach – war da nicht neulich eine Meldung, Deutschland sei wieder Europameister der Rüstungsindustrie? Was haben also Hochrüstung und Plastik-Müll gemeinsam?

Vom Stahlkocher bis zum IT-Ingenieur und -Programmierer tausende Arbeitsplätze. Und natürlich die fröhlichen Aktionäre im In- und Ausland, die sich über steigende Kurse an der Börse freuen. Kapitalismus pur. Global.

Deren Dividende steigt auch – aber viel schneller als die der Lebensmittelkonzerne! Also ist am (Ukraine-)Krieg eben mal wieder mehr zu verdienen als am Frieden.

Trotzdem habe ich mir als Abschluss des Frühstücks einen (Plastik-)Becher Mousse au chocolat schmecken lassen. Kleiner friedlicher Luxus eben.

„Darf’s ein bisschen mehr sein?“

Diese einst an der Fleischer-Theke übliche Frage der Verkäuferin klingt hierbei vielleicht zynisch, drängt sich aber beim Lesen des folgenden Beitrags auf. Denn die Fragen, wie es seit der Gründung des Staates Israel (1948) zu dem aktuellen, immer noch andauernden entsetzlichen und tausendfachen Morden gekommen ist und welches Ziel Israel offiziell hat, werden hier beantwortet.

Die Ursachen der – auch von mir überlebten – Dresdener Bombennacht vom 13./14. Februar 1945 wurden inzwischen, wie überhaupt vieler anderer Kriegsgräuel, sorgfältig beschrieben. Das Völkerrecht in der heutigen Form entwickelte sich seitdem.

Abgeschrieben:

Gaza, Israel und das Völkerrecht

Ein Artikel von John Neelsen

Im aktuellen Konflikt um Gaza sind die westlichen Regierungen, allen voran Washington und Berlin, ebenso wie die etablierten Medien Partei. Sie stehen voll hinter Israel, dessen Existenzrecht sie durch die Terrororganisation Hamas bedroht sehen. Bombardierung und späterer militärischer Einmarsch nach Gaza mit dem Ziel, die Hamas zu vernichten, finden ihre Zustimmung. Völkerrechtlich stützen sie sich dabei auf das Recht auf Selbstverteidigung angesichts des bewaffneten Angriffs der Hamas vom 7. Oktober mit 1.139 Opfern, darunter 695 Zivilisten, und 240 Geiseln. [1] Umstritten ist allein angesichts Tausender von Toten unter der Zivilbevölkerung Gazas deren Verhältnismäßigkeit. Diese Position widerspricht fundamental dem Völkerrecht. Statt der proklamierten menschenrechtsbasierten Außenpolitik ist der Westen Komplize eines späten Kolonialismus. Von John P. Neelsen.

1. Der Sechs-Tage-Krieg 1967, Völkerrecht und Status der Kontrahenten

  1. Der Gazastreifen mit seinen 2,4 Millionen, auf 362 Quadratkilometer eingepferchten Einwohnern wird seit 2007 von der Hamas regiert. Doch trotz israelischen Rückzugs aller Truppen und Siedler im Jahr 2005 betrachtet die UN das Territorium wegen der umfassenden Belagerung und Kontrolle aller Zugänge ganz wie die anderen, im Sechs-Tage-Krieg von 1967 eroberten Gebiete, d.h. den syrischen Golan, Ostjerusalem und die Westbank, als ‚besetzte Gebiete‘, Israel als ‚Krieg führende Besatzungsmacht‘. Von einer seit je geforderten Zweistaatenlösung keine Spur – trotz Osloer Abkommen von 1993. So ist Israel seinen zentralen völkerrechtlichen Verpflichtungen nach Rückzug bzw. zeitlicher Begrenzung seiner Besetzung und, noch weniger, diese zum Wohl und zur Sicherheit inklusive des Eigentums der Lokalbevölkerung auszuüben, nicht nachgekommen. [2] Im Gegenteil! Nach 56 – bzw. Gaza 38 – Jahren Besatzung gekennzeichnet von jüdischer, meist mit Enteignung und gewalttätiger Vertreibung der palästinensischen Eigentümer verbundenen Ansiedlung sowie einer umfassenden sozial-ökonomischen Fragmentierung und infrastrukturellen Archipelisierung der städtischen Gebiete der Westbank diagnostiziert die UNO eine Politik der Annektierung, de jure (Ostjerusalem) bzw. de facto. [3]
  2. Auf diesem Hintergrund formulierte die Generalversammlung der Vereinten Nationen, gestützt auf Resolutionen, inklusive des Sicherheitsrates ausdrücklich die Legitimität des Kampfes des palästinensischen Volkes für Selbstbestimmung auch mit Waffengewalt. [4] Darauf setzte auch die 1964 gegründete PLO (Palestine Liberation Organisation mit der FATAH als Hauptpartei und ohne die Hamas), die international als legitime Vertretung Palästinas – seit 1974 mit UN-Beobachterstatus – anerkannt ist. Ihrer Absage 1987 an den bewaffneten Kampf folgte im Kontext der ersten Intifada die Gründung der ‚islamischen Widerstandsbewegung‘ Hamas. Anders als vor allem Israel, die USA und die EU verdammen die meisten Staaten inklusive der UN die Hamas nicht als Terrororganisation. [5]
  3. Dabei ist zu berücksichtigen: (a) Hamas hat bei den bisher letzten palästinensischen Parlamentswahlen 2006 die absolute Mehrheit der Abgeordneten gewonnen; (b) seit 2007 regiert sie allein in Gaza, wobei viele Finanzmittel von der Fatah dominierten Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) in Ramallah überwiesen werden; (c) die überwiegende Mehrheit der Palästinenser begrüßt den Angriff der Hamas vom 7. Oktober, während Fatah, PA und vor allem deren Präsident Abbas abgelehnt werden. [6] Mit anderen Worten: Hamas ist intern demokratisch legitimiert und als Vertreterin eines besetzten Territoriums grundsätzlich als Befreiungsbewegung anzuerkennen. Dies gilt, mögen auch einzelne Akte des Angriffs vom 7. Oktober das auch für Befreiungsbewegungen geltende humanitäre Völkerrecht, wie Verhältnismäßigkeit und Unterscheidung von Zivilisten und Soldaten, verletzen und Straftaten darstellen. Israel andererseits kann als koloniale Besatzungsmacht kein Recht auf Selbstverteidigung beanspruchen.

2. Völkermord in Gaza und ‚Grundgesetz Israel‘

  1. Israel gibt vor, Hamas als Organisation auslöschen zu wollen. In Wirklichkeit wurde die jahrelange Blockade aller Zugänge mit einer mehrere Meter hohen, bis ins Mittelmeer reichenden und mit automatischen Maschinengewehren bestückten Mauer seit dem 7. Oktober in einen totalen Krieg, einschließlich Cyberspace, gegen die gesamte Bevölkerung Gazas gesteigert. Als Folge der an Leningrad im Zweiten Weltkrieg erinnernden Belagerung mit weitgehender Unterbrechung der Versorgung an Nahrungsmitteln, Wasser, Strom und Medikamenten leiden rund 600.000 Menschen (25 Prozent der Einwohner) an extremem Hunger und Wassermangel. Bei der seit zehn Wochen andauernden ununterbrochenen Bombardierung, gefolgt vom Einmarsch der Armee, wurde ein Großteil der Infrastruktur, Wohnhäuser, Hospitäler, Schulen, Kirchen und Moscheen zerstört. 85 Prozent der Bewohner sind auf der Flucht, ausweglos Gejagte im größten Freiluftgefängnis weltweit. Den bisher 29.000 Bomben, anfangs in einer Woche mehr als in einem Jahr über ganz Afghanistan, fielen bis dahin 20.915 Tote, 54.918 Verwundete und 8.000 Vermisste, zu 70 Prozent Frauen und Kinder, zum Opfer. [7] Der völkerrechtlich untersagte Einsatz von weißem Phosphor, von Artilleriegranaten in dicht besiedelten Wohngegenden und von 41 Prozent Sprengkörpern ohne Zielsteuerung verdeutlicht die Strategie: maximaler Tod und Zerstörung, unerträgliche Traumatisierung und dauerhafte Einschüchterung der Überlebenden. Demgegenüber beklagt Israel – über die 1.139 Opfer vom 7. Oktober hinaus – den Tod von 164 Soldaten im Einsatz in Gaza. [8]
    Dies ist kein Krieg, wie westliche Medien und Regierungen unablässig wiederholen. Dies ist ein Gemetzel, tagtäglich verübte Kriegsverbrechen gegen eine wehrlose Bevölkerung.
  2. Schlimmer noch, dies ist kein Zufall! Die UN-Konvention von 1948 definiert ebenso wie das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs von 1998 Genozid weniger an der absoluten Zahl der Opfer als an der Absicht, eine ethnisch-kulturelle Gruppe zu vernichten. [9] Typischerweise mit Dehumanisierung gepaart, finden sich entsprechende Äußerungen bei führenden Vertretern in Politik und Militär Israels. Von ‚menschlichen Tieren‘, die vernichtet, von Gaza, das dem Erdboden gleichgemacht werden müsse, sprachen Israels Premier, Botschafter und Verteidigungsminister. [10]
  3. Doch weniger als Reaktion auf einen Überraschungsangriff entspricht das israelische Vorgehen objektiv dem 2018 von der Knesset verabschiedeten „Grundgesetz ‚Israel – Nationalstaat des jüdischen Volkes‘“. In ihm hat allein das jüdische Volk das Recht auf Selbstbestimmung, werden Hebräisch als einzige Nationalsprache und das ungeteilte Jerusalem als Hauptstadt bestimmt. Mehr noch, das in den Grundprinzipien des Grundgesetzes genannte ‚Land Israel‘ erstreckt sich vom Jordan bis zum Mittelmeer. Es umfasst damit nicht nur das Territorium des Staates Israel, sondern auch die ‚besetzten palästinensischen Gebiete’ inklusive Westbank und Gaza. Dies erklärt die seit Langem verfolgte Politik der Apartheid für die 20 Prozent palästinensischen Israelis, die grundgesetzlich verankerte Ansiedelung von inzwischen 700.000 jüdischen Staatsbürgern auf originär palästinensischem Territorium sowie der forcierten Immigration aus der Diaspora. Gleichwohl besteht ein demographisches Problem: Der Palästinenser-Anteil im ‚Land Israel‘ entspricht mit 7,3 Mio. dem jüdischen, aber wächst stärker! Höhere Geburten- und Einwanderungsraten sind die eine, eine Reduzierung der Palästinenser-Bevölkerung durch Vertreibung und Flucht, eine Nakba 2.0, die andere strategische Variante.
  4. Gaza als Blaupause?! Entgegen seiner Verpflichtung als Besatzungsmacht und seines langfristigen Sicherheitsinteresses haben sukzessive israelische Regierungen statt Förderung einer kooperativen Entwicklung Gazas als Teil eines unabhängigen Staates Palästina dessen Bevölkerung sozial-ökonomisch stranguliert, allenfalls als billige Tagelöhner in Israel geduldet. Drei Viertel der Bewohner sind Flüchtlinge, viele leben in einem der acht Flüchtlingslager. 95 Prozent haben keinen Zugang zu sauberem Wasser. Abwasserkanäle und Kläranlagen sind praktisch nicht existent. Bei einer Stromversorgung von täglich maximal elf Stunden sind öffentliche Betriebe wie Krankenhäuser, vor allem aber Entwicklung von Industrie und Landwirtschaft a priori eingeschränkt. Seit der Blockade 2007 sind BSP und Pro-Kopf-Einkommen (PKE) um 37 Prozent gesunken. [11] Bei einem PKE von durchschnittlich 3,20 USD p.d. und einer Arbeitslosenquote von 46 Prozent, die in der Altersgruppe 15 bis 29 auf 62 Prozent ansteigt, ist dauerhafte ausländische Hilfe unersetzlich, denn 80 Prozent der Bevölkerung sind arm, 63 Prozent leiden unter Nahrungsmittelunsicherheit. [12] Angesichts der jetzt noch hinzukommenden existenziellen Zerstörung sind die Zukunftsaussichten trotz prognostizierten Bevölkerungswachstums auf 3,1 (2030) bzw. 4,7 Mio. (2050) katastrophal, werden u.a. Umsiedlungen z.B. nach Ägypten ins Spiel gebracht. [13]

3. Israel, Gaza und der Westen

Israel kann auf die grundsätzliche Unterstützung des kollektiven Westens, insbesondere der USA und Deutschlands, bauen. Schon lange als Terrororganisation gebrandmarkt, war die absolute Verurteilung des Angriffs der Hamas vom 7. Oktober vorhersehbar. Dessen Hintergründe werden ebenso wenig beleuchtet wie die Geschichte des seit 1948 andauernden Palästina-Konflikts, die Politik Israels oder die Perspektiven einer langfristigen Lösung auf Basis des Völkerrechts. Israel gilt als belagerte Demokratie in einem feindlichen Umwelt, das von einer blutrünstigen Terrorbande überfallen, in seiner Existenz gefährdet, in seinem Recht auf Selbstverteidigung, konkret Einmarsch in Gaza und Vernichtung der Hamas, militärisch und politisch unterstützt werden muss. [14] So ist trotz wachsender Forderungen nach einer (erneuten) ‚humanitären Feuerpause‘ bzw. einem Waffenstillstand die materielle politische und militärische Unterstützung Israels im Gegensatz zu den eher symbolischen Akten der Solidarität gegenüber palästinensischen Opfern ungebrochen. [15]

So entsandten die USA wie auch Frankreich frühzeitig Schlachtschiffe in die Region, um eine Ausweitung des Krieges zu verhindern, objektiv Israel den Rücken freizuhalten, dem Land einen Mehrfrontenkrieg zu ersparen. Ähnliches gilt für die Operation Prosperity Guardian im Roten Meer gegen Drohnen der mit den Palästinensern solidarischen jemenitischen Huthi. Von den USA offiziell zum Schutz der Handelsschifffahrt und der Freiheit der Meere initiiert, beteiligen sich, obwohl unmittelbar betroffen und Gegner der Huthis, weder Saudi Arabien noch Ägypten an dem Unternehmen. Auch China, das auf der afrikanischen Seite der Meerenge von Bab el-Mandeb eine Marinebasis unterhält, fehlt. Stattdessen befinden sich die Kriegsmarinen Frankreichs, Großbritanniens, der Niederlande, Norwegens, Italiens und Kanadas an vorderster Front, und auch die BRD überlegt einzusteigen. [16]

Resümee: Weder die Existenz, schon gar nicht das Existenzrecht des Staates Israel stehen auf dem Spiel, sondern der mit millionenfachem Elend bezahlte zionistische Kolonialismus. Statt auf das, allein wahre Sicherheit versprechende, implizite Zugeständnis eines Palästinenserstaates in den Grenzen von 1967 in Hamas programmatischen Grundsätzen von 2017 einzugehen [17], wird die gegenwärtige Politik auch in den folgenden Generationen nur zu mehr Hass, Widerstand und Blutvergießen führen. Ein Volk von heute weltweit 16 Millionen, dessen weit überwiegende Mehrheit in Europa über Jahrhunderte verfolgt, im Holocaust ein Drittel seiner Mitglieder hingemordet erlebt hat, wendet gegenüber den Palästinensern ähnliche Methoden der Ausgrenzung und Unterdrückung an – das ist die wahre Tragödie Israels.

Es wird die Schlacht um Gaza gewinnen, aber den Krieg verlieren! Der Genozid an der Bevölkerung, die Zerstörung von Gotteshäusern, Wohnungen, Sozialeinrichtungen und Hospitälern in Gaza hat die Weltöffentlichkeit gegen Israel aufgebracht, seine westlichen Beschützer isoliert und deren Kolonialvergangenheit ins kollektive Gedächtnis des globalen Südens hervorgeholt. Durch den Ukraine-Konflikt bereits angekratzt, wird der politische Niedergang des Westens und seiner Führungsmacht USA beschleunigt, seine Menschenrechtsrhetorik als Instrument einer Doppelmoral im Dienste reiner Machtpolitik entlarvt.

Beim Anklicken der Anmerkungs-Nummern wird die entsprechende NachDenkSeiten-Seite aufgerufen. Das muss man nicht, um den Text zu verstehen. Die 17 Anmerkungen sind sozusagen der Stolz des Wissenschaftlers John Neelsen, alles seine Aussagen belegen zu können.