Wahltag – Qualtag?

Ob dieser erste September 2024 in die Geschichtsbücher eingehen wird, werden wohl die Historiker und Schulbuch-Autoren einmal entscheiden. Jedenfalls haben viele, wohl viel zu viele Kundige und selbsternannte Experten in den vergangenen Monaten eine Spaltung Deutschlands festgestellt. Demnach gibt es wieder zwei Deutschlands 35 Jahre nach dem Fall der Mauer. Traditionsparteien wie die in Berlin regierende „Ampel“ aus SPD, FDP und Grünen scheinen bei den heutigen Wahlen zu den Landtagen in Thüringen und Sachsen chancenlos zu sein.

Dass dagegen die „Neulinge“ AfD und BSW (Bündnis Sara Wagenknecht) stimmenmäßig absahnen, scheint eine ausgemachte Sache zu sein.

An diesem Sonntag scheint die Sonne, vielleicht bilden sich hier und da ein paar Gewitterwolken? Die allgemeine Stimmungslage scheint bis zu den ersten Hochrechnungen nach Schließung der Wahllokale angespannt zu sein. Da könnte ja folgende aktuelle Glosse aus der Tageszeitung junge Welt etwas entspannend wirken:

„Von der Thüringer Landtagswahl am 1. September liegt bereits das vorgebliche amtliche Endergebnis vor. Demnach hat die AfD mit 33 Prozent die meisten Stimmen erhalten, gefolgt von CDU, Die Linke und BSW mit jeweils 18 Prozent. Die Landesbratwurstpartei kam auf sieben, auf die »Sonstigen« entfielen sechs Prozent, darunter drei auf SPD, Grüne und FDP. Nicht jeweils, sondern zusammen. Der ordnungsgemäße Zustand der Wahlprotokolle wurde von Beobachtern der venezolanischen Regierung bestätigt. Union, Linkspartei und das Bündnis Sahra Wagenknecht nahmen noch in der Wahlnacht die Streitigkeiten zur Bildung einer Koalition auf.

In einer Verletzungspause trat Nochministerpräsident Ramelow mit eingegipsten Beinen vor die Presse und kündigte die Umbenennung der Thüringer Linkspartei in Bündnis Bodo Ramelow (BBR) an. Danach teilte CDU-Chef Mario Voigt (mit Kopfverband) mit, dass die Union in Thüringen künftig Bündnis Helmut Kohl (BHK) heißen wird. Die BSW-Inhaberin Sahra Wagenknecht verfolgte die Auftritte ihrer künftigen Koalitionspartner von der Hotelbar aus, während sie eine Kalaschnikow auseinandernahm, reinigte und wieder zusammensetzte.

Die Spitzenkandidatin der Bündnisgrünen, deren Name noch in der Wahlnacht in Vergessenheit geraten ist, räumte die Niederlage ein und erklärte sie mit der »asymmetrischen Kriegführung der Herren Putin, Lukaschenko und Söder«. Und fügte hinzu: »Das ist natürlich ein Schlacks im Gesicht!« Die Grünen werden fürderhin als Bündnis Rudolf Steiner (BRS) antreten.

Die SPD wird derweil aus dem Wahlergebnis die Konsequenzen ziehen und über die Abschiebung von Olaf Scholz nach Afghanistan beraten. Der Nochlandesvorsitzende, dessen Namen ebenfalls keiner mehr kennt, warnt seine Genossen vor einer Umbenennung: »Wir sind die einzige Partei Deutschlands, die nie ihren Namen ändern musste!« – »Das ist Unsinn, mein lieber Dings. 1863 hießen wir ADAV, ab 1869 SDAP, ab 1871 SAP …« – »Wie der Softwaremulti? Wie geil!« – »Wir könnten uns doch Bündnis MS-DOS nennen, das klingt voll modern.« – »Oder Faxbündnis Deutschland (FBD)! Slogan: Wählt uns, wir machen Faxen!« – »Nein, faxen ist voll out. Die Jugend mailt jetzt. Also Bündnis Deutsche Mail (BDM)!« – »Mailen ist nicht woke, Thorben-Joy. Hitler war Kunstmailer, bevor er Politiker wurde.« – »Tatsächlich …?«

Zur selben Zeit diskutieren die Vorstände von AfD und Werteunion in einem Arnstädter Bordell über die Frage, wer sich künftig Bündnis Adolf Hitler (BAH) nennen darf. Gegen Mitternacht erschießt Höcke den Schäferhund von Hans-Georg Maaßen, woraufhin alle Mitglieder der Werteunion sofort der AfD beitreten, …

… während die Thüringer SPD weiter um die Namensfindung ringt. Ein Drittel ist für eine Fusion mit der CDU zum Bündnis Große Koalition (BeGeKack). Ein Drittel sieht keinen Handlungsbedarf, weil »uns eh kein Schwein mehr wählt, nicht mal für Geld«. Und das letzte Drittel votiert für die Bildung eines Arbeitskreises bei der Historischen Kommission. »Geht nicht, Genossen. Unsere Historische Kommission haben wir vor ein paar Jahren aufgelöst.« – »Warum das denn?« – »Die hat zuletzt nur noch Unfug angestellt.« – »Was denn?« – »Die haben eine Trockenhaube vom Friseur umprogrammiert zu einer KI-Zentrifuge, die aus den Artikeln des Grundgesetzes humoristische Trauerreden montiert.« – »Trauerreden für wen?« – »Für die SPD«.“

20. Juli, Delegitimierung, Stauffenberg, Kant und der Widerstand

Nicht nur aus Anlass des Tages vor 80 Jahren!

Ein Gespenst geht um in Deutschland – das Gespenst der Delegitimierung. Wer wissen möchte, was denn das sperrige Fremdwort bedeutet, das in letzter Zeit so gerne sowohl von Angehörigen der „Ampel-Koalition“ als auch mit ihr sympathisierenden Journalisten in Talkshows zur Rechtfertigung allerlei fragwürdiger behördlicher Maßnahmen gebraucht wird, könnte sich zum Beispiel im Netz schlau machen und googeln.

An oberster Stelle bringt die Suchmaschine bereits die Position des Verfassungsschutzes:

https://www.verfassungsschutz.de/DE/themen/verfassungsschutzrelevante-delegitimierung-des-staates/verfassungsschutzrelevante-delegitimierung-des-staates_node.html

Eine allgemeine, unparteiische Erklärung bietet an zweiter Stelle die Plattform bedeutungonline.de:

https://www.bedeutungonline.de/was-ist-delegitimierung-bedeutung-definition-erklaerung

Hier wird die Legitimierung und deren Negierung zunächst allgemein, sodann in Bezug auf Staatshandeln juristisch und die historische Verwendung betrachtet.

Wikipedia priorisiert dagegen sogleich die Definition des Verfassungsschutzes:

https://de.wikipedia.org/wiki/Verfassungsschutzrelevante_Delegitimierung_des_Staates

Dabei werden die politischen Maßstäbe Links- und Rechtsextremismus entlang der – seit den „Berufsverboten“ in den 1970er Jahren – offiziellen Definitionen erläutert und gegen das Recht auf private Meinungsäußerung abgegrenzt.

Es ist sicher nützlich zu wissen, dass legitim im Gegensatz zu legal (sowie deren Negationen) nichts mit staatlichen Gesetzen zu tun hat. Bei bedeutungonline.de ist als Beispiel-Erläuterung für „allgemein anerkannt, unbestritten, berechtigt“ das folgende, leider nicht nachgewiesene Zitat zu finden:

Formell war er [Claus Schenk Graf von Stauffenberg] ein Hochverräter, aber ich halte das, was er getan hat [das Attentat auf A. Hitler am 20. Juli 1944], für legitim.“

Hierher gehört nun ein nachdenklicher Essay der aktuellen Berliner Morgenpost, in dem nicht nur auf die zahlreichen höchst unterschiedlichen Widerständler verwiesen wird, sondern auch deren Legitimität durch die moralische Motivation für den Mord des Diktators begründet wird.

https://www.morgenpost.de/politik/article406824569/20-juli-1944-was-wir-vom-widerstand-gegen-hitler-lernen-koennen.html

Formell also waren die Attentäter nach der Gesetzeslage Hochverräter. Denn im NS-Staat galt das (von den Nazis) geschriebene Gesetz. Für ihre Motivation gibt es den kategorischen Imperativ Immanuel Kants (1724 bis 1804). Dieser größte deutsche Philosoph und Aufklärer geriet allerdings durch diese Erkenntnis in Konflikt mit den damals Mächtigen in Kirchen und Staat.

Der Begriff „kategorisch“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass der Imperativ bedingungslos und allgemeingültig ist. Kant behauptet, dass moralische Handlungen auf einer universalen moralischen Gesetzgebung basieren sollten, die für alle rationalen Wesen gleichermaßen gilt. Der kategorische Imperativ fordert die Menschen auf, nach moralischen Prinzipien zu handeln, die universell anwendbar sind, unabhängig von den individuellen Umständen.

Kants kategorischer Imperativ basiert auf dem Prinzip des Autonomie. Kant argumentiert, dass die Menschen rationale Wesen sind, die die Fähigkeit haben, unabhängig von ihren individuellen Wünschen und Neigungen moralische Entscheidungen zu treffen. Der kategorische Imperativ soll Menschen dazu anleiten, moralisch zu handeln, indem sie vernünftige, allgemeingültige Prinzipien anwenden.“ (Quelle: das-wissen.de)

Somit haben wir auch einen Maßstab für legitimes staatliches Verhalten und Handeln, wenn Menschen – und nicht nur die Staatsbürger – entsprechend Kants Aufforderung nun, in der sich demokratisch nennenden Staatsform, den „Mut haben, sich des eigenen Verstandes zu bedienen“ und gegen die Obrigkeit Widerstand signalisieren. Allein in der Frage, ob ein gewisses Regierungshandeln – etwa mittels Gesetzen oder Verordnungen – legitim ist, steckt noch keine „Delegitimiereung“.

Mythos Mehrheit

Anmerkungen im Superwahljahr nach Kommunal- und EU-Wahl

Enttäuschung, Erstaunen, Freude oder Schulterzucken folgten auf die Bekanntgabe des Ergebnisses der Korbacher Bürgermeisterwahl. Mit dem Spruch „Mehrheit ist Mehrheit“ endete meist der Kommentar. Anders hingegen waren die Reaktionen auf die Ergebnisse der Wahl zum EU-Parlament. Sofort begannen die öffentlichen Überlegungen, wie aus den vielerlei unterschiedlich verorteten Abgeordneten eine Mehrheit zustande zu bringen sei, beispielsweise für die derzeitige Kommissionspräsidentin oder eine Mehrheit ohne „rechtsextreme“ Parteienvertreter.

Jedenfalls geht es für das jeweilige Wahlvolk stets um die Akzeptanz der aus der Wahlhandlung sich entwickelnden Ergebnisse.

In dem fast noch druckfrischen Buch „Demokratie in die Köpfe – Warum sich unsere Zukunft in den Schulen entscheidet“ (Hirzel Verlag 2023) gibt es hierzu auf Seite 53 einen bemerkenswerten Diskussionsbeitrag, auch für alle weiteren Wahlen:

Das Problem mit Mehrheiten.

Bitte nicht staunen! Wie Stimmungsmache zum Verbraucher kommt.

Kriegsertüchtigung aktuell im Supermarkt unter Kultur, Hobby, Reisen

Hat der oder die kaufmännische Angestellte beim Einräumen des Zeitschriftenregals etwa seinen bzw. ihren Sinn für Ironie bewiesen? Beim eiligen Gang in Richtung Putzmittel fällt der zufällige Blick links in Augenhöhe auf wirklich unerwartete Bilder: Panzer, historische Infanteristen im Schützengraben, Ortsangaben mit Jahreszahlen. Die früheste: Friedland 1807, Napoleons fatalster Sieg (ganz unten!). Die späteste: Riesenposter D-Day (das war 1944 die Landung der Amerikaner in der Normandie, ganz oben, wie versteckt). Dazwischen posaunt CLAUSEWITZ, „Das Magazin für Militärgeschichte“: „Ostpreußen 1914, Wie das Ostheer die Niederlagen in einen Sieg verwandelte“. Etwa eine bislang unbekannte Heldengeschichte?

Es gibt auch Aktuelles: UKRAINEKRIEG Ursachen und Verlauf kompakt erklärt (links). Das hört sich ja richtig neutral an. Im „Erlebnisberichte – Großband“ (rechts) der pompöse Titel „Jagdkommando Reimers“. Auch „Panzergrenadiere – Technik und Einsatz“ oder „Der Gepard – Der beste Flak-Panzer der Welt?“ unterbrechen das offenbar langweilige Friedensgesülze und haben einen abenteuerlichen Akzent.

Zum besseren Orientierung sandte heute das Kasseler Friedensforum diesen Aufruf:

Massive Aufrüstung, Großmacht- und Führungsansprüche und die mentale Militarisierung der deutschen Politik haben atemberaubende Züge angenommen. So soll nicht nur die Bundeswehr kriegstüchtig gemacht werden, Wirtschaft und Gesellschaft sollen auf „Vaterlandsverteidigung“ getrimmt werden. Der EU-Wirtschaftskommissar erklärt: „Wir müssen in den Modus der Kriegswirtschaft wechseln“.

Profiteure der Militarisierung der Wirtschaft sind die Rüstungskonzerne und ihre Zulieferer, während die große Mehrheit der Lohnabhängigen und sozial Benachteiligten die ökonomischen und sozialen Lasten tragen müssen. Priorität für Aufrüstung und Militär heißt Sozialabbau und Kürzungen bei Gesundheit, Bildung, Umwelt und Infrastruktur. Der 100-Milliarden-Euro-Schuldenfond für die Bundeswehr, 32 Milliarden an die Ukraine, und weitere Ausgabensteigerungen, um das 2%-Ziel der NATO zu erfüllen und zu übertreffen, zeigen, wohin die Reise geht. Die Schuldenbremse soll für alle gelten – außer für die Bundeswehr – und wird so zum Sturmgeschütz gegen die Interessen der Lohnabhängigen und Gewerkschaften.

Dagegen setzen wir: Friedenspolitik und Sozialpolitik gehören zusammen. Wer den Sozialstaat will, muss gegen Aufrüstung und Kriegsbeteiligung kämpfen.

Dazu bietet das Kasseler Friedensforum ein Webinar an: Dienstag, 18.06.2024, 18.00 h, Wir bitten um Anmeldung unter folgendem Link:

https://us02web.zoom.us/meeting/register/tZ0vduyqrzoqGt0cuL7sq6C9jGmUIB-ErxZ_Wir schicken dann die Einwahldaten zur Teilnahme am Webinar.

Die Wahlbeteiligung liegt bei: 62,16 %

Im Prinzip müssten doch die Bürger und Bürgerinnen der Hansestadt Korbach mit dem Ergebnis der Bürgermeisterwahl zufrieden sein. Natürlich ohne die eine Mitbewerberin und die drei Mitbewerber, die ebenfalls angetreten waren sowie deren Wähler. Jedenfalls müssen diese nicht noch einmal zu einer Stichwahl an die Wahlurnen. Kandidat Stefan Kieweg erreichte auf Anhieb 58,79 Prozent. Da könnte man ja guten Gewissens gratulieren. Ist nun alles in Butter?

„Ja sicher“ wird der Gewinner ebenso wie seine Wähler auf diese Frage antworten. Denn die Frage nach der Mehrheit scheint ja jetzt keine mehr zu sein. Mehrheit ist Mehrheit pflegen die Formalisten zu argumentieren.

Alle schwärmen heutzutage von Demokratie, allerdings zu oft ohne konkretes Wissen über ihr Wesen, das sich nicht nur in Zahlen ausdrücken lässt. Wenn es um die zukünftige Gestaltung des eigenen Lebensraumes geht, dann schlägt die Stunde der Kommunalwahl.

Doch haben die angebotenen Bewerber anscheinend 37,84 Prozent der Wahlberechtigten nicht davon überzeugt, sich mit ihrer Stimmabgabe darum zu kümmern. Oder aber sie sind mit den bestehenden Zuständen schon zufrieden. Jedenfalls dürfte wirklich mehr Wahlbeteiligung nicht schaden.

Leider liegen vorerst noch keine Angaben über das Wahlverhalten der Erst- und Jungwähler vor. Ob die mit dem Wahlslogan Herrn Kiewegs „Klarer Kurs für Korbach“ in Bezug auf Lebensraumgestaltung (kaum Radwege) oder Freizeitangebote (abends) zufrieden sind, steht in den Sternen. Dazu könnte der städtische Streetworker bestimmt einiges erzählen.

Es folgt das Programm des Wahlgewinners.

Der 8. Mai muss ein Feiertag werden!

– Für all jene, die eigentlich gerne teilgenommen hätten, aber nicht konnten –

Foto: Kasseler Friedensforum

Unter dem Motto „Der 8. Mai muss ein Feiertag werden!“, gefordert von der Auschwitz-Überlebenden Esther Bejarano, fand auch in diesem Jahr am 8. Mai 2024 ab 16:00 Uhr im Kasseler Mahnmal für die Opfer des Faschismus (Fürstengarten, Weinbergstraße) ein öffentliches Gedenken statt.

Der 8. Mai 1945 ist der Tag der Befreiung Deutschlands von Faschismus und Krieg.

Silvia Gingold, deren Eltern in der französischen Resistance Widerstand geleistet haben, machte in ihrer Rede deutlich, welche große Bedeutung der 8. Mai hat:

https://www.kasseler-friedensforum.de/pdf/Silvia8Mai2024.pdf

Rolf Wekeck erzählte über den Lebensweg und politischen Werdegang von Paula Lohagen, die in Auschwitz ermordet wurde:

https://www.kasseler-friedensforum.de/pdf/Lohagen.pdf

Brigitte Domes las Bertold Brechts Gedicht „Das Gedächtnis der Menschheit“:

https://www.kasseler-friedensforum.de/pdf/BBDasGed%C3%A4chtnisderMenschheit.pdf

Wahlplakate: ein witzig-demokratisches Exempel?

Sie sind unübersehbar und können einen schon einfach nerven. Im Land des Automobil-Erfinders Carl Benz, für dessen Nachfolgemodelle inzwischen – nach 139 Jahren – das gesamte Leben, insbesondere in ländlich geprägten Gegenden wie Korbach mit seinen 14 umliegenden Dörfern, eingestellt ist. Vier Männer und eine Frau „blicken“ von Laternenmasten und Plakatwänden mindestens bis zum Wahltag 8. Juni erwartungsvoll Autofahrer, aber natürlich auch Fußgänger an. Sie wollen als Bürgermeister ins Rathaus.

Ob nun Wahlplakate überhaupt überzeugend sind und aus Wahlberechtigten auch Wähler machen, ist ja schon seit Langem zweifelhaft. Trotzdem wird immer wieder mitgemacht. Und die Optik wird schon mal mit riesigen Transparenten locker verzehnfacht. Besonders an so manchem Straßenkreisel, wenn man langsam fahren muss, sind sie unübersehbar.

Außer den mehr oder weniger trefflich lächelnden Gesichtern sollten ja eigentlich Argumente die Wahlberechtigten überzeugen. Aber sie sind beinahe fast versteckt und nicht immer leicht zu erkennen. Hier sind sie in gleichberechtigter Schriftgröße beieinander:

14 Orte 1 Stadt, Bürgernah mit politischer Erfahrung (Thomas Kuhnhenn)

Die ganze Stadt im Blick (Henrik Ludwig)

Klarer Kurs für Korbach, Ihr Bürgermeisterkandidat (Stefan Kieweg)

Eine von Euch, für Euch (parteilose Bürgermeisterkandidatin [Jutta (Jule) Hense])

Wir Bürger meistern das, unabhängiger & parteiloser Bürgermeisterkandidat für Korbach (Gregor Mainusch)

Wer von diesen wenig inhaltlichen Hinweisen an sprachliche Leerformeln oder Worthülsen erinnert wird, befindet sich in einer 2.500-jährigen Tradition. Schon Konfuzius sagte:

Wenn die Begriffe nicht richtig sind, so stimmen die Worte nicht; stimmen die Worte nicht, so kommen die Werke nicht zustande; kommen die Werke nicht zustande, so gedeihen Moral und Kunst nicht; gedeihen Moral und Kunst nicht, so trifft die Justiz nicht; trifft die Justiz nicht, so weiß die Nation nicht, wohin Hand und Fuß zu setzen. Also dulde man nicht, dass in den Worten etwas in Unordnung sei. Das ist es, worauf alles ankommt.“

Anarchisches Grillen am Maifeiertag

Das Wetter soll schön werden am ersten Mai Anno 2024! In den Prognosen sind für diesen Mittwoch je nach Wetter-App 10 bis 11 Sonnenstunden, Temperaturen bis zu 25 Grad und leichte Bewölkung vorausgesagt. Mitten in der Woche ein arbeitsfreier Tag mit endlich auch passendem Frühlingswetter.

Und wem verdanken wir diesen „arbeitsfreien“ Tag? Wenn man Wikipedia trauen darf ist er eigentlich ein Gedenktag für sieben Anarchisten. Denn die hatten 1886 in Chicago eine Kundgebung organisiert, welche im Zusammenhang mit der Forderung der gewerkschaftlich organisierten Arbeiter-Streiks nach Einführung des 8-Stunden-Tages in einer gewaltsamen Auseinandersetzung der Polizei mit den Demonstranten mündete. Die sieben Organisatoren wurden wurden wegen Verschwörung zum Tode verurteilt.

Die dramatischen Ereignisse schön ausführlich: https://de.wikipedia.org/wiki/Erster_Mai#Geschichte:_Haymarket_Affair

Die mit diesem 1. Mai und den darauf folgenden Tagen verbundenen Ereignisse werden als Haymarket Riot, Haymarket Affair und Haymarket Massacre bezeichnet und begründeten die Tradition der internationalen Arbeiterbewegung und der Gewerkschaften, den 1. Mai als Kampftag der Arbeiterklasse zu begehen. (Quelle: Wikipedia)

Inzwischen ist es ja mit der internationalen Arbeiterbewegung nicht mehr so weit her. Und wenn die Gewerkschaften hierzulande zu den Kundgebungen dieses Tages rufen – wo bleiben die Arbeiter? Die befinden sich entweder im Schichtbetrieb der profitgetriebenen Rüstungs- oder Automobilkonzerne und ihrer unzähligen Zulieferer. Oder die Nachfolger der klassischen Proletarier genießen mit Freunden den freien Tag und stehen herrschaftsfrei am heimischen Grill.

Und damit wären wir beim Anarchismus (abgeleitet von altgriechisch anarchia ‚Herrschaftslosigkeit‘). Er ist eine politische Ideenlehre und Philosophie, die Herrschaft von Menschen über Menschen und jede Art von Hierarchie als Form der Unterdrückung von Freiheit ablehnt. Diesem [Anarchismus] wird eine Gesellschaft entgegengestellt, in der sich Individuen auf freiwilliger Basis selbstbestimmt und föderal in Kollektiven verschiedener Art wie Kommunen als kleinster Einheit des Zusammenlebens, Genossenschaften und Syndikaten als Basis der Produktion zusammenschließen. (nach Wikipedia)

Das sind doch lauter edle Ziele, die in der einvernehmlichen Grill-Gesellschaft verwirklicht werden können! Viel Erfolg und guten Appetit!

Verbot des Palästina-Kongresses in Berlin

Liebe Leserinnen und Leser, weil der Entdemokratisierungsprozess wie in diesem Paradebeispiel offensichlich in vollem Gange ist, muss die folgende Erklärung publik gemacht werden. (Hinweis: Die Illustration stammt aus dem arte-Film „Aufstand der Tiere“ nach dem Buch „Animalfarm“ von George Orwell)

ERKLÄRUNG DES BUNDESAUSSCHUSSES FRIEDENSRATSCHLAG

Der vom 12.-14.4. geplante Palästina-Kongress in Berlin unter dem Motto: „Wir klagen an“ wurde nach im Vorfeld bereits stattgefundenen massiven Diffamierungen aus Politik und Medien am Freitag nur kurze Zeit nach Beginn aufgelöst und verboten. Mehrere Menschen, darunter auch Personen jüdischer Herkunft, wurden verhaftet. Das Vorgehen von Politik und Polizei – obwohl es weder vor, noch während noch nach dem Kongress zu keinerlei strafbaren Äußerungen gekommen ist – darf nicht hingenommen werden.

Bereits im Vorfeld wurde alles versucht, um die friedliche Konferenz zu verhindern, auf der insbesondere eine Koexistenz von Israelis und Palästinensern praktiziert wurde. Die Schikanen gingen von Kontensperrungen und dem Versuch, mithilfe des Bauamts und der Feuerwehr unüberwindbare Hürden aufzubauen sowie willkürliche Auflagen zu erlassen, über Betätigungsverbote bis hin zur Verhinderung von Einreisen.

Neben ihren völlig haltlosen Anschuldigungen gegen den Kongress, seine Organisator:innen, Teilnehmer:innen und Redner:innen machen sich deutsche Politik und Medien der Verharmlosung israelischer Kriegsverbrechen an der Bevölkerung des Gazastreifens, der Westbank und Ostjerusalems schuldig. Selbst Zahlen der im Gazastreifen Getöteten sowie die von Israel verursachte Hungerkatastrophe in der Küstenenklave werden in Zweifel gezogen. Über die deutsche Mitverantwortung spricht man lieber nicht. Und das, während Deutschland als zweitgrößter Waffenlieferant Israels und wegen seiner Streichung der Gelder für das UN-Hilfswerk für Palästinaflüchtlinge UNRWA bereits vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag steht.

Die Bundesregierung isoliert mit ihrer Politik Deutschland in der gesamten Welt und handelt ohne jeden moralischen Kompass und Werte. Sie muss sich stattdessen für Deeskalation und diplomatische Lösungen im Israel-Palästina-Konflikt einsetzen.

Das Verbot des Kongresses ist ein riesiger Skandal und stellt eine weitere bedrohliche Eskalation bei der Aushebelung demokratischer Rechte dar. Die fortschreitende Einengung jeglicher Meinungskorridore in Deutschland ist brandgefährlich für alle, weil es das demokratisch verbriefte Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit einschränkt. Die zunehmende Unterdrückung von Meinungsäußerungen sowie die Repression aller kritischen Stimmen zum israelischen Krieg im Gazastreifen und dem absolut unverhältnismäßigen Vorgehen der israelischen Regierung und Armee geht uns alle an.

Kassel, den 14.4.2024

Folge der Narrenfreiheit

Es gibt verschiedene Bezeichnungen für ein offensichtlich wieder sehr aktuelles mentales Phänomen, über das schon im 19. Jahrhundert, als vor allem Erzeugnisse der Druckerpresse auf Papier quasi Massenmedien waren, ein bedeutender Schriftsteller eine Parabel schrieb. Zwar heißt es „Namen sind Schall und Rauch“, aber ebenso: „Nomen est Omen“. Je nachdem, wie man das Phänomen betrachtet, heißt es Meinungsbeeinflussung oder -änderung, -manipulation oder sogar Gehirnwäsche.

Letzterer Terminus wurde in den 1960-er und 1970-er Jahren in den westlichen Medien dafür gebräuchlich, wie die Revolutionsregierung der Volksrepublik China unter Mao Zedong Nichtkommunisten, insbesondere den letzten Nachkommen des letzten Kaisers, in besonderen Lagern umerziehen wollte. Etwas netter wird dasselbe Verfahren im „Westen“ – etwa seit dem Jahr 1900 – Propaganda oder Publik Relations genannt. (Hierzu ist der Beitrag „Lesen bildet“ zu empfehlen!)

Scharfsinnig hat schon Iwan S. Turgenjew das entsprechende Prinzip geschildert, wie es auch heutzutage praktiziert wird. Er hatte sogar in Deutschland studiert, wie aus Wikipedia ersichtlich ist:

https://de.wikipedia.org/wiki/Iwan_Sergejewitsch_Turgenew#Leben

Und hier ist seine hellsichtige Beobachtung:

Der Narr

Einst lebte ein Narr. Er lebte lange herrlich und in Freuden. Allmählich gelangte jedoch das Gerücht zu ihm, er gelte überall als fader Narr.

Verwirrt und traurig überlegte er nun, was dagegen zu tun sei. Plötzlich erhellte ein Gedanke seinen dunklen Verstand…

Er verwirklichte sein Vorhaben sofort.

Als er auf der Straße einem Bekannte begegnete und dieser einen berühmten Maler zu preisen begann, rief er aus: „Was reden Sie da?… Dieser Maler ist längst abgetan! …Wissen Sie es nicht? Das hätte ich nicht von Ihnen erwartet! Was sind sie für ein rückständiger Mensch!“ Der erschrockene Bekannte stimmte sofort dem Narren zu.

„Was habe ich heute für ein herrliches Buch gelesen!“ sagte ein anderer Bekannter dem Narren. „Aber ich bitte Sie!“ schrie der Narr. „Schämen Sie sich nicht? Dieses Buch ist gar nichts wert! Niemand schätzt es mehr! Wissen Sie das nicht? Was sind Sie für ein rückständiger Mensch!“ Auch dieser Mensch erschrak und war sofort derselben Ansicht.

„Mein Freund N.N. ist ein wunderbarer Mann!“ versicherte dem Narren der dritte Bekannte. „Ein wahrhaft edler Charakter!“ „Himmel!“ rief der Narr aus. Wie jeder weiß, ist N.N. ein gemeiner Kerl! Er hat doch seine ganze Verwandtschaft bestohlen. Wie kommt es, dass Sie es nicht erfahren haben? Was sind Sie für ein rückständiger Mensch!“ Der dritte Bekannte erschrak ebenfalls, stimmte ihm zu und sagte sich von seinem Freunde los. …

Und so kam es, dass der Narr immer wieder dasselbe antwortete, sobald etwas gelobt wurde. Manchmal fügte er auch vorwurfsvoll hinzu: „Und Sie glauben auch noch an Autoritäten?“

„Ein böser, ein gehässiger Mensch!“ hieß es nun über den Narren. „Aber welch ein Kopf!“ „Und was für eine scharfe Zunge!“ fügten andere Bekannte hinzu. „O ja, er ist begabt.“ Schließlich bot ihm der Herausgeber einer Zeitung eine leitende Stelle als Kritiker an.

Und nun unterzog der Narr alle und alles einer bissigen Kritik, ohne seine Ausdrucksweise oder seine entrüsteten Ausrufe zu ändern.

Jetzt war er – der einst jede Autorität schmähte – selbst eine Autorität, und die Jugend verging vor Ehrfurcht vor ihm – und fürchtete ihn auch.

Ja, wie sollten diese unglückseligen Jünglinge sich auch verhalten? Obwohl ja – unter uns gesagt – eine derartige Verehrung nie angebracht ist, blieb ihnen nichts anderes übrig. Wie sollten sie ihm nicht Ehrfurcht bezeugen? Liefen Sie doch Gefahr, als rückständig zu gelten.

Ja wie gut geht es Narren, wenn sie unter Feigen leben!

—————————————–

Seien Sie bitte ehrlich! Ist es heute anders?