Textbaustein: Der Gender-Ratschlag des Monats

Mit einem sachkundigen Hinweis am Schluss

Seitdem die Grüne Partei hierzulande den Status des politischen Schmuddelkindes der 1980-er Jahre unter anderem durch die allererste Regierungsbeteiligung, nämlich in Hessen unter Holger Börner (SPD) mit Joschka Fischer als Staatsminister für Umwelt und Energie überwunden und das Label „demokratische Partei“ erhalten hatte, gewannen auch neumodische Sprachkritiker nach und nach die Oberhand.

Denn die gesellschaftliche Benachteiligung des weiblichen Geschlechts sollte nun auch mit einer feministischen Stoßrichtung gegen das generische Maskulinum überwunden werden. Alsbald wurden z. B. in Stellenanzeigen „Mechaniker m/w/d“ gesucht. Auch alle möglichen menschlichen Gruppierungen wie etwa Abonnenten sollten zugleich auch eine weibliche Benennung bekommen. Weil das nun aber ziemlich umständlich ist und Texte infolge dessen aufgebläht und schwerer zu lesen bzw. auch zu sprechen sind, gab es Versuche mit Sternchen (Bürgerin*nen) oder auch Unterstrich (Lehrerin_nen). „Gendern“ wurde auf einmal zum neuen Volkssport von Gutmenschen.

Selbstverständlich erschwert dergleichen oft behördliche Kommunikationsversuche. Wenn aber nun diese Erschwernis dazu führt, dass der Magistrat der Stadt Korbach in der Einladung zum städtischen Seniorennachmittag – wie in meinem Fall – nur den Senior, nicht aber die mit diesem verheiratete Seniorin einlädt, dann ist durch das Weglassen des entsprechenden Textbausteins die Seniorin benachteiligt!

Es darf doch angenommen werden, dass sich meine 71-jährige Ehefrau, die ja mit mir auch vor drei Jahren im Rathaus angemeldet wurde, ebenfalls im Senioren-Stand befindet. Sie wurde aber bis dato weder mit mir zusammen noch mit einem extra Schreiben eingeladen.

Der nötige Textbaustein könnte also „Dazu möchte ich Sie und Ihre Ehefrau […] einladen.“ sein.

Abgesehen davon sind doch bestimmt auch alleinstehende Seniorinnen eingeladen worden – oder?

Nachtrag: Einem sachkundigen Korbacher Bürger verdanke ich inzwischen den Hinweis, dass für die besagte Einladung das Mindestalter 75 Jahre beträgt. Nichtsdestoweniger sind nur „Senioren“ eingeladen…

Über die heimliche Abschaffung des Bargeldes

Nur praktisch und bequem?

Seit der „Corona-Pandemie“ kann man es an an der Supermarkt-Kasse immer öfter erleben, wie jemand „kontaktlos“ mit seiner Bankkarte bezahlt. Manchmal hat man selber auch zu wenig Bares dabei. Etwas seltener wird schon mal nur das Smartphone vor das Lesegerät gehalten. Über manchen Kassen – und auch schon in Restaurants – ist zu lesen: Bitte zahlen sie kontaktlos! Meine letzte Fahrkarte für die Bahn bekam ich nur, weil ich auf dem Handy mit meiner Email-Adresse erreichbar war. Das Wunderding mutiert schon zum Allzweckmittel,

Die im folgenden – von Norbert Haering verlinkten – Artikel beschriebenen Beispiele, Situationen und Zustände zeigen, wie dahinter ein klandestines und ungesetzliches Bestreben nach der Bargeldabschaffung steckt.

Im letzten Absatz gibt es auch den Link zu einer Petition für den Erhalt des Bargeldes als allgemeines Zahlungsmittel: https://bargeldverbot.info/petition

Wo der Daumen links ist?

Abgeschrieben aus: junge Welt, Ausgabe vom 06.09.2024, Seite 12 / Thema

Die Jugend und die AfD – Wo der Daumen links ist?

Wie tickt die Jugend? Über junge Wähler, Rechtsruck und den Extremismus der Mitte

Von Michael Klundt

12-13.jpg

Da ist einiges durcheinandergeraten. Vorgeblich friedensliebende junge Faschisten (Wahlkampfabschluss der Thüringer AfD auf dem Erfurter Domplatz, 31.8.2024) Foto: Po-Ming Cheung

Michael Klundt ist Professor für Kinderpolitik im Fachbereich Angewandte Humanwissenschaften der Hochschule Magdeburg-Stendal.

Es ist bitter zu erleben, dass viele (junge) Menschen, die berechtigterweise – nicht (nur) wegen falscher Kommunikation der Regierenden – mit der Politik der Bundesregierung und deren Auswirkungen unzufrieden sind, sich ausgerechnet eine rassistische Partei als »Alternative für Deutschland« aussuchen; eine Partei, die Zeit ihres Bestehens immer gegen einen armutsfesten Mindestlohn, gegen eine Vermögensteuer, gegen eine Bürgerversicherung, für Aufrüstung, für die Wehrpflicht, für den Gazakrieg und mehr Geld für das Militär eintritt; eine Partei, die den sozialen Rechtsstaat noch radikaler zerstören will, als das die übrigen Parteien bereits vorangetrieben haben.

Was ist links?

Wer indes wissen will, wie »rechts« die deutsche Jugend ist, muss sich zunächst seines eigenen Koordinatensystems vergewissern. Denn für jung und alt ist da seit einiger Zeit einiges ganz schön unübersichtlich geworden. Was bedeutet es zum Beispiel für sich als links verstehende Menschen, wenn sie hören, dass ein renommierter marxistischer Gelehrter inzwischen von sich sagt: »Ich bin nicht links, ich bin Kommunist.« In der Wochenzeitung Freitag vom 4. März 2022 schrieb der Politikwissenschaftler Georg Fülberth kurz nach dem Beginn des Ukraine-Krieges Ende Februar 2022: »Am 25. Februar fand eine Sondersitzung des Bundestags statt. Die Linkspartei lehnt Waffenexporte in die Ukraine und die Erhöhung der Rüstungsausgaben ab, nicht aber Sanktionen. Amira Mohamed Ali, die Kovorsitzende der Linksfraktion, machte Vorschläge für deren Feinjustierung. Die jahrzehntelange NATO-Osterweiterung kritisierte sie nicht. Dies überließ sie der AfD-Abgeordneten Alice Weidel und auch anderen Rednern von deren Fraktion, die in diesem Punkt – zugleich kontaminiert durch Forderungen nach Hochrüstung und Rückkehr zur Atomkraft – die Oppositionsführung übernahm, anstelle der Linkspartei.«¹

Fangen wir also mit der Ordnung unserer Begriffe an.² Was ist links? »Links« soll sein der Einsatz für soziale Gleichheit und Gerechtigkeit, für Demokratisierung und für Abrüstung sowie friedliche Koexistenz im Geiste internationaler Solidarität.

Was ist rechts?

»Rechts« soll sein der Einsatz oder die Akzeptanz für soziale Ungleichheit, für autoritäre Bevormundung der Mehrheit der Bevölkerung und für militärische Aufrüstung sowie national-egoistische Herrschafts- und Machtpolitik im Geiste internationaler Konkurrenz und des Kampfes gegen andere Staaten.

Was davon zeichnet die Ampelregierung aus und was die Oppositionsparteien? Wie viel davon wird von wissenschaftlichen Studien operationalisiert, erfragt und von einflussreichen Medien berichtet? Um dem nachzugehen, wird im folgenden die Thematisierung diverser Jugendstudien in Deutschland 2024³ in verschiedenen Leitmedien betrachtet. Doch zunächst geht es um die Ergebnisse der letzten Landtagswahlen je nach Altersgruppen.

Die AfD gewinnt

Am 1. September 2024 sind alle vorherigen Befürchtungen eingetreten. Die AfD hat bei jung und alt enorm hinzugewonnen, so dass von einem regelrechten Rechtsruck die Rede ist. Die Stimmen für die AfD bei den Jungwählern sind zum Teil nicht (wesentlich) höher als bei den anderen Altersgruppen. So hatte laut Wählernachbefragung durch Infratest Dimap die AfD in Sachsen insgesamt 31 Prozent erhalten (plus drei im Vergleich zu 2019); die 18- bis 24jährigen wählten die AfD ebenfalls zu 31 Prozent (plus elf). In Thüringen erhielt die AfD insgesamt 33 Prozent (plus zehn), während 18- bis 24jährige sie zu 38 Prozent wählten (plus 15). Der Anstieg im Verhältnis zu den letzten Landtagswahlen 2019 ist also bei den Jungwählern deutlich steiler als bei den anderen Altersgruppen. Allerdings haben in Sachsen einige ältere Wählergruppen noch höhere AfD-Werte erzielt, und in Thüringen lagen die meisten anderen Altersgruppen mit 36 bis 37 Prozent eher auf der Höhe der Jungwähler. Die einzige Altersgruppe, die deutlich weniger AfD gewählt hat, waren in beiden Bundesländern die über 70jährigen (Sachsen: 24 Prozent, plus drei) und in Thüringen 19 Prozent (plus sechs).⁴

Etwas leiser als im Frühjahr und nach den Wahlen zum EU-Parlament im Juni 2024 sind nun vor diesem Hintergrund die Stimmen, die vor allem die jugendlichen Rechtswähler betonen und gesamtgesellschaftliche Zusammenhänge ausblenden.⁵ Solcherart wurde und wird dann häufig auch »die Jugend ist rechts« oder »die Jugend wählt rechts« behauptet, obwohl zumindest eine große Mehrheit der Jungwähler gerade nicht AfD gewählt hat (zumindest deutlich mehr als 60 Prozent). Diese Form der Pauschalisierung erfüllt offenbar eine gewisse gesellschaftspolitische Entlastungsfunktion. Die Pauschalisierer müssen weniger über Erwachsene, Eltern und eigene journalistische, politische, wissenschaftliche und pädagogische Verantwortung für diese Entwicklung nachdenken. Es reicht, alle Probleme auf »die Jugend« zu projizieren. Dass in der Augsburger »Jugendwahlstudie 2024« 65 Prozent der ostdeutschen und 74 Prozent der westdeutschen Jugendlichen von Angst vor der AfD berichteten, dass in der Jugendstudie vom Frühjahr »Jugend in Deutschland 2024« unter anderem 44 Prozent der Befragten große Sorgen wegen des Aufstiegs rechtsextremer Parteien äußerten,⁶ wird dadurch einfach ausgeblendet. Die pauschale Aussage »die Jugend wählt rechts« über eine ganze Generation unterschlägt schlicht diesen Sachverhalt und ist undifferenziert.

Richtig ist: Ein wachsender Teil der Jugend wählt rechts. Deshalb ist es aber auch für die politische Kommunikation kontraproduktiv, wenn zum Beispiel die 44 Prozent der Befragten, die große Sorgen wegen des »Erstarken rechtsextremer Parteien« äußern, nicht explizit gewürdigt und unterstützt, sondern mit den Wählern der AfD in einen Topf als »die rechte Jugend« geworfen werden. Diesbezüglich wäre etwas mehr Gründlichkeit und Differenzierung nötig. Statt dessen wird in manchen Studien auch noch alles Mögliche ebenfalls als »rechts« oder »rechtsoffen« diffamiert. Aussagen wie, dass »die da oben« andere Interessen haben als »wir hier unten« und »einfache Menschen« der Regierung egal seien, werden dann oft nicht als vielleicht etwas undifferenzierter Klassenstandpunkt erörtert, sondern meist sofort als Teil von »Populismus« und »Verschwörungserzählungen« in die rechte Ecke gestellt. Das sollte skeptisch machen. Zumal viele alarmistische Medien, die solche Aussagen tätigen, oft kaum Interesse zeigen für die realen Lebenslagen, Lebenswelten, Empfindungen und Ansichten junger Menschen.

Damit werden viele Medien, Politikerinnen und Politiker und auch manche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler selbst zum Teil des Problems. Das gilt es genauer zu untersuchen, da die Vermutung besteht, dass aus genau diesen Verzerrungen heraus und den damit verbundenen Kommunikationsstörungen der Aufstieg der AfD mitzuerklären ist. Außerdem lässt sich die Vermutung äußern, dass das rechte gesellschaftspolitische Projekt zur Militarisierung Deutschlands und zur Vorbereitung auf Krieg (zum Beispiel gegen Russland) durch Aufrüstung, Kriegspropaganda (auch bei Kindern), Waffenexporte usw. hin zur »Kriegstüchtigkeit« von einer sehr großen Koalition aus SPD, FDP, Bündnis 90/Die Grünen, CDU/CSU und AfD am besten betrieben werden kann, wenn es auch noch im Namen eines angeblichen »Kampfes gegen rechts« durchgeführt wird. Auch dies sollte im Auge behalten werden.

Was für ein Rechtsruck?

Im Jahre 2017 fand sich in der Reihe »Wiso direkt« der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) ein beeindruckender Artikel über »Angst im Sozialstaat« von Sigrid Betzelt und Ingo Bode.⁷ Die Autoren begriffen die verschiedenen neoliberalen Sozialstaatsreformen im Rahmen der »Agenda 2010« als ein gigantisches Verarmungs-, Entrechtungs- und Disziplinierungsprogramm für die große Masse der abhängig Beschäftigten (dass es – in Verbindung mit Steuerentlastungen für Wohlhabende – auch ein Bereicherungsprogramm für die herrschende Klasse war und ist, war ihnen entgangen). Alle Lohnabhängigen »wussten« von nun an, dass sie nach einem Jahr Arbeitslosigkeit sofort im weitgehend rechtlosen Fürsorgesystem von Sozialhilfe/Hartz IV landeten, ohne Achtung für ihre jahrelangen Einzahlungen in die Arbeitslosenversicherung und ohne Beachtung ihrer Qualifikation und in dem Wissen, dass ihr Lebensstandard spätestens im Alter durch die Rentenkürzungen und -privatisierungen seit der »Riester-Rente« systematisch abgesenkt und verunsichert wurde. Leiharbeiter vor Augen, die für die Hälfte des eigenen Lohns arbeiten, überlegte sich jeder Beschäftigte zweimal, ob er mit Betriebsrat, Gewerkschaft und Streikaufrufen mitging oder lieber brav »das Maul hält«. Minderheitenfeindliche Tendenzen und der Aufstieg rechtspopulistischer Kräfte verweisen aus Sicht von Betzelt und Bode auf eine damit verbundene latente soziale Krise. »Wir argumentieren, dass diese maßgeblich mit der Liberalisierung des deutschen Sozialmodells zusammenhängt. Diese provoziert Angstzustände, welche Anpassungsbereitschaften erzeugen, aber zugleich die soziale Integration strapazieren.«

Die damit verbundene Resignation ist offenbar spätestens nach einigen Jahren umgeschlagen in Ressentiments gegen Sündenböcke (von den seit einer Generation CDU-regierungsamtlich tolerierten neonazistischen, »national befreiten Zonen« in Sachsen und anderswo ganz zu schweigen). Und genau auf dieser Welle surft nun die AfD. Die FES-Autoren forderten dringend solidarische Sozialstaatsreformen, um unsolidarische und sozialdarwinistische Tendenzen zurückzudrängen. Wer sich heute fragt, warum die SPD in den ostdeutschen Bundesländern mit der Fünfprozenthürde kämpft, sollte sich diesen Aufsatz von vor sieben Jahren noch einmal zu Gemüte führen.

Erstaunlicherweise nahmen viele Mainstreammedien die Augsburger »Jugendwahlstudie 2024« (eine von Anfang Juli bis Mitte August 2024 erfolgte Befragung von tausend 16- bis 25jährigen) noch kurz vor den Wahlen in Thüringen und Sachsen mit großer Aufmerksamkeit zur Kenntnis, fühlten sich aber zu keiner Zeit selbst angesprochen. So wird in der Regel mit Erstaunen referiert, dass viele junge Menschen sich als »links« verstehen, aber zugleich »rechte« Positionen vertreten oder gar »rechts« wählen würden.⁸ Dass viele Medien, Politiker, Wissenschaftler sich ebenfalls allzu oft als »links« oder »liberal« verstehen, aber Parteien präferieren, die rechtsautoritäre Politik betreiben (Aufrüstung, Kriegstüchtigkeitspropaganda, Waffenexporte, Sozialabbau usw.), kommt den über junge Menschen erstaunten Mainstreammedien nicht in den Sinn. Sie skandalisieren auch in der Regel nie Parteien oder deren Funktionäre, die grundgesetzwidrig den Sozialstaat abbauen wollen, die Vermögensteuer ablehnen, Aufrüstung, Waffenexporte und Kriegspropaganda betreiben, »Slava Ukraini« rufen oder mit Verherrlichern von Holocausthelfern wie Stepan Bandera zusammenarbeiten. Das ist alles o.k. für die selbstgerechte »Mitte«.

Derweil wird immer sichtbarer, dass von Regierungsseite jegliche Unterversorgung des Bildungswesens, der Flüchtlingsbetreuung, des Bürgergeldes oder der Kindergrundsicherung in Kauf genommen wird, aber der Rüstungsetat unantastbar ist. Auch die Waffenlieferungen an die Ukraine stehen nicht zur Disposition. Das ist rechts, das ist lebensgefährliche, rechte Politik. Nur wenige Menschen haben in den letzten Jahren dagegen demonstriert. Praktisch keine Mainstreammedien haben Demoaufrufe dazu verbreitet. Kaum Wissenschaftler haben in ihren (Jugend-)Studien überhaupt Parameter und Items für sozialstaatsfeindliche, die im Grundgesetz stehende Vermögensteuer ablehnende und das Friedensgebot des Grundgesetzes verletzende, also verfassungsfeindliche »rechte«, Propaganda und Politik der Militarisierung und des Sozialabbaus eingebaut.

Für die repräsentative Studie »Jugend in Deutschland 2024« wurden im Januar und Februar 2024 etwa 2.000 junge Leute von 14 bis 29 Jahren befragt. Sie gaben Antworten zu ihrer Parteipräferenz, ihren größten Sorgen, der Zufriedenheit mit ihrer persönlichen Lage (Finanzen, Gesundheit, berufliche Chancen) und der gesellschaftlichen Lage (Wirtschaft, Zusammenhalt, politische Verhältnisse, Lebensqualität in Deutschland). Als Ergebnis wurde festgestellt, dass die junge Generation im Vergleich zu den Befragungen der Vorjahre immer unzufriedener geworden ist, besonders hinsichtlich ihrer gesellschaftlich-wirtschaftlichen Lage.

Philipp Wundersee vom WDR fasste für tagesschau.de am 23. April 2024 die wichtigsten Sorgen der befragten jungen Menschen zusammen: »Die großen Sorgen der jungen Menschen in Deutschland aufgrund von Inflation (65 Prozent), teurem Wohnraum (54 Prozent) und Altersarmut (48 Prozent), aber auch die Spaltung der Gesellschaft (49 Prozent) oder die Zunahme von Flüchtlingsströmen (41 Prozent) führen zu hoher Unzufriedenheit der jungen Generation mit ihrer Lebenssituation und den politischen Verhältnissen.« Interessanterweise lässt der Autor aber verschiedene wichtige Sorgenverursacher außen vor, genauso wie deren Entwicklung in den letzten zwei Jahren: Da wären vor allem der »Krieg in Europa und in Nahost« mit immerhin 60 Prozent (2022: 68 Prozent; 2023: 59 Prozent), der Klimawandel mit 49 Prozent (2022: 55 Prozent, 2023: 52 Prozent), die Sorgen hinsichtlich der »Wirtschaftskrise« bei 48 Prozent der Jugendlichen (2022: 39 Prozent; 2023: 45 Prozent) oder auch das »Erstarken rechtsextremer Parteien« mit 44 Prozent unter den Befragten (2022: 35 Prozent; 2023: 32 Prozent). Schaut man diese Angaben unbefangen an, so kann man unmöglich zum Ergebnis kommen, dass »die Jugend rechts« eingestellt sei. Was immer auch für Interpretationen möglich wären, scheint doch zumindest eine ziemliche Spaltung innerhalb der jungen Generation sichtbar zu werden.

Gestresst und unzufrieden

Hinsichtlich des individuellen Wohlbefindens und psychischer Belastungen der befragten Jugendlichen zwischen 14 und 29 Jahren verkündet tagesschau.de einen besorgniserregenden Absturz: »Im Vergleich zu den früheren Studien scheint die Stimmung derzeit zu kippen. Das zeigt sich an einem hohen Ausmaß von psychischen Belastungen wie Stress, den 51 Prozent der Befragten angeben. Ähnlich zur Erschöpfung (36 Prozent) und der Hilflosigkeit (17 Prozent), die in den vergangenen drei Jahren trotz des Abflauens der Coronapandemie weiter angestiegen sind. Es geben elf Prozent der Befragten an, aktuell wegen psychischer Störungen in Behandlung zu sein.« Dies wird noch deutlicher, zieht man die beiden Vorjahreswerte hinzu: Demnach haben sich von 2022 über 2023 bis 2024 Stress (45, 46 und 51 Prozent), Erschöpfung (32, 35 und 36 Prozent), Selbstzweifel (25, 33 und 33 Prozent), Gereiztheit (22, 24 und 25 Prozent), Hilflosigkeit (13, 14 und 17 Prozent) und Suizidgedanken (7, 6 und 8 Prozent) deutlich erhöht, während »keine der genannten Belastungen« lediglich von 22 Prozent (2022: 23 Prozent, 2023: 19 Prozent) genannt wurden.

Kommen wir nun zu dem Aspekt, welcher offenbar das einzige öffentliche Interesse an dieser Studie und der jungen Generation motiviert, die Parteienpräferenz. Tagesschau.de vom 23. April 2024: »Die AfD stehe laut ihrer Befragung mit 22 Prozent aktuell an der Spitze der Wählergunst bei den unter 30jährigen (2022: 9 Prozent). AfD und CDU/CSU hätten stark in der Gunst zugelegt, die Regierungsparteien enorm verloren. Demnach würden sich 20 Prozent für die CDU entscheiden (2022: 16 Prozent). Alle weiteren Parteien verlieren bei der jungen Generation Stimmen: Die Grünen liegen in der Gunst der jungen Wähler zur Zeit bei 18 Prozent (2022: 27 Prozent), die SPD bei 12 Prozent (2022: 14 Prozent), die FDP bei acht Prozent (2022: 19 Prozent). Ein Viertel bezeichnete sich als unentschlossen.«

Selbstgerechte Mitte

Auch das ZDF kommt zu einer ähnlichen Bilanz: Unter der Überschrift »Deutlicher Rechtsruck« vermittelt zdf.de vom 23. April 2024 folgendes Studienergebnis: »Es sei ein deutlicher Rechtsruck in der jungen Bevölkerung zu sehen, so Autor Klaus Hurrelmann. Demnach sinken die Zustimmungswerte für die Grünen, die FDP und die SPD deutlich. Die Union (CDU und CSU) verbesserte sich der Umfrage zufolge bei jungen Menschen von 16 auf 20 Prozent, das neue Bündnis Sahra Wagenknecht kommt auf fünf Prozent. Die Zahl derjenigen, die auf die Frage, wen sie wählen würden, mit ›Ich weiß es nicht‹ antworteten, stieg deutlich von 19 Prozent vor zwei Jahren auf heute 25 Prozent.« Trotz der sinkenden Ampelwerte und steigenden Unions- und AfD-Wahlabsichten sollte selbst hierbei nicht vorschnell »die Jugend« als »rechts« bezeichnet werden, wie dies in vielen Beiträgen nach Veröffentlichung der Studie geschehen ist. In Verbindung mit den ermittelten Sorgen vieler junger Menschen ist zum Beispiel die gesunkene Zustimmung zur Ampel keineswegs grundsätzlich »rechts«. Genauso wenig gilt dies zwangsläufig für den Aufstieg des BSW oder die steigenden Zahlen bei den Unentschlossenen.

Dass die vorherrschende veröffentlichte Meinung in Politik, Medien und Wissenschaft nicht unbedingt mit der öffentlichen Meinung übereinstimmt, wurde schließlich sichtbar anhand der Wahlen zum EU-Parlament im Juni 2024. Was war herausgekommen aus all den Studien und Prognosen? Zunächst einmal muss die Vergleichbarkeit vieler Untersuchungen befragt werden, da sich die einen auf 12- bis 18jährige oder 16- bis 24jährige beziehen, die anderen auf 18- bis 24jährige, wieder andere schauen auf 14- oder 16- bis 29jährige usw. Auch im Zeitverlauf muss berücksichtigt werden, dass die Gruppe der unter 25jährigen bei der Wahl 2024 von 16 bis 24 Jahre und bei der Wahl 2019 nur von 18 bis 24 Jahre alt war. Dies alles in Rechnung gestellt, lässt sich folgendes zum Wahlergebnis sagen: Die AfD wurde von der gesamten Wahlbevölkerung zu 16 Prozent gewählt, und bei den unter 25jährigen erhielt sie ebenfalls 16 Prozent. Das bedeutet zwar für die unter 25jährigen eine Verdreifachung der AfD-Wählerinnen und Wähler im Verhältnis zur letzten EU-Wahl, jedoch keinen wesentlichen »Ausreißer« im Verhältnis zu den älteren Altersgruppen. Im Gegenteil, denn während der Bayerische Rundfunk zwar am 11. Juni 2024 titelte »Europawahl 2024: Arbeiterpartei AfD – die Jugend wählt rechts«, konnten die verlinkten Studienergebnisse von Infratest Dimap auf der gleichen Homepage die Behauptung über »die Jugend« deutlich entkräften. Zwar erhielt die AfD bei den Arbeitern tatsächlich von allen Parteien die höchsten Werte (33 Prozent), konnte das aber für die Jungwähler keineswegs von sich sagen. Bei den 16- bis 24jährigen schnitten die Union mit 17 Prozent, die AfD mit 16 Prozent, die Grünen mit elf Prozent, die SPD mit neun Prozent, die FDP mit sieben Prozent, die Linkspartei mit sechs Prozent und das BSW ebenfalls mit sechs Prozent ab. Zugleich wählten etwa 28 Prozent der jungen Wähler nichtetablierte Parteien wie Die PARTEI, Volt, Tierschutzpartei usw. 84 Prozent der Jungwähler gaben bei den Wahlen zum EU-Parlament ihre Stimme also nicht der AfD.

Etwas differenzierter zu den Altersgruppen ermittelte Infratest Dimap – wie gesagt – für die Gesamtwählerschaft und für die 16- bis 24jährigen 16 Prozent für die AfD; bei den 25- bis 34jährigen waren es immerhin 18 Prozent, bei den 35- bis 44jährigen sogar 20 Prozent, bei den 45- bis 59jährigen wieder 18 Prozent, bei den 60- bis 69jährigen 15 Prozent und bei den über 70jährigen »nur« acht Prozent. Wenn also Altersgruppen als besonders AfD-affin beschrieben werden sollten, so wären dies vor allem die 35- bis 44jährigen. »Die« Jugend unter 25 lässt sich demgegenüber eher als »durchschnittlich« beschreiben. Was nichts an der Dramatik des Rechtsextremismus ändert.

Dennoch spricht fast der gesamte liberale Medienmainstream seit der Hurrelmann-Studie und nach den EU-Wahlen vom »Rechtsruck« der Jugend. Nur die FAZ vom 20. Juni 2024 kam nach einer weiteren Jugendbefragung durch das Allensbach-Institut zu einer konträren Ansicht: »17 Prozent der Deutschen unter 30 finden die AfD am sympathischsten. Insgesamt ist die Jugend aber eher links als rechts, wie eine Allensbach-Umfrage (…) zeigt. In den vergangenen Monaten gab es wiederholt aufgeregte öffentliche Diskussionen über die politische Orientierung der jungen Generation. Vor wenigen Jahren sei sie noch überwiegend links gewesen, habe sich vor allem für Umwelt- und Klimaschutz interessiert, nun sei sie nach rechts gerückt, sei frustriert und perspektivlos und habe sich unter dem Einfluss der sozialen Medien der AfD zugewandt.«⁹

Lechts und Rinks?

Was der Medienmainstream jungen Menschen für ihre politische Sozialisation anbietet, ist eine Diffamierung widerständiger Positionen und Umlenkung einer möglichst breiten Schicht Jugendlicher in die »Mitte«: Wer Coronamaßnahmen kritisierte, war AfD-nah und rechts, wer sich nicht impfen lassen wollte, war »Nazi«, »Impfterrorist« und »Sozialschädling«,¹⁰ wer gegen Waffenlieferungen an die Ukraine argumentiert, ist wie die AfD, also rechts, wer die Kriegsverbrechen in Gaza ablehnt, ist bestimmt rechts (aber nicht mit der AfD, die das Vorgehen der israelischen Armee wegen ihres Hasses auf Muslime gutheißt); wer nicht sternchen-gendert, spricht wie die AfD, wer sich die Klimapolitik der Bundesregierung (Wärmepumpen, Frackinggas, Verbrennerausstieg, E-Autos) nicht leisten kann oder will, ist ein Klimaleugner, also ebenfalls rechts und mit der AfD. Bei der Anzahl der hierbei Diffamierten ist es fast ein Wunder, dass nicht noch viel mehr junge wie alte Menschen regelrecht zur AfD-Wahl getrieben wurden.

Wie hohl klingt da das offiziell geäußerte »Nie wieder Krieg – nie wieder Faschismus«. Alle völkerrechtswidrigen Angriffskriege durch NATO-Staaten in den letzten drei Jahrzehnten blendet der Mainstream einfach aus. Die eigene Komplizenschaft beim saudischen Krieg im Jemen, das eigene Schweigen zum aserbaidschanischen Angriff auf Armenien sowie zu türkischen oder israelischen Aggressionen gegen Irak oder Syrien interessieren genauso wenig. Der einzige wirkliche völkerrechtswidrige Angriffskrieg ist der Krieg Russlands gegen die Ukraine – dessen Vorgeschichte man, versteht sich, ausblendet. NATO-Expansionismus, Regime-Change 2014 mit Nationalisten und Neofaschisten, Bombardement der ostukrainischen Zivilbevölkerung mit schwerer Artillerie durch von NATO-Staaten bewaffnete Kiewer Militärs und rechtsextreme Paramilitärs, all das soll es einfach nicht gegeben haben; alles nur Kreml-Propaganda. Alles rechts.

Für einen jungen Menschen, der unter diesen politischen, medialen und wissenschaftlichen Bedingungen aufgewachsen ist, dürfte es einigermaßen schwer sein, sich im Rechts-links-Koordinatensystem zurechtzufinden. Bei dieser »Umwortung aller Worte« werden augenscheinlich zentrale Inhalte des Adjektivs »links« entfernt und durch reaktionäre Inhalte ersetzt. Vor diesem Hintergrund sollten auch die verschiedenen Jugendstudien und deren politische, mediale und wissenschaftliche Thematisierung kritisch betrachtet werden. Es drängt sich der Verdacht auf, dass sich die veröffentlichte Meinung nur dafür interessiert, wie viele junge Menschen beabsichtigen, die AfD zu wählen; alles andere scheint nebensächlich zu sein, wird umgehend vergessen oder verdrängt. Und damit wird womöglich schon ein zentrales Bündel von Ursachen für Ansichten und politische Entscheidungen vieler junger Menschen ausgeblendet. Der »Extremismus der Mitte« in Politik, Medien und Wissenschaft gerät derweil zum entscheidenden Steigbügelhalter für den Rechtsruck in den gesamten europäischen Gesellschaften.

Anmerkungen:

1 https://www.freitag.de/autoren/georg-fuelberth/ukraine-krieg-haben-sich-linke-in-wladimir-putin-getaeuscht

2 Vgl. Norberto Bobbio: Rechts und Links: Zum Sinn einer politischen Unterscheidung. In: Blätter für deutsche und internationale Politik 5/1994, S. 543–549

3 Vgl. https://simon-schnetzer.com/trendstudie-jugend-in-deutschland-2024/ oder https://www.bpb.de/shop/buecher/schriftenreihe/549130/wie-ticken-jugendliche-sinus-jugendstudie-2024/

4 Vgl. https://www.tagesschau.de/wahl/archiv/2024-09-01-LT-DE-TH/umfrage-alter.shtml sowie https://www.tagesschau.de/wahl/archiv/2024-09-01-LT-DE-SN/umfrage-afd.shtml

5 Vgl. Pauline Reibe: Jung, ostdeutsch, rechts: Darum wählt meine Generation die AfD. In: Hamburger Morgenpost, 2.9.2024

6 https://www.generation-thinking.de/post/jugenwahlstudie-2024 sowie https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/studie-jugend-100.html

7 Vgl. https://collections.fes.de/publikationen/content/zoom/1210952

8 Vgl. Frankfurter Rundschau, 27.8.2024; ein Phänomen, welches auch schon in Studien seit den 1990er Jahren über sich als eher »links« verstehende Gewerkschafter bemerkt wurde, die offen für standortnationalistische und »rechte« Parolen waren. Vgl. Richard Stöss: Gewerkschaften und Rechtsextremismus in Europa, Berlin 2017, S. 25 f.

9 Thomas Petersen: Debatte über Rechtsruck. Wer jung ist, steht eher links der Mitte. In: FAZ, 20.6.2024

10 Vgl. Der Freitag, 27.6.2024

Wahltag – Qualtag?

Ob dieser erste September 2024 in die Geschichtsbücher eingehen wird, werden wohl die Historiker und Schulbuch-Autoren einmal entscheiden. Jedenfalls haben viele, wohl viel zu viele Kundige und selbsternannte Experten in den vergangenen Monaten eine Spaltung Deutschlands festgestellt. Demnach gibt es wieder zwei Deutschlands 35 Jahre nach dem Fall der Mauer. Traditionsparteien wie die in Berlin regierende „Ampel“ aus SPD, FDP und Grünen scheinen bei den heutigen Wahlen zu den Landtagen in Thüringen und Sachsen chancenlos zu sein.

Dass dagegen die „Neulinge“ AfD und BSW (Bündnis Sara Wagenknecht) stimmenmäßig absahnen, scheint eine ausgemachte Sache zu sein.

An diesem Sonntag scheint die Sonne, vielleicht bilden sich hier und da ein paar Gewitterwolken? Die allgemeine Stimmungslage scheint bis zu den ersten Hochrechnungen nach Schließung der Wahllokale angespannt zu sein. Da könnte ja folgende aktuelle Glosse aus der Tageszeitung junge Welt etwas entspannend wirken:

„Von der Thüringer Landtagswahl am 1. September liegt bereits das vorgebliche amtliche Endergebnis vor. Demnach hat die AfD mit 33 Prozent die meisten Stimmen erhalten, gefolgt von CDU, Die Linke und BSW mit jeweils 18 Prozent. Die Landesbratwurstpartei kam auf sieben, auf die »Sonstigen« entfielen sechs Prozent, darunter drei auf SPD, Grüne und FDP. Nicht jeweils, sondern zusammen. Der ordnungsgemäße Zustand der Wahlprotokolle wurde von Beobachtern der venezolanischen Regierung bestätigt. Union, Linkspartei und das Bündnis Sahra Wagenknecht nahmen noch in der Wahlnacht die Streitigkeiten zur Bildung einer Koalition auf.

In einer Verletzungspause trat Nochministerpräsident Ramelow mit eingegipsten Beinen vor die Presse und kündigte die Umbenennung der Thüringer Linkspartei in Bündnis Bodo Ramelow (BBR) an. Danach teilte CDU-Chef Mario Voigt (mit Kopfverband) mit, dass die Union in Thüringen künftig Bündnis Helmut Kohl (BHK) heißen wird. Die BSW-Inhaberin Sahra Wagenknecht verfolgte die Auftritte ihrer künftigen Koalitionspartner von der Hotelbar aus, während sie eine Kalaschnikow auseinandernahm, reinigte und wieder zusammensetzte.

Die Spitzenkandidatin der Bündnisgrünen, deren Name noch in der Wahlnacht in Vergessenheit geraten ist, räumte die Niederlage ein und erklärte sie mit der »asymmetrischen Kriegführung der Herren Putin, Lukaschenko und Söder«. Und fügte hinzu: »Das ist natürlich ein Schlacks im Gesicht!« Die Grünen werden fürderhin als Bündnis Rudolf Steiner (BRS) antreten.

Die SPD wird derweil aus dem Wahlergebnis die Konsequenzen ziehen und über die Abschiebung von Olaf Scholz nach Afghanistan beraten. Der Nochlandesvorsitzende, dessen Namen ebenfalls keiner mehr kennt, warnt seine Genossen vor einer Umbenennung: »Wir sind die einzige Partei Deutschlands, die nie ihren Namen ändern musste!« – »Das ist Unsinn, mein lieber Dings. 1863 hießen wir ADAV, ab 1869 SDAP, ab 1871 SAP …« – »Wie der Softwaremulti? Wie geil!« – »Wir könnten uns doch Bündnis MS-DOS nennen, das klingt voll modern.« – »Oder Faxbündnis Deutschland (FBD)! Slogan: Wählt uns, wir machen Faxen!« – »Nein, faxen ist voll out. Die Jugend mailt jetzt. Also Bündnis Deutsche Mail (BDM)!« – »Mailen ist nicht woke, Thorben-Joy. Hitler war Kunstmailer, bevor er Politiker wurde.« – »Tatsächlich …?«

Zur selben Zeit diskutieren die Vorstände von AfD und Werteunion in einem Arnstädter Bordell über die Frage, wer sich künftig Bündnis Adolf Hitler (BAH) nennen darf. Gegen Mitternacht erschießt Höcke den Schäferhund von Hans-Georg Maaßen, woraufhin alle Mitglieder der Werteunion sofort der AfD beitreten, …

… während die Thüringer SPD weiter um die Namensfindung ringt. Ein Drittel ist für eine Fusion mit der CDU zum Bündnis Große Koalition (BeGeKack). Ein Drittel sieht keinen Handlungsbedarf, weil »uns eh kein Schwein mehr wählt, nicht mal für Geld«. Und das letzte Drittel votiert für die Bildung eines Arbeitskreises bei der Historischen Kommission. »Geht nicht, Genossen. Unsere Historische Kommission haben wir vor ein paar Jahren aufgelöst.« – »Warum das denn?« – »Die hat zuletzt nur noch Unfug angestellt.« – »Was denn?« – »Die haben eine Trockenhaube vom Friseur umprogrammiert zu einer KI-Zentrifuge, die aus den Artikeln des Grundgesetzes humoristische Trauerreden montiert.« – »Trauerreden für wen?« – »Für die SPD«.“

Nach dem Urlaub

Eine verschmitzte, nicht ganz unpolitische Betrachtung.

Zum Bild: Der Strand bei Bansin, Usedom © Julius Schrank für ZEIT ONLINE

Kennen Sie den? Treffen sich am Persischen Golf zwei befreundete Scheichs. Sagt der eine: „Mensch, ich hab dich aber lange nicht gesehen!“ Antwortet der andere: „Ich war ja auch im Urlaub.“ Erstaunt reagiert der Frager: „Wo bist Du denn gewesen?“ – „In den Niederlanden“ antwortet der andere. – „Und wie war’s?“ – „Einfach fantastisch!“ – „Was kann denn in den Niederlanden fantastisch sein?!“ – „Stell dir vor: vierzehn Tage Regen!“

Zugegeben – der Witz ist schon etwas angestaubt, zeigt aber doch, wie unterschiedlich Urlaubserfahrungen sein können. Damals war Klimawandel überhaupt noch kein öffentliches Thema, und arabische Scheichs waren in Europa vor allem als Lieferanten möglichst billigen Erdöls oder als spendable Investoren willkommen.

Und kennen Sie das? Kollegen oder auch Kolleginnen, Zufallsbekanntschaften oder Nachbarn begrüßen Sie mit der Frage „Na, wie war der Urlaub?“ Da stellt sich erst mal sofort die Frage, warum die das fragen. Wollen die das wirklich wissen? Den großen Stress, etwa mit den Kindern oder am Airport-Check-in, die kleinen Freuden, die Überraschungen, die Enttäuschungen? Unter Familien-Anwälten ist bekannt, dass sich Scheidungsanträge ausgerechnet nach Sommerurlauben (und Weihnachtsferien) besonders häufen!

Was also soll oder kann man antworten? Vielleicht bleibt noch das neutrale Thema Wetter. Das aber ist in diesem Sommer in fast ganz Europa eigentlich insgesamt zu schön. Oder: „In Irland schien immer die Sonne zwischen zwei Regenschauern.“ Das wäre mal was anderes. Nun, da man die Fotos sortiert und archiviert hat, geht auch: „Inzwischen habe ich mich vom Urlaub erholt.“ Damit kann man mit einem kurzen, gemeinsamen Lachen den Alltag ganz passabel finden.

Anmerkung zum Foto: Von Heinrich Böll soll der Satz stammen „Der Tourist zerstört das, was er sucht, indem er es findet“.

Zauberhafter Urlaubsgruß vom Mond

Bekanntlich hängt ja alles mit allem zusammen, auch wenn das nicht immer einleuchtet. Wer in einer Stadt lebt, in der Straßenlampen die ganze Nacht leuchten, hat kaum eine Chance, am nächtlichen Himmel außer dem Mond auch ein paar Sterne oder gar Sternbilder zu sehen. Wer darauf keinen Wert legt, kann sich die Faszination der Unendlichkeit kaum vorstellen.

Kennen sie Volkmarst? Liegt etwa auf halber Strecke zwischen Bremen und Cuxhaven, plattes Land, ab und zu ein größerer Bauernhof, eben Idylle pur. Neulich, genauer gesagt am 20. August, war dort unser erster Urlaubstag. Nein – es folgt keine ausführliche Schilderung des angenehmen Quartiers. Zwar war die Ferienwohnung mit Balkon recht komfortabel. Aber es gab bei einbrechender Dunkelheit eine unentschiedene Diskussion über die Auswahl des Fernsehprogramms. So was gibt es eben öfter, wenn nur ein „Endgerät“ vorhanden ist.

Hilft ein kleiner Ausflug auf den Balkon? Da grüßt – eine Hand breit über dem Horizont – der rote Vollmond! Nach dem verhaltenen Ausruf des Erstaunens ist der Streit prompt beendet und es beginnt mit Digitalkameras und Handys der friedliche Wettstreit um die bestmögliche Fotografie dieser seltenen Ansicht des Erdtrabanten. Nach einigen Minuten war das Diskussionsthema eigentlich vergessen – wie weggezaubert.

Der rote Mond ist ein besonderes Naturschauspiel, das aufgrund eines optischen Phänomens entsteht. Wenn die Sonne, der Mond und die Erde in einer geraden Linie aufeinander zu stehen, kann der Mond in ein rötliches Licht getaucht werden. Dies liegt daran, dass Sonnenlicht durch die Atmosphäre der Erde gebrochen wird und dann auf den Mond trifft, was ihn rot erscheinen lässt. Es ist ein seltenes und schönes Naturschauspiel, das man sich nicht entgehen lassen sollte!

Ein Supermond ist eine Vollmondphase, bei der der Mond besonders groß und hell am Himmel leuchtet. Dies liegt daran, dass der Mond in dieser Phase besonders nah an der Erde ist.“ (Quelle: mondabenteuer.de)

Jedenfalls zeigte uns der rote Mond, wie bedeutungslos unsere kleinlichen Streitigkeiten sind…

https://www.nzz.ch/wissenschaft/mond-was-macht-er-mit-der-erde-ld.1795114

Wie ein Kriegsminister spricht

„Wir brauchen diese öffentliche Debatte, um den Ernst der Lage klarzumachen: Einerseits erleben wir durch das aggressive Auftreten Russlands eine neue Bedrohungslage in Europa, andererseits haben wir eine Fähigkeitslücke, die wir kurzfristig nur mithilfe der USA-Verbündeten schließen können, bis wir diese Waffen selbst entwickelt haben.“

Verteidigungsminister Boris Pistorius zur Debatte über die geplante Stationierung von weitreichenden US-Waffen in Deutschland. (HNA/WLZ 17.08.2024, Beilage Sonntagszeit, S. 2)

Zur Klarstellung:

1. Was bedeutet Debatte?

„Eine Debatte (von französisch débattre „diskutieren, erörtern“) ist ein Streitgespräch, das im Unterschied zur Diskussion formalen Regeln folgt und in der Regel zur inhaltlichen Vorbereitung einer Abstimmung dient.“ (Wikipedia)

Minister Pistorius meint offenbar kein klärendes Streitgespräch, sondern betreibt Propaganda für die Stationierung todbringender und weitreichender Waffen in Deutschland. Denn eine Abstimmung ist laut Besatzungsstatut („Nato-Vertrag“) nicht vorgesehen, weil dabei eine Ablehnung riskiert würde.

2. Der Ernst der Lage besteht nicht erst seit Februar 2022, als die russische Armee mit ihrer „Spezialoperation“ gegen die Ukraine begann, sondern schon seit 10 Jahren, als 2014 auf dem Kiewer Maidan der von den USA unterstützte Putsch gegen die demokratisch gewählte Regierung erfolgte und die ukrainische Armee 8 Jahre lang die russisch sprechende Bevölkerung der Regionen Donbass und Luhansk bombardierte – unter den Augen der „westlichen Wertegemeinschaft“.

3. Die neue Bedrohungslage in Europa ist seitdem das Ergebnis erfolgreicher Autosuggestion willfähriger Politiker, die – statt die Lebensinteressen ihres Wahlvolkes und ihrer Wirtschaft – die Profitinteressen von weltweiten Rüstungskonzernen sowie den weltweiten Dominanz-Anspruch der USA bedienen.

4. Die orwellsche Wortschöpfung Fähigkeitslücke ist pure Propaganda und zielt auf das positiv besetzte „zu etwas fähig sein“ und somit positive Möglichkeiten zu haben, die negativ besetzte „Lücke“ zu schließen. Diese soll mit der anstehenden Stationierung nur provisorisch und kurzfristig geschlossen werden, „bis wir diese Waffen selbst entwickelt haben.“

5. Mit dem propagandistischen wir des Ministers soll offensichtlich eine emotionale Verbundenheit von Herrschern und Beherrschten und ein Ansporn für die tüchtige Waffenindustrie ausgedrückt werden.

Fazit

Leider sind wir in Wirklichkeit offenbar schon weiter als es uns in den „Leitmedien“ weis gemacht wird. Folgendes probieren Sie bitte in Ihrem Browser zu finden, es ist eine notwendige, sehr nützliche Lektüre:

Pressenza Der 3. Weltkrieg hat bereits begonnen

6. August – notwendige Anmerkungen zum Hiroschima-Tag

Der 6. August 1945, an dem die erste Atombombe über Hiroshima gezündet wurde, bezeichnet die eigentliche Zeitenwende. Als Tag Null bezeichnet der Philosoph Günther Anders den 6. August, der ein neues Zeitalter der Weltgeschichte eingeleitet habe.

Durch die Entwicklung der Atombombe und die Bereitschaft, sie einzusetzen, habe der Mensch erstmals gezeigt, dass er alles Leben auf diesem Planeten auslöschen kann. […]“ So beginnt ein fundierter Beitrag von Ute Rippel-Lau auf Telepolis, der unter https://www.telepolis.de/features/Zeitenwende-und-Hiroshima-9822288.html verlinkt ist und ausführlich die Hölle von Hiroshima beschreibt.

Wer vielleicht hoffte, im aktuellen sich liberal verstehenden Blätterwald (z. B. Süddeutsche, Neue Züricher Zeitung, Frankfurter Allgemeine, HNA etc.) passende Meldungen zu finden, wurde zwar überwiegend enttäuscht, konnte aber bei der Berliner Zeitung fündig werden: https://www.berliner-zeitung.de/panorama/atombombenabwurf-ueber-hiroshima-erinnerung-mit-zukunft-li.375470

IPPNW-Pressemitteilung vom 05. August 2024:

Nie wieder Hiroshima, nie wieder Nagasaki: Jede Atomexplosion schadet Generationen

IPPNW fordert klares Bekenntnis gegen Atomwaffentests

Die IPPNW gedenkt der Opfer der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki und fordert anlässlich des 79. Jahrestages ein klares Bekenntnis der internationalen Gemeinschaft gegen die Wiederaufnahme von Atomwaffentests. Atomexplosionen gefährden nicht nur die Gesundheit und das Leben heutiger Generationen, sondern auch die zukünftiger.

Die Abwürfe von Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki waren nicht die einzigen atomaren Explosionen, die menschliches Leid und Umweltzerstörungen verursachten. Weltweit gab es über 2.000 Atomwaffentests, welche die Menschen in den ehemaligen Testgebieten noch heute belasten.
“Ein Blick in die Geschichte zeigt die Folgen der Atomwaffeneinsätze in Hiroshima, Nagasaki, den Marshallinseln, Kasachstan, Nevada, Algerien, Australien, Französisch-Polynesien, Lop Nor und anderswo: die Menschen leiden an Krankheiten und an den Umweltfolgen, teilweise bereits in fünfter Generation. Die IPPNW dokumentiert die Geschichten dieser Überlebenden und gibt ihnen eine Stimme. Wir fordern Gerechtigkeit für die Betroffenen und die Sanierung ihrer Regionen,” sagt Dr. Angelika Claußen, Co-Vorsitzende der IPPNW.

Aktuell droht eine Wiederaufnahme der Atomwaffentests. Berater*innen von Donald Trump stellten für den Fall einer erneuten Präsidentschaft die Idee vor, wieder Atomwaffenversuche durchzuführen. Auch das “Project 2025”, ein Manifest für eine mögliche Wiederwahl Trumps, sieht eine Wiederaufnahme der Atomtests vor.


Sollten die Vereinigten Staaten wieder Atomwaffen für Testzwecke detonieren, würde dies eine neue Ära des Leidens für Mensch und Umwelt einläuten. Die erneute Kontamination hätte massive Folgen für die Gesundheit und Lebensweise der betroffenen Bevölkerung. Zudem könnte es Russland und möglicherweise China provozieren, ebenfalls wieder Atomwaffen zu testen – was die katastrophalen Konsequenzen vervielfachen würde.

Seit 1996 gibt es ein internationales Atomtest-Moratorium, doch der Vertrag über ein umfassendes Verbot aller Atomtests konnte aufgrund fehlender Ratifikationen bisher nicht in Kraft treten. Eine Wiederaufnahme von Atomwaffentests wäre das Ende dieses Vertrages, der eine starke internationale Norm gegen Atomtests etablierte.

Derzeit halten die USA, Russland und China Teile ihrer Atomtestgelände für eine Wiederaufnahme der Tests bereit. Einige Expert*innen bezweifeln jedoch, dass eine Rückkehr zu unterirdischen Explosionen nach 30 Jahren ohne unverhältnismäßigen Aufwand machbar sei. Die USA verfügen über genügend Daten aus alten Tests, um hochpräzise Testsimulationen durchzuführen, die die Erweiterung und Modernisierung des nuklearen Arsenals ermöglichen. Russland und China führten weniger Atomwaffentests durch und investierten weniger in deren computergestützte Simulation. Für sie wäre eine Wiederaufnahme von Atomtests durch die USA eine Gelegenheit, selbst mehr Daten zu sammeln. Eine solche Entwicklung muss unbedingt verhindert werden, da die Konsequenzen für die Menschheit und die Ökosysteme verheerend wären.

Ein Verbot von Atomwaffentests ist ein Bestandteil des UN-Atomwaffenverbotsvertrags, der 2021 in Kraft trat und von knapp der Hälfte aller Staaten unterschrieben wurde.


Weitere Informationen:
IPPNW-Website zu den Geschichten von Überlebenden der Atomwaffentests: survivors.ippnw.de
„Zeitenwende und Hiroshima“, Gastbeitrag von IPPNW-Vorstandsmitglied Ute Rippel-Lau
„Geschichte zeigt: Atomwaffen sind keine Sicherheitsgarantie“, Gastbeitrag von IPPNW-Mitglied Rolf Bader

Sehr beeindruckende Dokumentation über den Gebrauch von Atombomben:

https://www.spiegel.de/geschichte/atomare-wuesten-im-niemandsland-der-strahlenkatastrophe-a-947157.html#fotostrecke-2d9178f7-0001-0002-0000-000000107025

https://www.ippnw.de/startseite/artikel/de/nie-wieder-hiroshima-nie-wieder-nag.html

dpa_7420995_atombombe_hiroshima

Immer noch aktuell: Text des Kasseler Friedensforums 2023

Am 6. August 1945 warf ein US-Kampfbomber über Hiroshima die erste Atombombe ab. Nur drei Tage später, am 9. August, folgte der Abwurf einer Plutoniumbombe auf Nagasaki.

In Hiroshima waren in einem Umkreis von einem halben Kilometer 90% der Menschen sofort tot. Es folgten eine ungeheure Druckwelle und Feuerstürme mit 250 km/h, mit Bodentemperaturen von 1000º C. Bereits nach 4 Monaten waren an den unmittelbaren Folgen in Hiroshima 136.000 und in Nagasaki 64.000 Menschen gestorben. Und das Leiden und Sterben ging und geht weiter…..

Haben die Menschen aus der Atombombenkatastrophe gelernt?

Nein! Die neun Atomwaffenstaaten, an der Spitze Russland und die USA, verfügen weiterhin nach Stand Anfang 2023 über 12512 Nuklearwaffen. Die Verpflichtung zur Abrüstung, die sich aus dem Atomwaffensperrvertrag ergibt, hat sich ins Gegenteil verkehrt. Das atomare Wettrüsten ist im vollen Gang. Die wachsende Rivalität der Großmächte, offene Drohungen sowie das Risiko eines technischen oder menschlichen Versagens, lassen das Schlimmste befürchten.

Ja! Am 8. Juli 1996 hat der Internationale Gerichtshof festgestellt, dass die Androhung und der Einsatz von Atomwaffen völkerrechtswidrig sind.

Am 26. März 2010 forderte der Bundestag fraktionsübergreifend die Bundesregierung auf, sich für den Abzug der in Büchel/Eifel verbliebenen US-Atombomben einzusetzen.

Nein! Dieser Beschluss wurde bis heute von keiner Bundesregierung umgesetzt. Die Modernisierung dieser Atombomben wird sogar von der Bundesregierung mit erheblichen finanziellen Mitteln unterstützt.

Ja! Am 7.Juli 2017 beschlossen 122 der 193 UN-Mitgliedsstaaten einen Vertrag zum Verbot von Atomwaffen. Dieser trat am 22. Januar 2021 in Kraft. Bis September 2022 haben den Vertrag 91 Staaten unterzeichnet und 68 ratifiziert.

Nein! Die Bundesregierung hält daran fest, sich an der nuklearen Drohung der US-Amerikaner zu beteiligen, was als „nukleare Teilhabe“ bezeichnet wird. Das bedeutet: Kein Beitritt zum Atomwaffenverbots-Vertrag, Kauf von atomwaffenfähigen F 35-Kampfjets.

Zusätzlich einigten sich Deutschland, Frankreich und Spanien am 18.11.22 endgültig auf das Luftkampfsystem (FCAS), bestehend aus Kampfjets und Drohnen. Das Projekt wird durch unterschiedliche Interessen der beteiligten Rüstungskonzerne verzögert.

Ja! Die Stadtverordnetenversammlung Kassel beschloss am 20. Mai 2019, den ICAN-Städte-Appell zu unterstützen. Dieser Appell sollte den Druck auf die Bundesregierung erhöhen, den UN-Vertrag zum Atomwaffenverbot zu unterschreiben.

Nochmal Ja! Wir werden uns weiter einsetzen: Für den Abzug der US-Atombomben in Büchel/Eifel, für das Verbot von Atombomben, für Abrüstungsverträge, für eine Welt ohne Atomwaffen.

https://www.kasseler-friedensforum.de/755/vortraege/Nichts-gelernt-Atombombenabwuerfe-auf-Hiroshima-und-Nagasaki

Ihr Urlaubsgeschenk wartet auf Sie!

Diese verheißungsvolle Ankündigung stand gestern in Betreff der bei mir eingetroffenen Mails und kam um 20:17 Uhr von der Süddeutschen Zeitung. Seit ich denken kann stehen Geschenke, besonders zum Geburtstag oder zu Weihnachten, bei mir hoch im Kurs. Damals zum Beispiel das Päckchen aus Dresden öffnen, dabei die Kordel nicht durchschneiden, weil sie ja nochmal verwendet werden kann, sodann die Öffnung des oben liegenden Briefumschlags, die Entzifferung des in Sütterlin geschriebenen herzlichen Briefes der Oma, nun endlich ran an die Überraschung: das Auspacken des Christstollens! Inzwischen schenke ich mir natürlich den Dresdener Christstollen selber. Damals war er für mich kostenlos. Geschenk eben!

Klopfen wir doch mal die Bedeutung des Wortes ab! Bei Wikipedia heißt es kurz und knapp: Ein Geschenk ist die freiwillige Eigentumsübertragung einer Sache oder eines Rechts an den Beschenkten ohne Gegenleistung – also unmittelbar zunächst kostenlos für den Empfänger. Im übertragenen Sinne kann man auch jemandem seine Aufmerksamkeit, sein Vertrauen oder seine Liebe schenken. Aha – also ohne Gegenleistung!

Und welches Geschenk der SZ für den Urlaub wartet angeblich auf mich? Weil ich ja weiß, dass es sich um ein kränkelndes, um Leser kämpfendes bildungsbürgerliches Blatt handelt, bin ich ziemlich skeptisch, zumal ich vor vier Tagen schon von meiner Urlaubsreise zurück gekommen bin. Also mache ich die Mail auf und lese da:

„Lieber Herr Zimmermann, egal, ob Sie in den Süden reisen oder es sich auf Balkonien gemütlich machen – SZ Plus begleitet Sie in den nächsten 6 Monaten überallhin.“

Da haben sich die Werbetexter und -psychologen aber richtig vergaloppiert. Wie viel tausend Empfänger sollen sich von diesem Satz angesprochen fühlen? Einerseits bin ich wirklich nicht lieb. Denn hinter SZ Plus verbergen sich stets ausführlichere Beiträge und Kommentare, auf die ich bislang wegen der Bezahlschranke verzichtete. Andererseits bin ich im Urlaub nicht in den Süden sondern in den Norden, nämlich an die Ostseeküste gereist. Das ist doch nicht „Balkonien“ und schon lange nicht „egal“!

Dass dieses „Sommer-Spezial“ genannte Lockvogel-Angebot (für „nur 49 €“) auch noch für 6 Monate gelten soll, zeugt von einer geradezu bizarren Ignoranz. Denn welcher Sommer dauert ein halbes Jahr?

Ach ja: Was soll nun das Urlaubsgeschenk sein? Erst wenn man dieses 6 Monate dauernde „Sommer-Spezial“ bestellt und sich damit seine „SZ – Plus-Lektüre“ bestellt hat, bekommt zum Abo ein Geschenk:

Die gedruckte SZ Langstrecke bündelt die besten Lesestücke aus drei Monaten SZ

Sorgfältig von der Redaktion kuratiert

Im Wert von 9,50 € inkl. gratis Versand zu Ihnen nach Hause

Dann muss der Urlaub alles in allem total verregnet und jedes Museum verschlossen sein. Wer wünscht sich so einen Urlaub mit einem solchen Geschenk, für das ja erst das Halbjahres-Abo für „nur 49“ € nötig ist.

Um die Abonnentenzahl zu steigern wird mit dem Wort „Geschenk“ gelockt, das braucht es aber zuvor eine Gegenleistung. Die bildungsbürgerlichen Werber – am besten auch die verantwortlichen Redakteure – sollten sich nicht wundern, wenn an dieser Stelle an Bauernfängerei erinnert wird:

Bauernfängerei bezeichnet einen plumpen Betrug. Das Wort ist eine Ableitung von Bauernfänger und stammt aus der Berliner Gaunersprache. Bauern waren ursprünglich Leute, die aus dem Umland nach Berlin reisten und dort Opfer von Betrügern wurden; mit fangen war „überlisten“ gemeint. Wikipedia (DE)

20. Juli, Delegitimierung, Stauffenberg, Kant und der Widerstand

Nicht nur aus Anlass des Tages vor 80 Jahren!

Ein Gespenst geht um in Deutschland – das Gespenst der Delegitimierung. Wer wissen möchte, was denn das sperrige Fremdwort bedeutet, das in letzter Zeit so gerne sowohl von Angehörigen der „Ampel-Koalition“ als auch mit ihr sympathisierenden Journalisten in Talkshows zur Rechtfertigung allerlei fragwürdiger behördlicher Maßnahmen gebraucht wird, könnte sich zum Beispiel im Netz schlau machen und googeln.

An oberster Stelle bringt die Suchmaschine bereits die Position des Verfassungsschutzes:

https://www.verfassungsschutz.de/DE/themen/verfassungsschutzrelevante-delegitimierung-des-staates/verfassungsschutzrelevante-delegitimierung-des-staates_node.html

Eine allgemeine, unparteiische Erklärung bietet an zweiter Stelle die Plattform bedeutungonline.de:

https://www.bedeutungonline.de/was-ist-delegitimierung-bedeutung-definition-erklaerung

Hier wird die Legitimierung und deren Negierung zunächst allgemein, sodann in Bezug auf Staatshandeln juristisch und die historische Verwendung betrachtet.

Wikipedia priorisiert dagegen sogleich die Definition des Verfassungsschutzes:

https://de.wikipedia.org/wiki/Verfassungsschutzrelevante_Delegitimierung_des_Staates

Dabei werden die politischen Maßstäbe Links- und Rechtsextremismus entlang der – seit den „Berufsverboten“ in den 1970er Jahren – offiziellen Definitionen erläutert und gegen das Recht auf private Meinungsäußerung abgegrenzt.

Es ist sicher nützlich zu wissen, dass legitim im Gegensatz zu legal (sowie deren Negationen) nichts mit staatlichen Gesetzen zu tun hat. Bei bedeutungonline.de ist als Beispiel-Erläuterung für „allgemein anerkannt, unbestritten, berechtigt“ das folgende, leider nicht nachgewiesene Zitat zu finden:

Formell war er [Claus Schenk Graf von Stauffenberg] ein Hochverräter, aber ich halte das, was er getan hat [das Attentat auf A. Hitler am 20. Juli 1944], für legitim.“

Hierher gehört nun ein nachdenklicher Essay der aktuellen Berliner Morgenpost, in dem nicht nur auf die zahlreichen höchst unterschiedlichen Widerständler verwiesen wird, sondern auch deren Legitimität durch die moralische Motivation für den Mord des Diktators begründet wird.

https://www.morgenpost.de/politik/article406824569/20-juli-1944-was-wir-vom-widerstand-gegen-hitler-lernen-koennen.html

Formell also waren die Attentäter nach der Gesetzeslage Hochverräter. Denn im NS-Staat galt das (von den Nazis) geschriebene Gesetz. Für ihre Motivation gibt es den kategorischen Imperativ Immanuel Kants (1724 bis 1804). Dieser größte deutsche Philosoph und Aufklärer geriet allerdings durch diese Erkenntnis in Konflikt mit den damals Mächtigen in Kirchen und Staat.

Der Begriff „kategorisch“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass der Imperativ bedingungslos und allgemeingültig ist. Kant behauptet, dass moralische Handlungen auf einer universalen moralischen Gesetzgebung basieren sollten, die für alle rationalen Wesen gleichermaßen gilt. Der kategorische Imperativ fordert die Menschen auf, nach moralischen Prinzipien zu handeln, die universell anwendbar sind, unabhängig von den individuellen Umständen.

Kants kategorischer Imperativ basiert auf dem Prinzip des Autonomie. Kant argumentiert, dass die Menschen rationale Wesen sind, die die Fähigkeit haben, unabhängig von ihren individuellen Wünschen und Neigungen moralische Entscheidungen zu treffen. Der kategorische Imperativ soll Menschen dazu anleiten, moralisch zu handeln, indem sie vernünftige, allgemeingültige Prinzipien anwenden.“ (Quelle: das-wissen.de)

Somit haben wir auch einen Maßstab für legitimes staatliches Verhalten und Handeln, wenn Menschen – und nicht nur die Staatsbürger – entsprechend Kants Aufforderung nun, in der sich demokratisch nennenden Staatsform, den „Mut haben, sich des eigenen Verstandes zu bedienen“ und gegen die Obrigkeit Widerstand signalisieren. Allein in der Frage, ob ein gewisses Regierungshandeln – etwa mittels Gesetzen oder Verordnungen – legitim ist, steckt noch keine „Delegitimiereung“.